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Europäische Wissenschaftler*innen rufen Politik zum sofortigen Handeln gegen Impfmüdigkeit auf

In der Pandemie wurde nicht nur die Impfung gegen COVID-19 viel diskutiert – weltweit gingen durch die Folgen der Pandemie auch die Impfungen gegen Kinderkrankheiten zurück. Daten aus der Erfurter COSMO-Befragung zeigen außerdem: Im Vergleich zu vor der Pandemie haben mehr Menschen kritische Fragen zum Impfen allgemein, das über die letzte Dekade aufgebaute Vertrauen ist zurückgegangen. Nun schlagen Europäische Wissenschaftler*innen, darunter auch Kolleg*innen der Universität Erfurt und des Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin in Hamburg, Alarm und rufen die Politik zum sofortigen Handeln gegen Impfmüdigkeit auf.

In vielen Ländern läuft die Booster-Impfung gegen Corona eher schleppend. In Deutschland sind für alle Erwachsenen drei Impfungen empfohlen, für Personen über 60 Jahre oder mit erhöhtem Risiko eine weitere, vierte Impfung. Aktuell sind unter 40% der Deutschen über 60 Jahre dieser Empfehlung gefolgt. Die Herausforderungen liegen nicht in der Verfügbarkeit des Impfstoffs – vielmehr ist fehlendes Vertrauen in die Sicherheit von Impfungen ein wichtiger Punkt für die Ablehnung; auch eigene Erfahrungen mit der Impfung oder der Krankheit können dazu führen, dass das Bedürfnis, sich zu schützen, eher gering ausgeprägt ist.

Wissenschaftler*innen aus fünf von der Europäischen Union geförderten Projekten zum Thema Impfmüdigkeit schlagen nun Alarm und haben in einem Artikel, der in Nature Communications erschienen ist, dringende Empfehlungen an die Politik formuliert der Impfmüdigkeit durch wissenschaftlich fundierte Maßnahmen zu begegnen. Dies sei in Deutschland sehr wichtig, da aktuelle Daten des Erfurter COVID-19 Snapshot Monitorings COSMO zeigen, dass Deutsche aktuell mehr Fragen und weniger Vertrauen in Impfungen haben als vor der Pandemie, erklärt Professorin Cornelia Betsch von der Universität Erfurt, die diese gemeinsame Arbeit geleitet hat. Dies beträfe nicht nur die Impfung gegen Corona, sondern das Thema Impfen allgemein.

Die Wissenschaftler*innen empfehlen erstens, das Gesundheitssystem zu optimieren – hierfür seien Erkenntnisse aus den Verhaltenswissenschaften hilfreich. Zum Beispiel könnten Erinnerungssysteme oder ein digitales Impfregister die Impfquote verbessern, weil Menschen besser und einfacher durch die Empfehlungen der Ärzt*innen erreicht werden können. Zweitens sollten Daten verwendet werden, die es erlauben, besonders vulnerable Menschen und Gruppen zu erreichen, die Gesundheitsangebote eher weniger in Anspruch nehmen. Drittens soll Gesundheitspersonal dabei unterstützt werden, Gespräche über das Impfen kompetent zu führen und Falschinformationen zu entkräften. Viertens sei es für Gesundheitsbehörden wichtig, mit den Medien im steten Austausch zu sein, um sie dabei zu unterstützen, die komplexen Sachverhalten einfach und richtig zu kommunizieren.

Hilfreiche Ressourcen, um diese Empfehlungen in die Tat umzusetzen, liefern die Wissenschaftler*inne gleich mit: Sie führen verschiedene Webseiten, Guidelines, Methoden und Informationssammlungen an. Das Besondere daran ist die wissenschaftliche Fundierung. So gibt es z.B. Materialien, die medizinisches Personal beim Reden über das Impfen unterstützen können. Ärzt*innen seien die wichtigsten Personen, wenn es um Impfaufklärung geht – sie brauchten aber auch Unterstützung, um auf dem aktuellen Stand der Forschung zu bleiben und auch in schwierigen Gesprächssituationen die wichtigen Informationen verständlich zu vermitteln, so die Wissenschaftler*innen.

„Wir rufen die Politik auf, das bestehende Wissen zu nutzen, um das Impfsystem zu verbessern – zum Beispiel durch digitalisierte Impfnachweise und -einladungen und Weiterbildungen für medizinisches Personal, wie man mit Falschinformationen oder Mythen umgeht“, unterstreicht Cornelia Betsch. „Die Verhaltenswissenschaften haben geliefert – viel ist bekannt darüber, wie man die Impfbereitschaft steigern kann.“ Dies müsse nun umgesetzt werden, um das Vertrauen wieder aufzubauen und die Fragen, die rund ums Impfen entstanden sind, zu beantworten.

Link zum gesamten Artikel:
Betsch, C., Schmid, P., Verger, P. et al. A call for immediate action to increase COVID-19 vaccination uptake to prepare for the third pandemic winter. Nat Commun 13, 7511 (2022).
https://www.nature.com/articles/s41467-022-34995-y

Eine deutschsprachige Übersicht über die Ressourcen ist auf folgender Webseite zu finden:  https://projekte.uni-erfurt.de/cosmo2020/web/ressources/

Befunde zu Vertrauen in das Impfen allgemein finden Sie auf der Website des Covid19 Snapshot Monitorings (COSMO): Ergebnisse, Welle 70, NOV/DEZ 2022:
https://projekte.uni-erfurt.de/cosmo2020/web/summary/70

Ansprechpartnerin:

Inhaberin der Professur für Gesundheitskommunikation
(Philosophische Fakultät)
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