Ausstellungen von 1988 bis 2006 - aus der Sammlung
Die Sprache des Stummfilms (2006)
Ausstellung über die Filmpublizistik in der Weimarer Republik in der Universitätsbibliothek
Die Universität Erfurt zeigt in Kooperation mit dem Fachbereich Architektur der Fachhochschule erstmals eine Ausstellung über die Filmpublizistik während der Weimarer Republik. Die Ausstellung ist vom 23. Mai bis zum 29. Juni 2006 in der Universitäts- und Forschungsbibliothek Erfurt während der Öffnungszeiten zu sehen.
Die expressionistischen Dekors aus Caligaris Welt, der Maschinenmensch Maria als Prototyp des modernen Roboters, die Silhouette der Zukunftsstadt Metropolis - all diese Bilder sind aus unserem kollektiven Gedächtnis heute nicht mehr wegzudenken. Als Teil des kulturellen Erbes einer lange vergangenen Zeit, der Ära des deutschen Stummfilms, wirken sie bis in die Ikonographie der Gegenwart hinein; sei es in Musikvideos oder die kontemporäre Plakatgestaltung.
Die Ausstellung "Die Sprache des Stummfilms" widmet sich dieser Epoche und ihren Filmwerken aus einer ungewöhnlichen Perspektive: Im Mittelpunkt stehen nicht die Filme selbst, sondern die zeitgenössische Publizistik, die das Kino mit seinen vielfältigen Nebenerscheinungen reflektierte. Sie wendet sich jenen randseitigen Dokumenten zu, die für den Aufstieg des Films und seiner Stars zu einem zentralen Phänomen der Populärkultur elementar sind. Alle der zur Schau stehenden Exponate entstammen den Beständen der Universitätsbibliothek Erfurt und einer sehr umfangreichen privaten Sammlung zum Thema.
Pressemitteilung Universität Erfurt, Jens Panse (2006)
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VIEWing our LIFE and TIMES. A Cross-Cultural Perspective on Media Globalization. (2006)
On occasion of the Annual ICA Conference in Dresden, 2006, we present an exhibition of German and American popular magazines of the 20th century. By showing important vintage magazines, the mutual influence in graphic design, art direction and content is analyzed for one of the most important type of visual media in the past. In terms of communication research, we can observe processes of diffusion between different media outlets, as well as indicators for early media globalization (orientation on national and international target groups, individual exchange of immigrating journalists, emerging ‘global players’ etc.). The exhibition was sponsored by the visual studies division of ICA. It was accompanied by a catalogue in colour which was distributed to all conference participants (free).
Ankündigung im Konferenzprogramm (2006)
"The special ongoing exhibit on German-American magazine design prepared by Prof. Dr. Patrick Roessler was outstanding, providing a visually stunning and academically insightful introduction to this understudied area."
Ronald E. Rice, ICA President, Newsletter July/August 2006
Ausstellungsstation in der Universiätsbibliothek Erfurt
Paul W. John fotografiert Deutschland (1999)
„Täglich werfen die Druckmaschinen unzählbare illustrierte Zeitschriften mit den neuesten aktuellen Bildberichten auf den Markt und finden Millionen Käufer und Leser. […] Welche Bedeutung kann oft so ein kleines Bildchen für den einzelnen Menschen haben! […] Die Photographie [ist] eigentlich eine schöne Illusion, die uns Menschen viel Freude schenkt, glücklich oder auch unglücklich machen kann.“
aus Paul W. John, Ist die Photographie eine Illusion?
Paul W. John schrieb diese Worte in den 1930er Jahren, als er bereits auf ein viele Tausende Motive umfassendes, photographisches Werk zurückblicken konnte. Und dieses Werk, von dem die Ausstellung hier nur einen winzigen Ausschnitt vorstellen kann, dieses Werk durchzieht die Auseinandersetzung mit der Fotografie, die mehr sein soll als eine bloße Illusion.
