Herr Schellhardt, wie verstehen Sie Ihr Amt als Kanzler, oder anders gefragt: Was für ein Kanzler wollen Sie sein?
Neben der gesetzlichen Aufgabendefinition verstehe ich die Kanzlerposition vor allem als eine Schnittstelle zwischen dem Wissenschaftsbereich und den Dienstleistungsbereichen. Daher sind vorrangig kommunikative Fähigkeiten gefragt, um den nicht gänzlich auflösbaren Zielkonflikt zwischen den Bedarfen des Wissenschaftsbereichs und den regulatorischen Zwängen der Administration reibungs- und konfliktarm zu gestalten.
Die Hochschulen stehen daneben, wie auch andere Bereiche, unter hohem Veränderungsdruck. Als Beispiele seien nur die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Arbeitswelt, Klimaschutz und Nachhaltigkeit sowie der sich zuspitzende Fachkräftemangel genannt.
Für die anstehenden Veränderungsprozesse werden deshalb die Kompetenzen und Erfahrungen aller Personen an der Hochschule benötigt. Für den Dienstleistungsbereich muss der Kanzler als Impulsgeber und Koordinator fungieren. Für Kritik, Ideen und Vorschläge bin ich gern ansprechbar, egal aus welchem Personenkreis der Hochschule.
Als Sie nach dem Weggang Ihres Vorgängers, Dr. Jörg Brauns, kommissarischer Kanzler wurden, hatten Sie an der Universität nicht nur mit den Folgen der Corona-Krise, sondern auch den Konsequenzen aus der Energiekrise und daraus resultierend letztlich auch mit finanziellen Herausforderungen für die Universität Erfurt zu kämpfen. Das Gute daran: Sie sind schon krisenerprobt. Blöd nur: Sie können keine großen „Geschenke“ machen. Was hat Sie denn an dem Amt gereizt – sehen Sie trotz allem Gestaltungsspielräume?
Auch wenn wir derzeit mit deutlich erhöhter Planungsunsicherheit hinsichtlich der weiteren finanziellen Entwicklung umgehen müssen und noch immer Sparmaßnahmen in Kraft sind, gibt es im Großen wie im Kleinen auch Gestaltungsspielräume. Gerade Krisen, wenn auch schmerzhaft, lösen oftmals tiefgreifende Veränderungsprozesse aus. So stellt uns z.B. die durch die Corona-Pandemie beschleunigte Digitalisierung vor Herausforderungen, deren Bewältigung für mich reizvoll ist. Nicht jede Maßnahme muss dabei gleich einen erheblichen finanziellen Mehraufwand bedeuten. Die Arbeit an interner Kommunikation und der Optimierung von Prozessen sind hierfür nur zwei Beispiele. Hier können wir Fortschritte ohne umfangreiche Investitionen erreichen. Neben dem Begleiten von Veränderungen machen vor allem der tägliche Kontakt mit vielen verschiedenen Menschen sowie die Breite der Themen für mich den Reiz der Kanzlertätigkeit aus. Trotz 15 Monate kommissarischer Tätigkeit ist es ein ständiger Lernprozess.
Welche sind denn die wichtigsten Aufgaben, die Sie als neuer Kanzler jetzt "auf dem Zettel haben"?
Da sind zum einen Aufgaben, die leider wie ein Staffelstab von Kanzler zu Kanzler weitergegeben werden. Vor allem betrifft dies den bestehenden Sanierungsstau an den Gebäuden der Hochschule. Dieses Thema wird im Lichte von Klima- und Energiekrise umso dringlicher, ist aber nur in Kooperation mit weiteren Akteuren im Freistaat Thüringen zu bewältigen.
Zum anderen müssen wir uns vor dem Hintergrund der finanziellen Situation im Dienstleistungsbereich in erster Linie einer Aufgabenkritik stellen und, soweit Tätigkeiten optional sind, in der Hochschule eine Diskussion führen, ob und welchem Umfang Services künftig angeboten werden sollen und können. Aufgaben, die nicht optional sind, müssen auf Optimierungsmöglichkeiten untersucht werden. Für beide Bereiche sind weitergehende Kooperationen mit anderen Thüringer Hochschulen eine Möglichkeit das Leistungsspektrum so weit wie möglich zu sichern.
Daneben gilt es die Position der Hochschule in den bald anstehenden Verhandlungen zu einer Rahmenvereinbarung ab dem Jahr 2026 zu vertreten und u.a. die finanzielle Ausstattung zu sichern.
Was mögen Sie persönlich an der Universität Erfurt?
Die überschaubare Größe der Hochschule lässt es zu, dass der direkte Kontakt zu vielen Akteur*innen erhalten bleibt und vieles damit unkomplizierter zu besprechen ist. Auch in der Rolle als Kanzler bleibt mir ein Stück die Rolle des „ersten Sachbearbeiters“ erhalten. Dies hat den Vorteil, dass der Kontakt zum Alltagsgeschäft nicht abreißt. Daneben gefällt mir das viele Grün auf dem Campus, manche Stimmungstrübung verfliegt bei einem Blick aus dem Fenster einfach.
Stellen Sie sich vor, morgen kommt der Minister, hat eine gute Fee im Schlepptau und spendiert Ihnen die Erfüllung dreier Wünsche. Welche wären das?
Aufgrund der geringen Eintrittswahrscheinlichkeit habe ich mir diese Frage tatsächlich bislang nicht gestellt. Sofern sich der Kompetenzbereich der Fee auf die Belange Universität Erfurt beschränkt, würde ich zunächst um Komplettsanierung der Hochschulinfrastruktur bitten. Der zweite Wunsch ginge sicher mit der Bitte um finanzielle Planungssicherheit für einen Zehn-Jahres-Zeitraum einher. Davon würde die eingeleitete Strukturdebatte sicher profitieren. Den dritten Wunsch würde ich in diesen unsicheren Zeiten gern aufsparen für unvorhergesehene Dinge, die wir nicht aus eigener Kraft bewältigen können.
Seit Sie das Amt des Kanzlers kommissarisch übernommen haben und ja zugleich auch Dezernatsleiter waren, blieb vermutlich nicht viel Zeit für private Dinge und Hobbys. Dennoch die Frage: Wofür brennt Christian Schellhardt, wenn er gerade nicht im Dienst ist?
Dank der Unterstützung vieler Kolleg*innen konnte sich trotz Doppelbelastung Dienstliches und Privates in einem noch erträglichem Verhältnis bewegen. Ausgleich und auch manche Idee finde ich beim Radfahren oder auch bei der Arbeit im Garten. Darüber hinaus sind die Interessen recht weit gestreut...