Journale – das ist die Prämisse, von der der Vortrag ausgeht – bilden Tagesgeschehen nicht nur ab, sie modellieren es auch, heben Ereignisse als solche also überhaupt erst ins Bewusstsein der Öffentlichkeit. Die historiographische Weiterverarbeitung ist dann Sache der „künftigen Geschichtschreiber“. Auf dieses produktiv-gestalterische Potential des medialen Formats setzt im Anschluss an die sogenannte Völkerschlacht im Oktober 1813 die 17 Jahre zuvor in Gotha von Rudolph Zacharias Becker begründete „National-Zeitung der Deutschen“. Mit der turnusmäßigen Berichterstattung über die an den Jahrestagen der Schlacht an vielen Orten des Deutschen Bundes entzündeten Freudenfeuer macht das Medium systematisch Gebrauch von seinen formatspezifischen Möglichkeiten, um die Begründung eines Nationalstaats der Deutschen zu fördern. Die Strategien und Potentiale, aber auch die Grenzen der Berichterstattung freizulegen, ist Ziel des Vortrags mit dem Titel "Von Gotha aus den Nationalstaat aus der Taufe heben? Das patriotische Anliegen der National-Zeitung der Deutschen nach 1813 und seine mediale Aporie".
Volker Mergenthaler hat Neuere deutsche Literatur, Politikwissenschaft, Allgemeine Rhetorik, Philosophie und Romanistik studiert. Nach der Promotion und der Habilitation an der Universität Tübingen wechselte er 2008 als Professor für Neuere deutsche Literatur an die Philipps Universität Marburg. Gastaufenthalte führten ihn an die Université de Provence, die University of Washington, die Durham University und die Universität Reims.