Paul W. John war im Grunde seines Herzens ein Dokumentarist, zeitlebens auf der Suche nach dem Deutschen Charakterbild, das sich für ihn aus der Vielfalt der Landschaften, Städte, Menschen und Bauwerke seiner Heimat zusammensetzte. Und so reiste er über Jahrzehnte hinweg durch die Regionen Deutschlands, trug Motiv um Motiv zusammen, um die deutsche Wirklichkeit zu erfassen. Dieser Kampf gegen die Illusion war natürlich von vornherein zum Scheitern verurteilt: Wirklichkeit lässt sich durch Fotografie nicht abbilden, und die Medienforschung nennt mindestens zwei verschiedene Ebenen, an denen sich die Subjektivität der Fotografie festmachen lässt:
Das eine ist der selektive Charakter der Fotografie – jedes seiner Motive, die er mit großer Sorgfalt auswählte und oft stundenlang belauerte, bis sich der richtige Moment, das richtige Licht ergab, jedes Motiv ist nur eines einer unendlichen Zahl möglicher Motive. Selbst wenn John noch eintausend weitere Orte bereist, oder wenn er noch zehntausend weitere Gebäude abgelichtet hätte – der Gedanke, auf diese Art ein vollkommenes Charakterbild Deutschlands schaffen zu können, bleibt Illusion.
Aus heutiger Sicht viel wichtiger ist aber vielleicht die zweite Ebene fotografischer Subjektivität, und zwar die der eigentlichen Bildgestaltung. Also: nicht was ich fotografiere, sondern wie ich es fotografiere. Besonders hier soll unsere Ausstellung das Spannungsverhältnis zeigen zwischen dem Dokumentaristen John und dem Lichtbildner John. Natürlich hatte er dezidierte Vorstellungen davon entwickelt, wie seine Bilder aussehen sollten – im Einzelnen kann man dies im Katalogbuch nachlesen, in das wir einige Originaltexte Johns aufgenommen haben. Es durfte kein „Kitsch“ sein, sollte das Wesen des Motivs herausarbeiten, einen wirkungsvollen Aufbau besitzen – also mehr als nur eine schlichte Reproduktion der Realität.
Und so belegen die Fotos von Paul W. John immer wieder das Aufeinandertreffen zweier widersprüchlicher Auffassungen: zum einen der neutrale Beobachter, der die Welt zeigen will, wie sie ist; und zum anderen der künstlerische Fotograf, der die ästhetischen Tendenzen der Zeit genau beobachtet und die Gesetze des neuen Sehens sehr wohl kennt und in sein eigenes Werk einfließen lässt.
In jedem Foto von John finden wir diese beiden Auffassungen in unterschiedlichem Maße wieder: es gibt eine erhebliche Zahl von Bildern, in denen sich der Dokumentarist John durchgesetzt hat; meistens sind das Landschaften oder typische Stadtansichten, betont zurückhaltend fotografiert, objektiv, fast unbeteiligt. Daneben hat John aber immer einen Blick für das Ungewöhnliche besessen, für Linienführung, für Formen und Strukturen. Und aus diesem Bereich haben wir im Wesentlichen die Bilder für diese Ausstellung rekrutiert – Sie sehen in diesen Räumen solche Abzüge, in denen John der Illusion in der Fotografie Platz gelassen hat.
Seine Handschrift ist diese Kombination aus dem Dokumentaristen und dem Künstler. Mit seiner gewissen Bodenständigkeit war er freilich nicht der einzige in jener Zeit. Aufschlussreich ist hier immer der Blick auf die anderen Fotografen, die in Anthologien im Umfeld platziert sind, und hier stoßen wir öfters auf den Namen Dr. Paul Wolff. Aber John ist anders: authentischer, der Anteil des Dokumentaristen überwiegt gegenüber den oft doch stark konstruierten Fotos von Wolff. Doch eine solche Art von Fotografie war für John damals anscheinend unverkäuflich – wenn wir die wirklich unzähligen Abdruckbelege von John in Zeitschriften, Sammelbänden, Kalendern und Jahrbüchern durchsehen, finden wir fast ausschließlich den Dokumentaristen mit seinen Landschaften und Bauwerken.
