Eberhard Posner (2009)
60 Fotos: serielle Porträts und Akte
Herausgeber: Patrick Rössler
Erscheinungsjahr: 2009
Verlag: Eigenverlag in einer einmaligen Auflage von 10 Expemplaren (fototek 4)
Beschreibung:
Dieser Band erscheint – als Hommage an die Reihe Fototek – in zehn nummerierten und vom Verfasser signierten Exemplaren zum einhundertsten Geburtstag von Eberhard Posner.
Serielle Porträtfotografie ist nichts Außergewöhnliches, im Gegenteil: Jeder professionelle Lichtbildner des 20. Jahrhunderts dürfte stets mehr als einmal auf den Auslöser gedrückt haben, um anschließend aus der Bilderserie das vermeintlich beste Porträt herauszugreifen. Nur vereinzelt, etwa bei den berühmten Bildfolgen eines Man Ray, erblicken dann auch mehrere unterschiedliche Motive das Licht der Öffentlichkeit. Bei Amateuren entstehen solche Reihen quasi auf »natürlichem« Wege, wenn über einen längeren Zeitraum von denselben Personen (z. B. aus der eigenen Familie) Schnappschüsse zusammenkommen, denen dann allerdings die formale Stringenz – geschweige denn die Öffentlichkeit – fehlt, um sie ernsthaft unter ›serieller Fotografie‹ rubrizieren zu können.
Die Porträts und Akte, die Eberhard Posner zwischen 1936 und 1941 von seiner späteren Frau Elsbeth anfertigte, liegen irgendwo dazwischen. Zweifellos muss man den gebürtigen Berliner, der nach seiner Ausbildung im Lette-Verein bei dem bekannten Atelier Sandau beschäftigt war, als Profi-Fotografen bezeichnen, der handwerklich ebenso geschult war wie in der Wahl von Motiven. So kann es nicht verwundern, dass die technische Qualität seiner Aufnahmen durchweg überzeugt. Andererseits sind und bleiben diese Fotos private Erinnerungsstücke, die er nie selbst für einen Wettbewerb eingereicht oder zu einer Publikation zusammengestellt hat.
Die vorliegende Sammlung zeigt deswegen erstmals eine Auswahl aus weit mehr als 300 Motiven, die nach dem Tode Posners auf Flohmärkten der Stadt aufgetaucht sind. Sie entstammen mehreren Fotoalben und Mappen aus seinem privaten Nachlass, der inzwischen in alle Winde zerstreut ist und, seiner peniblen Nummerierung der Negative zufolge, mehrere Tausend Motive umfasst haben muss. Aus einem weiteren Album, das wohl als Erinnerungsstück für seine Schwiegermutter gedacht war, lassen sich die Aufnahmen grob datieren. Die frühesten Aufnahmen zeigen Posner und sein »Fräulein Elsbeth Fischer« während der Olympiade 1936 auf der Terrasse eines Restaurants mit Blick auf das Reichssportfeld. Später im selben Jahr setzen die Porträtserien ein, in denen Posner mit wechselnder Beleuchtung, Kleidung und Körperhaltungen ebenso experimentierte wie mit unterschiedlichen Perspektiven. Zwei Serien mit Aktaufnahmen entstanden im Juli 1938 und im Juli 1940; weitere nicht immer ernst gemeinte Inszenierungen tragen Titel wie »Trockenschwimmen« oder »Madonna im Türrahmen«. Auch nach der Heirat im Juni 1941, also mitten in den Kriegswirren, und einer kurzen Hochzeitsreise porträtierte Posner seine ihm angetraute Ehefrau noch vereinzelt, aber nicht mehr mit der früheren Hartnäckigkeit. Eine letzte Aufnahme stammt aus dem Frühjahr 1947. Die erhaltenen Vintage Prints sind überwiegend im Postkartenformat, abgesehen von einigen größeren Abzügen, die er selbst auf einen Unterlagenkarton montierte und namentlich signierte.
Unsere Auswahl aus diesem Bestand, die die von Posner in seinen Vergrößerungen bevorzugten Bildausschnitte aufgreift und nur behutsam an das Format der Publikation anpasst, eröffnet eine eigene Perspektive auf die deutsche Fotografie im Nazi-Deutschland. Während sich die Forschung bislang auf künstlerische Fotografie und Bildjournalismus im NS-Staat konzentrierte und das kunsthistorische Interesse besonders der Architektur- und Sachfotografie gilt (in jüngerer Zeit trat das Gebiet der Mode hinzu), beschränken sich die Beispiele für Porträtfotografie oft auf die »Bilder vom deutschen Volksgesicht« oder Hoffmanns Hitler-Verklärungen. Posners privat-professionelle Porträtserie berührt einen anderen Diskurs: Jenen um den Alltag im so genannten ›Dritten Reich‹, das Leben einer durchaus aufgeschlossenen intellektuell-künstlerischen Schicht, in deren Lebenswelt auch Relikte der Moderne (wie beispielsweise die Zeitschrift ›die neue linie‹, Jazz-Konzerte auf dem Ku’-Damm und Hollywood-Filme) präsent waren. Posners Porträts der späten dreißiger Jahre spiegeln eine Unschuld, die die Zeit schon lange verloren hatte.
Aus der Einleitung des Bandes (2009)