Nach Jahrzehnten der zunehmenden globalen Verflechtung scheint ein Prozess der “De-Globalisierung” einzusetzen. Der im Rahmen der Globalisierung prävalente marktliberale Ansatz wird zunehmend durch aktive Industriepolitik ergänzt, die z.B. auf gesteuerte Transformation oder wirtschaftliche Autonomie abzielt. Zudem werden Abhängigkeiten im Außenhandel vermehrt kritisch diskutiert: die Bereitstellung “strategischer” Güter wie Seltene Erden, Batterien oder Halbleiter soll nicht mehr der reinen Marktlogik überlassen, sondern durch gezielte Policies im Sinne von “Derisking” und Resilienz gelenkt werden – und somit “versicherheitlicht”. Zugleich scheint Handel unter politischen Alliierten Vorrang zu bekommen vor dem Prinzip der globalen Arbeitsteilung. Das Ergebnis ist Entflechtung, wenn nicht Entkopplung.
Das Promotionskolleg “De-Globalisierung und Globale Entkoppelung” (DeGlobE) möchte nun erforschen, wie sich die unter Bedingungen der De-Globalisierung abzeichnende Neukalibrierung von Markt und Staat, Wirtschaftsparadigmen und Regulierungsebenen und -ansätzen manifestiert. Hierbei ist DeGlobE zum einen an den sich entwickelnden, spezifischen “Post-Globalisierungslogiken” interessiert, die diese Sektoren kennzeichnet. Zum anderen soll die Frage gestellt werden, welche Folgen De-Globalisierung, Entflechtung und globale Entkopplung für normative Ziele wie soziale Gerechtigkeit, die sozial-ökologische Transformation oder die Einhaltung der Menschenrechte hat, und welche Mechanismen an die Stelle ehemals multilateraler Ansätze treten können.
Die mit der De-Globalisierung verbundenen Fragen wird das Kolleg in vier primären Themenfeldern erforschen:
- Themenfeld 1: Sauberer Übergang und grüne Technologien unter der Leitung von Prof. Dr. Andreas Goldthau (Public Policy): Promotionsprojekte in diesem Themenfeld können beispielsweise die externe Dimension des EU Green Deal, gerechte Energie- und Industriepartnerschaften, oder die ressourcenbasierte Entwicklung durch Kritische Transitions-Materialien (CTMs) thematisieren.
- Themenfeld 2: Lieferketten: Menschenrechte und nachhaltige Entwicklung unter der Leitung von Jun.-Prof. Dr. Michael Riegner (Rechtswissenschaften): Promotionsprojekte in diesem Themenfeld können beispielsweise die Mobilisierung von Lieferkettenrecht, Mitbestimmung und Lieferkettenrecht oder das Management von Lieferkettenrisiko in Unternehmen untersuchen.
- Themenfeld 3: Wertschöpfung und Sicherheitsapparate unter der Leitung von Prof. Dr. Sophia Hoffmann (Internationale Politik und Konfliktforschung): Promotionsprojekte in diesem Themenfeld sollten sich vorrangig dem Thema “Economic Intelligence” widmen, das den strategischen Einsatz von Nachrichtendiensten in der Weltwirtschaft untersucht; oder zur Frage erfolgen, wie staatliche Sicherheitsakteure mit Wertschöpfungsprozessen verknüpft sind.
- Themenfeld 4: Finanz-Infrastrukturpolitik unter der Leitung von Prof. Oliver Kessler (Internationale Beziehungen): Promotionsprojekte in diesem Themenfeld können beispielsweise BRICS Pay-und Währungshierarchien, Investment Screening, oder Finanzinfrastrukturen untersuchen.
DeGlobE ist institutionell an der Forschungsgruppe Sicherheitskapitalismus der Universität Erfurt verankert. Zugleich wird das Promotionskolleg mit zwei zertifizierten Nachwuchskollegs der Uni zusammenarbeiten – C2PO (Center for Political Practices and Orders) und EIPCC (Effective and Innovative Policymaking in Contested Contexts). Über Letztere wird die Einbindung in die Betreuungsstrukturen der Universität für Promovierende und PostDocs sichergestellt und ein interdisziplinäres Forschungsumfeld geschaffen, in dem individuelle Forschungsprojekte multiple methodische und fachliche Anschlussmöglichkeiten finden.