Als wir, Stefan Schiemann aus Berlin und ich, den Nachlass von Paul W. John gesichtet hatten, waren wir uns schnell einig, dass wir den „anderen“ John, den mit dem ganz eigenen Blick auf die Dinge, der Öffentlichkeit vorstellen müssen. Und vielleicht war es sogar ein Glück, dass John seine künstlerischeren Motive damals schlechter verkauft hat – möglicherweise hätten wir in seinem Nachlass sonst gar keine dieser Aufnahmen mehr vorgefunden.
Auszug aus dem Vortrag von P. Rössler anlässlich der Vernissage im Kunsthaus Lempertz, Berlin
Einladungskarte zur Ausstellungseröffnung
Werkverzeichnis: Paul W. John fotografiert Deutschland
Ausstellungsflyer
Blick in die Ausstellung
Moderne Illustrierte – illustrierte Moderne. Zeitschriftenkonzepte im 20. Jahrhundert. (1998)
»Moderne Illustrierte – Illustrierte Moderne«: selten werden schon im Titel die Schwerpunkte einer Ausstellung so wortspielerisch und zugleich komprimiert hervorgehoben. Es geht um die illustrierte Zeitschrift in der Moderne und gleichzeitig um die Darstellung der Moderne in dem Medium »Illustrierte«, um Wechselbeziehungen und Wechselwirkungen verdeutlicht an Zeitschriftenkonzepten unseres Jahrhunderts.
Entstanden in der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts, kommt die illustrierte Zeitschrift dem wachsenden Bedürfnis des bürgerlichen Zeitalters nach Lese- und Unterhaltungsstoff, nach Text und Bild entgegen. Im 20. Jahrhundert findet sie zunehmend Verbreitung bis hin zu all den Spielarten, die uns heute am Kiosk ins Auge springen. Es ist jedoch nicht dieses breite Spektrum, das im Mittelpunkt der Ausstellung steht. Es geht vielmehr um die Fragestellung, in welchen Zeitschriften und wie sich die jeweils als modern definierten Strömungen manifestieren. An acht ganz unterschiedlichen Beispielen, deren Erscheinungszeitraum sich insgesamt von 1921 bis heute erstreckt, wird diese Avantgarde exemplarisch vorgestellt. Dabei stehen Form und Inhalt immer in enger Beziehung zueinander. Den neuen künstlerischen, gesellschaftlichen oder politischen Ideen entspricht eine neue, ungewöhnliche Gestaltung von Text und Bild. Mit der Präsentation des avantgardistischen Äußeren ebnet die Ausstellung daher auch den Weg zum inneren Verständnis der Moderne.
Die Idee für diese Ausstellung entstand in einer Lehrveranstaltung des Aufbaustudiengangs Journalistik an der Universität Hohenheim. Für die Konzeption und ihre überzeugende Umsetzung im vorliegenden Katalog sei Herrn Dr. Patrick Rössler und den Studentinnen und Studenten sehr herzlich gedankt. Ein ganz besonderer Dank gilt Herrn Dr. Rössler darüber hinaus für die großzügige Öffnung seines privaten Zeitschriftenarchivs. Die Exponate, die in der Ausstellung zu sehen sind, liegen damit nicht nur in einer »präsentableren« Form, sondern auch in einer Vollständigkeit vor, die bei dieser Materie schwierig zu erreichen ist. Illustrierte Zeitschriften besitzen als kulturgeschichtliche Quelle für ihre Zeit hohen Wert, haben jedoch zum Zeitpunkt ihres Erscheinens für wissenschaftliche Bibliotheken nicht in jedem Falle höchste Priorität in der Erwerbung.
