Der menschliche Umgang mit den Dingen wird in der Moderne vornehmlich durch das Eigentumsrecht reguliert, sozioökonomisch verhalten wir uns den Dingen gegenüber konsumistisch. Die Welt im Modus der Verfügbarkeit und Beherrschbarkeit zu begreifen gerät jedoch durch Ressourcenknappheit, Vermüllung, soziale Ungleichheit und Umweltschäden zunehmend unter Druck. Zugleich sehen wir uns in der Digitalisierung mit einer Anhäufung abstrakter Objekte konfrontiert, deren Handhabung uns zu entgleiten droht. Es scheint, als gäbe es ein gewisses Unbehagen an unserem Verhältnis zu den Dingen, das sich in den modernen Krisendiagnosen der Entfremdung und Verdinglichung ausdrückt. Zeitgenössische Phänomene wie minimalistische Lebensweisen, der Recycling-/Upcycling-Trend, tiny houses und die dazugehörige Ratgeberkultur können als Anzeiger eines solchen Unbehagens gedeutet werden, markieren jedoch auch eine Suchbewegung nach neuen Praktiken des Gebrauchs.
Der philosophische Kern – sowohl der Krisendiagnosen als auch der Lösungsbemühungen – liegt in einer Neubestimmung des Verhältnisses von Subjekt und Objekt, welches wir hier als das Verhältnis von Person und Ding verstehen wollen. Die neuzeitliche Vorstellung autonomer Subjekte als ‚Herren der Dinge‘ kann einer wachsenden Zahl von Ansätzen gegenübergestellt werden, welche die konstitutive Rolle von Objekten betonen. Subjekt-Werden und Handeln heißt dabei wesentlich, mit Objekten in eine Beziehung zu treten. Hegels dialektische Vermittlung, Heideggers fundamentalontologische Konzeption des ‚In-der-Welt-Seins‘ oder Adornos ‚Vorrang des Objekts‘ sind ebenso Versuche, die neuzeitliche Spaltung und Hierarchie zwischen verfügendem Subjekt und verfügbarem Objekt zu überwinden, wie auch die Theoretisierung des Körpers durch Foucault, Butler oder Esposito. Insofern reihen sich zeitgenössische Diskurse der Material Culture Studies, Akteur-Netzwerk-Theorie oder des Neuen Materialismus in eine zwar heterogene, doch beständige Gegen-Tradition ein, dem Stand der Dinge gerecht zu werden.
Der Band "Der Stand der Dinge. Theorien der Aneignung und des Gebrauchs" versammelt somit neuere Ansätze, die bisherigen Perspektiven auf die Dinge oftmals kritisch gegenüberstehen, sowie etablierte Positionen bezüglich der Frage nach dem Stand der Dinge. Er ist aus einer gleichnamigen Tagung im Oktober 2020 an der Universität Leipzig entstanden, die von Jan Beuerbach, Kathrin Sonntag und Amelie Stuart organisiert wurde, und enthält Beiträge der Erfurter Wissenschaftler*innen Marcus Döller, Christoph Henning, Amelie Stuart und Martin Repohl.