Gerade in der derzeitigen Krise, die durch das Corona-Virus verursacht worden ist, spielen verschiedene Formen des Segens – vom päpstlichen Segen „urbi et orbi“ über digital übertragene Gottesdienste bis hin zum im kleinsten Kreis gefeierten Krankensegen – in den christlichen Kirchen und der Öffentlichkeit eine Rolle. Segen begegnen welt- wie ortskirchlich in unterschiedlichen Kontexten. Sie werden sehr unterschiedlich angenommen und gestaltet, aber auch kritisch diskutiert. Mit der Frage, wer von solchen alten und neuen Segensfeiern angesprochen werden soll, was sie in einer zur Gesellschaft hin offenen Kirche bedeuten können und welche Herausforderungen sich für die Zukunft der Glaubensgemeinschaft mit ihnen verbinden, befasst sich der gerade erschienene Sammelband.
Zum Nachdenken über „Segensfeiern in der offenen Kirche. Neue Gottesdienstformen in theologischer Reflexion“ haben 18 Theologinnen und Theologen aus dem In- und Ausland und verschiedenen Konfessionen beigetragen. Die Aufsätze erkunden Grundlagen einer Theologie des Segens, diskutieren Praxismodelle und denken traditionelle Formen des Segens auf heutige Anforderungen aus Kirche und Gesellschaft hin weiter. Die pastoralen Situationen, die hier erörtert werden, fangen bei Segensfeiern für Neugeborene an, thematisieren mit der kirchlichen Lebenswendefeier das Erwachsenwerden, umfassen die Krankenhausseelsorge, gehören in den Bereich von Ehe und Partnerschaft. Veränderungen kirchlicher Feiern werden ebenso behandelt wie Angebote freier Ritenanbieter. Biblische Grundlagen werden ebenso aufgearbeitet wie ritualtheoretische Forschung. Gerade in jenen Bereichen der Kirche, die zur Gesellschaft hin offen sind und in denen Angehörige der Kirche auch den Menschen seelsorglich-liturgisch zur Seite stehen, die keine starke Kirchenbindung haben oder konfessionslos sind, besitzt die alte liturgische Form der Benediktion in neuem Zuschnitt heute eine besondere Bedeutung. Aber auch Menschen mit starker kirchlicher Bindung suchen um Segnungen in Lebenssituationen nach, deren Gestaltung in Spannung zur kirchlichen Morallehre steht, etwa Paare, die nach Scheidung in einer zweiten Ehe oder Partnerschaft leben, oder homosexuelle Paare. Hier wie dort werden überlieferte Formen der Liturgie auf neue Bedarfe hin transformiert. Damit geht immer auch eine Entwicklung im kirchlichen Selbstverständnis einher.
Die thematisch weit ausholenden Beiträge diskutieren Liturgien, die für Sakramente und Segensfeiern angesichts neuer theologischer Herausforderungen, nicht zuletzt in ökumenischer Verantwortung und mit Blick auf eine Verständigung über den Auftrag der Kirche in der pluralen Gegenwart, neue Optionen eröffnet. Als der Band konzipiert wurde, stand ein gesellschaftlicher wie kirchlicher „Shutdown“, wie er heute Realität ist, noch nicht vor Augen. Aber der Grundtenor, der alle Beiträge des Buches durchzieht, wie kirchliche Rituale der Gesellschaft insgesamt etwas geben können, lässt sich gerade angesichts der Bedingungen der jetzigen Krise aufnehmen.
Julia Knop / Benedikt Kranemann (Hrsg.)
Segensfeiern in der offenen Kirche. Neue Gottesdienstformen in theologischer Reflexion.
Reihe: Quaestiones Disputatae 305
Freiburg/Br.: Herder 2020
ISBN Print 978-3-451-02305-7
E-Book (PDF) 978-3-451-82305-3
360 Seiten
50 EUR