Dank zu sagen ist Herrn Dr. Rössler auch für die Durchführung der Ausstellung; ebenso Frau Dr. Vera Trost, der Ausstellungsreferentin der Württembergischen Landesbibliothek, für die nicht immer leichte Umsetzung der Ideen in die Praxis und die bewährte Hilfestellung. Eingeschlossen in diesen Dank ist der Verein zur Förderung des kommunikationswissenschaftlichen Studiums im Raum Stuttgart (VKS) e.V., dessen finanzielle Unterstützung die Herstellung der ausstellungsdidaktischen Materialien ermöglicht hat.
Der Ausstellung wünsche ich eine Vielzahl von Besuchern, dem Katalog eine Vielzahl von Lesern, die sich gleichermaßen an der »Illustrierten« wie an der »Moderne« erfreuen können.
Geleitwort zum Katalog von Birgit Schneider, Kommissarische Direktorin der Württembergischen Landesbibliothek (1998)
Zu dieser Ausstellung
Die skizzierte Konzeption betrachtet exemplarische Illustrierten mit einer bestimmten Position im Diffusionsprozess der Moderne. Daraus ergibt sich bereits, daß an dieser Stelle keine umfassende Geschichte des deutschen Magazinjournalismus geschrieben werden kann und soll. Entsprechende Darstellungen, wie sie für den angloamerikanischen Sprachraum oder auch im internationalen Vergleich bereits vorliegen, stehen für die deutsche Zeitschriftenlandschaft noch aus. Bei der Analyse der acht exemplarischen Zeitschriften wurde ein Raster aus vier Dimensionen angelegt, wobei die gestalterische Dimension aufgrund ihrer formalen Affinität zum Medium »Ausstellung« im Vordergrund stehen muss: Eine Ausstellung ist primär nicht der Platz zum Lesen, sondern ein Ort der Betrachtung.
Sowohl bei der Präsentation in der Ausstellung als auch beim Abbildungsmaterial im Katalog liegt ein Schwerpunkt auf den Umschlägen der Zeitschriften, denn in der Covergestaltung konzentriert sich der gestalterische wie inhaltliche Fokus des Mediums – es ist das Aushängeschild des Produkts, sein Schaufenster, die komprimierte Vorschau auf das, was den Leser er wartet, und das erste, was dieser an der Publikation wahrnimmt. Darüber hinaus werden auch ausgewählte Innenseiten präsentiert, wobei auf die vollständige Dokumentation einzelner Beiträge meist verzichtet wurde.
Aus der Einleitung der Katalogbroschüre (PR, 1998)
Begleitkatalog zur Ausstellung (1998)
Einladung zur Ausstellungseröffnung
Blick in die Ausstellung
Rekonstruierte Realitäten. Zeitgeschichte in deutschen Illustrierten 1950-1970 (1998)
Die Mainzer Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft am 21. und 22. Mai 1998 ist dem Thema „Massenmedien und Zeitgeschichte" gewidmet. Als ich der Mitgliederversammlung dieses Thema vor zwei Jahren (zusammen mit dem Angebot zur Organisation der Tagung) vorschlug, geschah dies schon mit Blick darauf, dass sich 1999 die Gründung der Bundesrepublik (ebenso wie diejenige der DDR) zum fünfzigsten Male jährt. Das sollte für eine wissenschaftliche Gesellschaft wie die unsrige, deren Gegenstand eine heute manchmal unterschätzte historische Dimension hat, Anlass sein, sich schon im Vorfeld des Jubiläumsjahres mit der Rolle der Medien in der deutschen Zeitgeschichte zu befassen.
