Von Wissenschaft und Öffentlichkeit wird die Sammlung Perthes bisher vor allem als Kartensammlung wahrgenommen. Karten bildeten auch zweifellos das Zentrum der Produktion des Perthes Verlages, doch machte die Kartenherstellung nur einen kleinen Teil der Verlagsaktivitäten aus. Von Gotha aus wurde geografisches Wissen nicht nur kartiert, popularisiert und verkauft, Perthes war zugleich eine Institution, in der Wissen aus allen Bereichen der Geografie und Naturforschung gesammelt und in verschiedensten Medien weiterverarbeitet wurde. Schon für Zeitgenossen war Perthes kein passiver Vertriebskanal für geografische Produkte, sondern – vergleichbar mit einer Universität oder wissenschaftlichen Forschungseinrichtung – einer der wichtigsten und lebendigsten Knotenpunkte der „geografischen Gelehrtenrepublik“, vor allem des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Die zentrale Stellung des Verlages in der damaligen Wissenschaftslandschaft spiegelt sich noch heute in der Sammlung Perthes wider. Als Arbeitsinstrument des Verlages finden sich in ihr neben der Kartensammlung auch bislang weniger beachtete Materialgruppen, die wie eine Kette zwischen den ersten Feldbeobachtungen und den kartografischen Endprodukten liegen: Vermessungsaufzeichnungen, Feldnotizen, Kartenskizzen, Reisetagebücher und Korrespondenzen, Arbeitstagebücher von Kartografen, Kupferplatten, Archivalien des Unternehmens wie beispielsweise Rechnungsbücher, eine umfangreiche geografische Spezialbibliothek und meterweise Loseblattsammlungen mit Detailinformationen. Jedoch wurde das in dieser Überlieferungsdichte einzigartige Zusammenspiel verschiedenster Materialgruppen von der kulturhistorischen Forschung bislang kaum wahrgenommen. Die Sammlung Perthes ist auch im internationalen Vergleich eines der wenigen Archive, das nicht universitär oder als Bibliothek, sondern betriebswirtschaftlich organisiert war und gleichzeitig als maßgeblicher Motor wissenschaftlicher Forschung wirkte. Es existiert kaum eine Vergleichssammlung, anhand derer sich Ökonomien des Wissens in einer solchen Überlieferungsdichte und -komplexität nachvollziehen lassen wie in der Gothaer Sammlung.
Das Projekt am Forschungszentrum Gotha hat in den vergangenen Jahren an Fallbeispielen die einzigartig miteinander verzahnten Materialgruppen der Sammlung in ihrem Zusammenhang untersucht. Eng damit verknüpft ist nun das virtuelle Kartenlabor, durch das die Materialien und Ergebnisse der Fallstudien präsentiert und Kartenbestände der Sammlung Perthes nun digital bereitgestellt werden. Unter https://perthes-digital.de sind dort neben Karten auch Archivalien des Verlags Justus Perthes Gotha zu finden. Auch nach Personen kann im „GlobMapLaboratory“ recherchiert werden. Dr. Petra Weigel, Referentin für die Sammlung Perthes: „Das Projekt und mit ihm das virtuelle Kartenlabor leistet so einen wichtigen Beitrag zur überregionalen und internationalen Profilierung der wissenschaftlichen Sammlungs- und Forschungslandschaft Thüringens.“
Weitere Informationen / Kontakt:
Dr. Petra Weigel
E-Mail: petra.weigel@uni-erfurt.de