| Max-Weber-Kolleg, Philosophische Fakultät, Forschung, International

Friedrich Wilhelm Bessel-Forschungspreis ermöglicht Lucian N. Leustean Forschungsaufenthalt an der Universität Erfurt

Die Alexander von Humboldt-Stiftung hat Lucian N. Leustean, Professor für Politikwissenschaft und Internationale Beziehungen an der Aston Universität in Birmingham (UK) in diesem Frühjahr mit dem Friedrich Wilhelm Bessel-Forschungspreis ausgezeichnet. Der Preis ermöglicht es Prof. Dr. Leustean, seine Forschung zu Religion und insbesondere zum Orthodoxen Christentum in Ost- und Südosteuropa am Seminar für Religionswissenschaft der Universität Erfurt zu betreiben.

Der international renommierte Wissenschaftler plant in den kommenden zwei Jahren mehrere kurzzeitige Forschungsaufenthalte an der Universität Erfurt. In dieser Zeit wird er an einem Projekt mit dem Titel „Forced Displacement, Geopolitics, and State Failure in the Eastern Orthodox World“ weiterarbeiten. Sein Material stützt sich auf die Ergebnisse seiner letzten British-Academy-Projekte und 70 Interviews, die er mit Geistlichen, religiösen Praktikern und Staatsbeamten geführt hat, die mit vertriebenen Bevölkerungsgruppen in Armenien, Bulgarien, Georgien, Moldawien, Serbien und der Ukraine arbeiten. Das interdisziplinäre Projekt ist sowohl für die akademische als auch die politische Welt von Interesse, nicht zuletzt im Hinblick auf den Einmarsch Russlands in die Ukraine und die große Zahl von Vertriebenen aus Osteuropa.

„Das Thema ist nicht nur für die Religionswissenschaft relevant. Durch meine Forschungsaufenthalte in Erfurt erhoffe ich mir, weitere Kontakte zu Kollegen und Kolleginnen zu knüpfen, die an solchen oder verwandten Themen arbeiten, wie etwa an der Willy Brandt School of Public Policy oder dem Max-Weber-Kolleg“,

freut sich der Politikwissenschaftler auf die interdisziplinäre Zusammenarbeit.

Lucian N. Leustean untersucht in seiner Forschung unter anderem die vielschichtige Rolle der Religion in politischen Entwicklungen, geopolitischen Fragen und internationalen Beziehungen, wie etwa die politische Mobilisierung religiöser Netzwerke bei der Errichtung der Europäischen Gemeinschaft von der Schuman-Erklärung 1950 bis zu den Wahlen zum Europäischen Parlament 1979 oder den Einbruch des Nationalismus in die Orthodoxen Kirchen Ost- und Südosteuropas von dem 19. Jahrhundert bis heute. Eines seiner besonderen Forschungsgebiete ist das Orthodoxe Christentum in Ost- und Südosteuropa während der Zeit des Kalten Krieges und in der postkommunistischen Zeit. Er ist außerdem der Herausgeber der renommierten Buchreihe „Religion, Society and Government in Eastern Europe and the Former Soviet States“ bei Routledge (London/New York). Mit transdisziplinären und wegweisenden Forschungen, die verschiedene akademische Disziplinen verbinden, zeigt er, wie sich sozial- und kulturwissenschaftliche Spitzenforschung im Bereich der Religion entwickelt hat. Seine neueste Publikation, das umfangreiche und gemeinsam mit der renommierten Religionssoziologin Grace Davie herausgegebene Oxford Handbook of Religion and Europe (2021), hat über die akademische Welt hinaus große Aufmerksamkeit erregt. Es wurde u.a. im Europäischen Parlament in einer öffentlichen Veranstaltung offiziell präsentiert, Übersetzungen in andere europäischen Sprachen sind bereits in Arbeit. Für den Friedrich Wilhelm Bessel-Forschungspreis wurde Prof. Leustean von Vasilios N. Makrides, Inhaber der Professur für Religionswissenschaft (Orthodoxes Christentum) an der Universität Erfurt, nominiert. 

„Ich freue mich sehr auf diese weitere Zusammenarbeit im Bereich der Verbindungen zwischen Religion, Geopolitik, internationalen Beziehungen und aktuellen Sicherheitsfragen im gesamten europäischen Kontinent. Es handelt sich um brandaktuelle Themen, die zuletzt durch den noch laufenden Krieg in der Ukraine in den Mittelpunkt der allgemeinen Aufmerksamkeit in Europa gerückt sind“,

unterstreicht Prof. Dr. Vasilios N. Makrides.
 

Über den Friedrich Wilhelm Bessel-Forschungspreis

Der nach dem deutschen Astronomen und Mathematiker Friedrich Wilhelm Bessel (1784-1846) benannte Forschungspreis wird durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziert. Verliehen wird der Preis jährlich durch die Alexander von Humboldt-Stiftung an etwa 20 international anerkannte Wissenschaftler*innen aus dem Ausland. Zusätzlich zum Preisgeld von 45.000 Euro werden die Preisträger*innen eingeladen, selbst gewählte Forschungsvorhaben an einer wissenschaftlichen Einrichtung in Deutschland gemeinsam mit den dortigen Fachkolleg*innen durchzuführen. Der Forschungsaufenthalt von 6 bis 12 Monaten kann zeitlich aufgeteilt werden. Eine Nominierung für den Friedrich Wilhelm Bessel-Forschungspreis können ausgewiesene Wissenschaftler*innen an einer Forschungseinrichtung in Deutschland initiieren.