Begleitet wird das umfangreiche Vortragsprogramm durch eine Ausstellung, die Dr. Patrick Rössler vorbereitet und der er den mehrdeutigen Titel „Rekonstruierte Realitäten" gegeben hat. Anhand von bekannten Illustrierten aus dem Zeitraum von 1950 bis 1970 exemplifiziert und visualisiert er, wie sich Zeitgeschichte auf den Titelseiten dieses Mediums niedergeschlagen hat. So locker geknüpft die Reihe von Akteuren und Schlüsselereignissen scheint, sie enthält eine Folge höchst eindrucksvoller Beispiele. Die Älteren werden sich gewiss noch an viele dieser Bilder zurückerinnern, die Jüngeren werden sie dagegen als Bruchstücke einer vergangenen, bereits historisch gewordenen Zeit wahrnehmen. So sind die publizistischen Dokumente vorzüglich geeignet, etwas von unterschiedlichen Zeitgeschichtserfahrungen lebendig werden zu lassen.
Ich möchte an dieser Stelle Herrn Rössler sehr danken, dass er diese Ausstellung aus seinem Sammelfundus extra für die Mainzer Jahrestagung zusammengestellt hat und ihr dadurch einen zusätzlichen Akzent verleiht. Mögen die vermittelten visuellen Reize als willkommene Gelegenheit dienen, in den Tagungspausen die Thematik der Vorträge durch Primäreindrücke zu ergänzen. Dadurch wird unsere Jahrestagung jedenfalls bereichert. Der vorliegende Katalog soll hierzu einen kleinen erläuternden Kommentar liefern. Seine Drucklegung wurde durch Inserate der Fachverlage ermöglicht, die publizistikwissenschaftliche Titel pflegen. Ihnen sei an dieser Stelle für Ihre Unterstützung ebenso gedankt wie den Mitarbeitern des ZDF, die bei Vorbereitung und Aufbau der Ausstellung hilfreich zur Seite standen.
Vorwort von Prof Dr. Jürgen Wilke (Universität Mainz) in der Begleitbroschüre (1998)
Der Asche entstiegen. (1990)
Die Geschichte der Menschheit gleicht einer endlosen Folge von Verbrechen. Seit dem heimtückischen Mord Kains an seinem Bruder ziehen sich die Verstöße gegen das 7. Gebot wie ein blutiges Band durch die Jahrhunderte.
1928 stellt Ronald A. Knox, katholischer Priester und Krimiautor, seinen eigenen Dekalog für den Kriminalschriftsteller vor, der solch bizarre Gebote enthält wie
„5. In der Erzählung soll kein Chinese eine Rolle spielen.“
Paradoxerweise stellt gerade er gleichzeitig fest, dass
„während die Nachfrage der Öffentlichkeit nach Kriminalgeschichten ungeschwächt bleibt, es von Jahr zu Jahr schwieriger wird, eine solche zu schreiben, die auch nur den geringsten Anspruch auf Originalität erheben kann.“
Und bereits der Versuch, durch ein Regelwerk die kreative Arbeit eines Autors festlegen zu wollen, zeigt deutlich, wie sehr sich der Kriminalroman seit jeher von anderen literarischen Gattungen unterschied.
Umso mehr erstaunt dann aber die Tatsache, dass eigentlich niemand genau weiß, was ein Kriminalroman ist. Autor Julian Symons überlässt in Fällen wie dem Märchen von Rotkäppchen oder den Shakespeare-Dramen dem Geschmack des Einzelnen, was er nun darunter zu verstehen habe. Aber in der Praxis böten sich dem Leser vermeintlich „keinerlei Schwierigkeiten, die Bücher, in denen die Art, das Motiv und die Folgen eines Verbrechens im Mittelpunkt stehen, von den anderen zu unterscheiden, bei welchem dem kriminellen Moment nur untergeordnete Bedeutung zukommt.“
Der Baum Kriminalliteratur, dessen weitläufige Verästelungen die Detektivgeschichte genauso wie den Abenteuer-, den Spannungs-, den Agenten- oder den Spionageroman und den Thriller als Früchte trägt, hatte denn auch nach einer vorläufigen Bilanz von 1980 bereits über 60 000 Werke hervorgebracht. An diesem Punkt wird deutlich, dass jede Ausstellung zu diesem Thema weder die Scharmützel um die Definition des Kriminalromans auflösen kann – noch sich auf das Glatteis begeben sollte, die gesamte Geschichte des Krimis aufarbeiten zu wollen.
