Paul W. John fotografiert Deutschland (1999)

Autor: Patrick Rössler

Verlag: Stuttgart: Edition 451

Erscheinungsjahr: 1999

Beschreibung: 

Ein hagerer Mann, mit schwerem Gepäck und einem Holzstativ über den Schultern, kämpft sich die Anhöhe hinauf. Oben angelangt, verschnauft er ein wenig, putzt sich mit einem Taschentuch die beschlagene Nickelbrille. Dann baut er seine Ausrüstung auf: Das Stativ, das schwere Kameragehäuse, schließlich die lichtempfindlichen Fotoplatten. Im Tal wartet eine Stadtansicht darauf, abgelichtet zu werden, dahingeschmiegt in eine sanfte Hügellandschaft. Alles ist bereit für den Auslöser, nur eine Wolke verdeckt noch die Sonne. Aber ein kurzes Warten lohnt sich, die Aufnahme gelingt. Zufrieden packt er sein Handwerkszeug wieder ein und macht sich an den Abstieg. ,,Wie viele Male habe ich eine vollständige Kameraausrüstung 9 x 12 cm nebst Fern- und Weitwinkeloptik sowie vier bis fünf Dutzend Ersatzplatten im österreichischen und schweizerischen Hochgebirge von Hütte zu Hütte geschleppt, nur um an klaren Tagen einige Fernsichten zu photographieren?“, sollte sich Paul W. John später einmal erinnern.

Per Auto und Motorrad, zu Fuß, auf Schiffen und Booten durchstreifte John in den zwanziger und dreißiger Jahren seine deutsche Heimat auf der Suche nach attraktiven Fotomotiven, die er Redaktionen oder Verlagen zum Abdruck anbieten konnte. Paul W. John war keine Berühmtheit, kein Star unter den Lichtbildnern des „Goldenen Zeitalters" der Fotografie - nach dem bescheidenen Mann aus Berlin drehte sich auf der Straße keiner um, und ebenso wenig stand der kränkelnde Reformköstler als Partylöwe im Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens. Nicht er selbst war bekannt, doch umso mehr seine Fotos: Die für John typischen Landschaften und Stadtansichten gehörten in jenen Tagen zum Standardrepertoire der publizistischen Illustration, sie waren Zeitungslesern und Postkartenschreibern wohlvertraut, zierten Kalenderblätter und Bildbände gleichermaßen. Dennoch ist wenig bekannt über den Menschen hinter diesen Bildern, sein vielfältiges Werk hat nie eine retrospektive Ausstellung erlebt, zeitgenössische Quellen und Abdrucke sind meist verstreut und nur an entlegenen Stellen zugänglich. Durch glückliche Umstände haben sich wesentliche Teile seines fotografischen Nachlasses bis heute geschlossen erhalten, die dieser Band erstmals vorstellt.

Auszug aus dem Begleittext zur Werkübersicht