Angesichts gesteigerter wirtschaftlicher und politischer Ungleichheiten richtet sich eine verbreitete Hoffnung auf den Erfolg von Anerkennungskämpfen: Indem, so lautet der Grundgedanke, Angehörige missachteter Gruppen gegen ihr Missachtetwerden kämpfen, tragen sie zugleich zur Entstehung einer egalitären Ordnung bei, in der alle Beteiligten einander wechselseitig achten. Diese Hoffnung scheint sich nicht zu erfüllen. Zwar lassen sich etwa die aktuellen ‚populistischen‘ Proteste gut als Kämpfe um Anerkennung verstehen, aber ihre dominierende Tendenz ist antiegalitär. Sie scheinen die durch Ungleichheit beförderten Krisen nicht zu mildern, sondern zu verschärfen.
Der Vortrag will dazu beitragen, diese Entwicklung zu erklären. Ausgangspunkt ist die Beobachtung, dass es für die Angehörigen tatsächlich missachteter Gruppen schwierig ist, überhaupt den Gedanken zu fassen, dass sie mehr Anerkennung verdienen. Die sozialen Konstellationen, die ihnen diesen Gedanken ermöglichen, befördern regelmäßig ein auf Hierarchie und Ausschluss setzendes Verständnis von Anerkennung. Auch egalitäre Programme werden dann in einer Weise angeeignet, die wieder zur Aufwertung von Hierarchien führt.
Dr. Andreas Pettenkofer ist Junior Fellow am Max-Weber-Kolleg der Universität Erfurt. Seit März 2014 hat er die wissenschaftliche Koordination des Projekts „Die lokale Politisierung globaler Normen“ inne, seit September 2015 habilitiert er zum Thema „Das Verstehen der Situation. Gewalt, Affekte und die Probleme einer hermeneutischen Soziologie“.
Im letzten Vortrag der Ringvorlesung im Wintersemester 2016/2017 spricht am 31. Januar Professor Dr. Friso Ross, Dekan der Fakultät Angewandte Sozialwissenschaften an der Fachhochschule Erfurt, zum Thema „Menschenrechte?! Was noch?“.
Weitere Informationen zur Ringvorlesung „Politische Krisen. Herausforderungen“: www.uni-erfurt.de/ringvorlesungen