Zudem beeinträchtigt ein allgemeines Problem der Buchpräsentation den Aufbau einer Präsentation von Kriminalromanen: ein Buch wird gelesen, eine Ausstellung schaut man sich an – und ist daher die denkbar ungeeignetste Rezeptionsform für Literatur. Um nämlich die inhaltliche Schlüssigkeit der gerade vorgelegten Auswahl beurteilen zu können, müsste man als Besucher alle gezeigten Krimis lesen (aus technischen Gründen eine Unmöglichkeit), oder sie bereits kennen. Aber warum sollte man sich die Ausstellung dann noch anschauen?
Diese kleine Schau anlässlich der Krimiwochen in der Stadtbibliothek von Ebersbach beschränkt sich daher auf das, was ein Besucher von einem Buch wahrnimmt, ohne dass er es liest: die Gestaltung und den Umschlag. Zeitlich wurde die Auswahl auf jene Phase beschränkt, bis der Kriminalroman in Deutschland salonfähig wurde, nämlich auf die Taschenbücher der fünfziger und frühen sechziger Jahre.
Aus der Einführung zur Begleitbroschüre (1992)
… und immer lockt das Weib. Filmstars auf Illustrierten der 50er Jahre. (1991)
Sein Zug fährt um 17.22 Uhr. Der Mann hat bis zur Abfahrt genau achtzehn Minuten Zeit. Es ist an einem Mittwoch, im Jahre 1961 in der Bundesrepublik Deutschland. [...] Der Mann tut das, was alle Männer machen, die auf einem Bahnsteig längere Zeit auf einen Zug warten: er betrachtet die Auslage des Kiosks. [...] Dem Mann fallen die achteinhalb Stunden ein, die vor ihm liegen. Der Mann möchte eine Illustrierte kaufen. Er weiß nicht, welche. {...] Ihm bedeuten die Namen der Illustrierten nichts und auch die Titelbilder wenig. Er sieht nur Frauengesichter. Gesichter, umrahmt von blonden Haaren, und Gesichter mit schwarzen Haaren. Lippen dunkelrot, und Lippen hellrot – aber immer sieht er nur Lächeln und immer blendendweiße Zähne. Die Augen, die ihn anschauen, sind blau oder braun. Aber immer versprechen sie ihm viel. Der Mann entscheidet sich für dunkles Haar und blaue Augen. Er gibt der nicht mehr jungen Kioskfrau sechzig Pfennig.
Genau diese Vielfalt präsentiert die Ausstellung „Und immer lockt das Weib“: die Porträts von Filmschauspielerinnen als attraktive Waffe im Ringen der Illustrierten um ihre Leser – dem erbarmungslosen „Kampf am Kiosk“, wie ihn die zitierte Untersuchung von Usko und Schlichting (Ruetten & Loening 1961) beschreibt. Gleichzeitig erreichte Ende der fünfziger Jahre die populär- und medienwissenschaftliche Diskussion um die publizistische Daseinsberechtigung der Illustrierten und deren aggressives Tauziehen um die Aufmerksamkeit des Publikums ihren Höhepunkt.
