Globale Ideengeschichte beschäftigt sich mit transnationalen und vor allem transkulturellen Verbindungen von Wissensbeständen. Fragen nach globalen Verflechtungen und Transfers stellen Forschende jedoch vor eine spezielle Herausforderung, denn niemand kann alle für die Bearbeitung erforderlichen Sprachkenntnisse und Kompetenzen besitzen und zugleich Expertise für Europa und China, für Afrika und Südamerika oder für den Islam und den Hinduismus mitbringen.
Hier setzen nun die Forschungstandems an: Jeweils zwei Forschende, deren Expertise sich im Hinblick auf eine Forschungsfrage sinnvoll ergänzt, werden aufgerufen, sich mit einem gemeinsamen Exposé zu bewerben, z.B. ein Sinologe und eine Spezialistin für das Europa des 18. Jahrhunderts, ein Islamwissenschaftler und ein Renaissance-Forscher oder eine Afrikanistin und eine Lateinamerika-Expertin. Auf diese Weise sollen Fragestellungen bearbeitet werden, die weiträumige Transmissionen oder Verflechtungen sichtbar machen. Dabei soll die Arbeit mit dem in Gotha lagernden Quellenschatz als Grundlage dienen, um zusammen eine Publikation oder einen weiterführenden Antrag zu erarbeiten.
Es ist ein Alleinstellungsmerkmal des Standortes Gotha, dreierlei an einem Ort zu bieten: 1. eine der größten deutschen Frühneuzeitbibliotheken, 2. ein frühneuzeitliches Residenzschloss mit umfangreichen Objekt- und Kunstsammlungen aus aller Welt und 3. ein universitäres Forschungszentrum mit Kompetenzen in der Ideen-, Kultur- und Wissensgeschichte. Das bietet nicht nur die Möglichkeit inhaltlich kompetent betreuten Forschens, sondern auch die der Kombination unterschiedlicher Quellenarten: Schriftliche Quellen wie Manuskripte und alte Drucke können am ursprünglichen Sammlungsort – und damit im historischen Sammlungszusammenhang – mit Objekten aus der herzoglichen Kunst- und Naturalienkammer, der ethnologischen Sammlung, der Perthes-Kartensammlung, der Gemäldegalerie, des chinesischen Kabinetts usw. verknüpft werden. So entsteht ein erheblicher Mehrwert bei der Analyse und eine weitaus größere Aussagekraft der in der Zusammenschau gewonnenen Erkenntnisse.
Das neue Stipendienprogramm soll Synergien zwischen fach- und sprachgebundenen Wissensbeständen schaffen und insbesondere helfen, Expertise aus dem globalen Süden und sogenannten kleinen Fächern in die Forschungsprojekte am FZG einzubringen. So können in der Frühneuzeitforschung etablierte Narrative aufgebrochen und europäische Perspektiven dezentriert werden.