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Neues Forschungsprojekt zur Rezeption des „Corpus Areopagiticum“ in der orthodox-christlichen Welt im 20. Jahrhundert

Mit insgesamt 301.000 Euro fördert die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) in den kommenden drei Jahren ein neues Forschungsprojekt an der Professur für Religionswissenschaft (Kulturgeschichte des Orthodoxen Christentums) der Universität Erfurt. Betreut wird das Projekt von Prof. Dr. Vasilios N. Makrides, wissenschaftlicher Mitarbeiter ist Dr. Dimitrios Vasilakis.

Dionysius Areopagita: russische Ikone aus dem 17. Jahrhundert
Dionysius Areopagita: russische Ikone aus dem 17. Jahrhundert (Bild: Wikimedia Commons)

Unter dem Titel „Pseudo-Dionysius the Areopagite’s Reception among Key Thinkers of the 20th Century Orthodox World (Vl. Lossky, Fr. Sophrony, Chr. Yannaras, J. Zizioulas)“ soll darin die vielfältige Rezeption des Dionysius Areopagita zugeschriebenen Schriftkorpus aus dem 6. Jahrhundert durch vier wegweisende orthodoxe Theologen im 20. Jahrhundert untersucht werden: auf russischer Seite (jedoch in Westeuropa tätig), Vladimir Lossky und Altvater Sofronij (Sacharov); und auf griechischer Seite, Christos Yannaras und Metropolit John Zizioulas.

Dionysius wurde sowohl im Osten als auch im Westen sehr geschätzt (z. B. von Maximus dem Bekenner, Johannes von Damaskus, Thomas von Aquin und Gregor Palamas). Seit der Renaissance jedoch, beginnend mit der Entdeckung seiner Pseudonymität, wurde das westliche Christentum kritischer gegenüber Dionysius, während auch einflussreiche orthodoxe Theologen (z.B. J. Meyendorff) diese kritische Lesart übernahmen. Im Gegensatz dazu betrachtete Lossky Dionysius’ Schlüssellehre, nämlich den Apophatismus, als das grundlegende Unterscheidungsmerkmal der Orthodoxie zum lateinischen Westen. Auch Yannaras folgte Lossky und versuchte, Dionysius aus einer spezifischen Perspektive zu betrachten, um dessen westliche Fehldeutung aufzuzeigen. Andererseits ignoriert Zizioulas Dionysius in seinem theologischen Werk weitgehend. Schließlich hat Altvater Sofronij aus demselben Grund Dionysius keine besondere Aufmerksamkeit geschenkt, obwohl er sich kritisch gegenüber seinen Ansichten über einen abstrakten Aufstieg zu Gott äußerte.

Es geht also um eine unterschiedliche orthodoxe Dionysius-Rezeption im 20. Jahrhundert, die wesentliche Tendenzen innerhalb der orthodoxen Theologie und ihrer Entwicklung in der Moderne offenbart, die nicht frei von ideologischen Prämissen (z.B. antiwestlichen) und subjektiven Interpretationen sind. Es handelt sich ohnehin um eine Zeit, in der die orthodoxe Welt versuchte, ihre vermeintlich verlorene “authentische Identität” abseits verfälschender westlicher Einflüsse wiederzufinden – ein umstrittener Prozess mit gemischten Ergebnissen. Dieses Projekt versucht einerseits, die oben genannten Unterschiede in der orthodoxen Bewertung des Dionysius zu erklären und ihren jeweiligen Hintergrund zu berücksichtigen. Andererseits unternimmt es, diese orthodoxen Lesarten des Dionysius zu dekonstruieren, indem es, erstens, die Kontingenz ihres antiwestlichen Diskurses aufzeigt, da sich in ihnen noch verschiedene westliche Einflüsse nachweisen lassen.  Zweitens soll die oftmals willkürliche und fragmentarische Verwendung der orthodoxen Vergangenheit und Tradition durch gegenwärtige Betrachtungsweisen gezeigt werden, die auf idiosynkratischen Kriterien und teilweise arbiträren Perspektiven beruhen. Prof. Vasilios N. Makrides erklärt:

Letztlich wird diese umfangreiche Analyse der orthodoxen Rezeption von Dionysius hoffentlich die Notwendigkeit einer fruchtbareren Begegnung und eines produktiveren Austausches zwischen Ost und West aufzeigen, nicht zuletzt, weil es sich um einen christlichen Schriftsteller handelt, der aus der Zeit der einen, ungeteilten Kirche stammt.

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Inhaber der Professur für Orthodoxes Christentum
(Philosophische Fakultät)
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