Eingeleitet wurde dieser Disput durch Wilmont Haackes Aufsatz „Die Illustrierten in der Kritik“ in der Fachzeitschrift Publizistik von 1957. „Innerhalb der deutschen Öffentlichkeit zeichnet sich eine gegen die Illustrierten gerichtete Kritik ab, die seit einem halben Jahrzehnt an Schärfe ständig zunimmt. Die Ablehnung richtet sich [u.a.] ... gegen die äußere sensationelle Aufmachung der auflagestarken Blätter.“
Angesichts des sehr freizügigen Erscheinungsbildes, das heute jede mittelmäßige Kioskauslage bildet, wirkt die Auflehnung gegen die harmlosen Titelseiten der fünfziger Jahre muffig-komisch. Und auch in der gesellschaftspolitischen Berichterstattung ist gerade in den letzten Jahren verstärkt die Tendenz auch der „bunten“ Blätter zu notieren, sich kritischer Themen anzunehmen.
Ein Strohfeuer also?
Diese Broschüre ergänzt die optische Präsentation durch Stimmen aus einer Zeit und zu einer Zeit, in der aus kulturkritischer Sicht an der Gestaltung der Illustrierten-Titel kein gutes Haar gelassen wurde. Heute kann dies natürlich den Blick für den eigenwilligen Charme dieser Kunstwelt nicht mehr trüben – uns bleiben die Konterfeis makelloser Göttinnen der Leinwand zur Begutachtung, deren ewige Jugend in der Distanz der Jahre einen eigentümlichen Reiz gewonnen hat. Diesen Stars und Sternchen ist der zweite Teil der Broschüre gewidmet, der neben einem Verzeichnis der Exponate kurze Biografien der Schauspielerinnen enthält.
Vorwort zur Begleitbroschüre (1991)
Lesefutter fürs Wirtschaftwunder. Die Kinderjahre des Taschenbuchs. (1988 - 1996)
Taschenbücher jener Tage sind als Original und Erstausgaben nur noch selten zu bekommen, und dann meist in schlechtem Zustand. Die damalige Herstellungsqualität ließ nur wenige Bände die vergangenen Jahre quasi verlagsfrisch überdauern. Gerade die Erhaltung und Konservierung dieser Bücher ist ein kaum zu lösendes Problem, so dass die alten Taschenbuchausgaben bald vollkommen aus unserer Welt verschwunden sein werden.
Die Bände dieser Ausstellung entstammen einer Privatsammlung und versuchen, einen Querschnitt durch die Taschenbuchproduktion der fünfziger Jahre zu zeigen. Generell liegt das Augenmerk auf dem „Lesefutter“, also den belletristischen Werken. Zwar erreichten auch manche Sachbücher hohe Auflagenzahlen, doch waren diese Bände so gut wie nie auf den unmittelbaren Konsum einer breiten Öffentlichkeit angelegt. Generell sind die Taschenbücher des Rowohlt-Verlages in der vorliegenden Präsentation stark vertreten; dies spiegelt aber lediglich die lange Zeit vorherrschende Position dieser Reihe auf dem deutschen Taschenbuchmarkt wieder. Mit dem Startvorteil und hervorragenden Lizenzen ausgestattet, wurde das Markenzeichen „rororo“ zum Synonym für Taschenbücher schlechthin, bis die Ausweitung des Marktes in den sechziger Jahren dies relativierte. Die rororo-Einbände wurden grundsätzlich – soweit nicht anders vermerkt – von dem Illustratorenteam Karl Gröning jr. und Gisela Pferdmenges gestaltet.
Von den Zeitungsromanen als historische Vorläufer im Nachkriegsdeutschland an sind alle wesentlichen Entwicklungen abgedeckt. Nicht nur wegen des Platzmangels bricht die Präsentation mit den ersten dtv-Ausgaben Ende 1961 ab: einmal läutete das Engagement elf renommierter Großverlage im dtv das Ende der Gründerjahre auf dem Taschenbuchsektor ein – die einstmals belächelten Billigprodukte hatten sich zur angesehenen Buchgattung gemausert. Und zum anderen ist ja gerade die Gestaltung der heute vergriffenen frühen Taschenbücher von besonderem Interesse, so z.B. die vor- und rückseitigen Einbände der rororoReihe, die in dieser Form bisher nicht präsentiert wurden.
