Das Thema „WissensWelten“ spricht Frühneuzeitgeschichte als Wissensgeschichte an, und zwar unter zwei zentralen Aspekten: Zum einen zielt das Tagungsthema auf Wissenskulturen und -milieus, auf die Interaktion verschiedener Wissenstypen, auf seine Gebundenheit an Stand und Geschlecht und seine Zirkulation in Netzwerken und Medien. Die Wissensgeschichte hat im vergangenen Jahrzehnt eine rasante Entwicklung hin zur eigenen Teildisziplin genommen, mit Zeitschriftengründungen, Handbüchern sowie ausdifferenzierten Fragestellungen und methodischen Ansätzen. Dies gilt es zu reflektieren, auch im Hinblick auf neue Möglichkeiten, Probleme und Grenzen des Konzepts. Zum anderen zielt der Begriff WissensWelten auf eine Globalisierung und Dezentrierung unseres Blickwinkels ab, auf Wissen in und aus anderen Weltregionen. Globale Wissensgeschichte stellt die Frage nach den Verbindungen und Nicht-Verbindungen von Wissenswelten, nach Isolation oder Durchdringung, nach Transfer oder der Verweigerung von Transfer. Die Tagung stellt sich damit dem methodischen und konzeptionellen Problem, was Verflechtung in Bezug auf Wissen heißen kann. So meint „WissensWelten“ beides: Wissenskulturen und globale Wissensgeschichte.
Das Tagungsthema reflektiert sowohl den wissensgeschichtlichen Schwerpunkt des Forschungszentrums Gotha als auch die umfassenden Sammlungsbestände in der früheren Residenzstadt Gotha. In begleitenden Führungen geben Kurator*innen der Forschungsbibliothek Gotha und der Friedenstein Stiftung Gotha Einblick in die jeweiligen Sammlungen, die Mitschriften Herzog Ernsts II. zu Vorlesungen über Physik ebenso wie importierte Chinoiserien, Vokabellisten des Orientreisenden Ulrich Jasper Seetzen ebenso wie Protokollbücher der örtlichen Freimaurerloge umfassen.
Die Tagung in Gotha wird einen weiten Bogen spannen und Veranstaltungen sowohl zu europäischen als auch zu außereuropäischen Wissenskulturen sowie zu deren Verbindung umfassen. Auf welche Weise ‚reiste‘, ‚wanderte‘ oder ‚zirkulierte‘ Wissen zwischen unterschiedlichen Kulturen? Inwiefern überlagern, befruchten und stören sich unterschiedliche Rechtssysteme, wenn es um die Seefahrt geht? Welche Rolle spielen Nicht-Wissen, Isolation und Missverstehen in interkulturellen Begegnungen? Wie reagieren Diplomaten eigentlich auf Unerwartetes? Vortragssektionen thematisieren das frühneuzeitliche Gefängnis als eine Wissenswelt ebenso wie die Stadt Venedig als „Informationsknoten und Wissensstapel“ und die Freundschaftsalben frühneuzeitlicher Gelehrter, in denen Mobilität, Netzwerke und Diskurse sichtbar werden. Für die Keynote Lecture konnte der renommierte Frühneuzeithistoriker Sanjay Subrahmanyam von der University of California, Los Angeles (UCLA) gewonnen werden. Sein Abendvortrag richtet den Blick auf den Zusammenhang von „Warfare, Botany and Philology“ im Hinblick auf europäisch-asiatische Begegnungen im 17. Jahrhundert. Die Diskussion im Fach soll insbesondere durch die beiden Podiumsveranstaltungen Impulse erhalten, die sich dem Beitrag der Frühneuzeitforschung zur Debatte über koloniale Vergangenheiten und dem Potential der Globalen Wissensgeschichte widmen. Die Ausstrahlung des Fachs in die breitere Öffentlichkeit diskutiert eine Sektion zur Frühen Neuzeit in Wissenschaftskommunikation und Public History.
Getragen wird die Tagung von 68 Referent*innen und Sektionsleiter*innen, darunter Historiker*innen aus Großbritannien, Schweden und Italien sowie aus Chile und den USA, die in 15 Sektionen und zwei Podiumsdiskussionen ihre Thesen zur Diskussion stellen und gemeinsam neue Forschungsfragen formulieren werden. Insgesamt werden ca. 200 Gäste erwartet.
Das detaillierte Programm entnehmen Sie bitte unserer Tagungswebseite.