Hier stellt sich bereits die grundsätzliche Frage, was eine Ausstellung von Büchern überhaupt leisten kann. Der Betrachter kommt in erster Linie nicht zum Lesen (was man normalerweise mit Büchern tut), sondern – wie der Name bereits sagt – zum betrachten. So steht auch in der vorliegenden Präsentation weniger der Inhalt, sondern vielmehr die Gestaltung der Taschenbücher im Vordergrund. Neun rein subjektiv ausgewählte und sich zum Teil auch überschneidende Merkmale strukturieren den Aufbau und fassen einige charakteristische Einbände zusammen. Gleichwohl wurde trotz dieser eher oberflächlich anmutenden Selektionsregel versucht, innerhalb der jeweiligen Merkmale die literarisch bedeutsamsten Titel jener Zeit zu versammeln.
Von vornherein rein inhaltlich angelegt sind drei kleinere Abteilungen, die direkt aus der Soziologie des Taschenbuchs und dessen Rezeption abgeleitet sind. Einzelne Autoren illustrieren die Ausschnitte aus der Literaturgeschichte des Taschenbuchs. Daneben bilden die Randbereiche „Bestseller“ und seltene Kuriositäten das Auflagenspektrum der Taschenbuchproduktion ab.
Die historische Komponente spannt eine „Galerie der Taschenbuchreihen“ auf. Hier ist zur Einführung in chronologischer Folge (soweit verfügbar) jede einigermaßen bedeutende Serie mit ihrer ersten Nummer vertreten. Für kleinere Reihen wurde teilweise deren wichtigste Veröffentlichung ausgewählt, sofern diese nicht anderweitig untergebracht werden konnte. Einige direkte Vorläufer der Taschenbücher aus deutschen Verlagen runden diesen Teil ab. Allgemein werden die Buchbeispiele illustriert durch Sekundärquellen wie zeitgenössische Rezensionen, Autorenbiografien, Werbemittel oder andere, neuere Taschenbücher.
Vorrede in der Begleitbroschüre zur zweiten Ausstellungsstation in Stuttgart (1990)
Blick in die erste Taschenbuch-Ausstellung (Gaggenau, 1988)
Sonderseite zur Taschenbuchausstellung, Stuttgarter Zeitung (10.02.1990)
Rezension, Badische Neueste Nachrichten (17.11.1988)
Bericht zur Ausstellungseröffnung, Gaggenauer Woche (47/ 1988)
dpa - Meldung zur ersten Taschenbuch-Ausstellung; Abdruck in der Heilbronner Stimme (17.12.1988)
Weitere Stationen der Wanderausstellung „Lesefutter im Wirtschaftswunder“
1. - 28. Februar 1990 | Stuttgart
2. - 30. Oktober 1991 | Bad Mergentheim
4. November – 30. November 1991 | Aalen
16. Mai - 17. Juni 1995 | Heidelberg
9. Mai – 5. Juni 1996 | Bremerhaven
23. Oktober – 10. Dezember 1996 | Düsseldorf
ab 13. Januar 1997 | Bietigheim-Bissingen
15. April – 10. Mai 1997 | Langenfeld
ab 11. Juni 1997 | Frankfurt a. M.
Herbst 1997 | Karlsruhe (mit Aus der Tasche in die Hand / rheinschrift 5 der Literarischen Gesellschaft/Scheffelbund als Begleitkatalog)
Begleitkatalog zur Taschenbuchgeschichte (rheinschrift 5)
Einladung zur Ausstellungseröffnung (Frankfurt, 1997)
Rezension in den Heidelberger Nachrichten (18.05.1995)
Die Geschichte des Taschenbuchs wurde anschließend in der zweibändigen Monografie Reihenweise (2016) sowie im Jubiläumsband 50 Jahre rororo (2000) ausführlicher aufbereitet.