Zwei Aspekte haben sie an der Professur an der Universität Erfurt gereizt, sagt Jelena von Achenbach: Zum einen, dass es sich um eine Professur handelt, die nicht allein dem Öffentlichen Recht, sondern eben auch den Grundlagen des Rechts gewidmet ist. "Meine Forschung zu Recht, Theorie und Praxis von Demokratie, Verfassung und offener Staatlichkeit ist Grundlagenforschung zum Öffentlichen Recht, mit vielen disziplinübergreifenden Bezügen. Ich kann mich also mit der Professur voll identifizieren." Hinzu komme das Umfeld: "Die Staatswissenschaftliche Fakultät ist als interdisziplinäres Forum für Forschung und Lehre ideal, um mich mit meinem Forschungsansatz einzubringen, meine Perspektiven zu erweitern und disziplinübergreifend zusammenarbeiten zu können. Gerade im Bereich der Demokratie- und Verfassungsforschung ist die Fakultät mit verschiedenen, sich ergänzenden Forschungsansätzen wirklich herausragend aufgestellt."
Die gebürtige Hagenerin kannte Erfurt bislang nur von einer Stippvisite als Sachverständige im Thüringer Landtag. Aber schon bei diesem ersten kurzen Besuch habe ihr sehr gefallen, "dass die Gera durch die Stadt mäandert und es nette kleine Plätze mit Cafés und Eisläden gibt." Jetzt freut sich Jelena von Achenbach darauf, noch mehr von der Stadt und auch der Umgebung zu entdecken. Die neue Professorin kommt aus Gießen nach Erfurt. Dort hatte sie eine Juniorprofessur für Öffentliches Recht an der Justus-Liebig-Universität inne. Und dort hat sie sich 2022 auch habilitiert – mit einer Arbeit über Rechtsfragen der EU-Verteidigungspolitik. Nach dem Studium in Passau und Leipzig wurde sie 2011 an der Universität Heidelberg promoviert, nachdem sie am Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht ihre Doktorarbeit zum Europäischen Parlament geschrieben hatte. 2014 erwarb sie einen Master of Laws an der New York University.
Jelena von Achenbach brennt für ihr Fach: "Das Öffentliche Recht organisiert und strukturiert unsere rechtsstaatliche Demokratie. Verfassungs- und Verwaltungsrecht gestalten die demokratischen Institutionen – das ist ein politisch-praktisch relevantes und dynamisches Forschungsfeld, das Bezüge zur Politischen Theorie, zur Soziologie, zur Politikwissenschaft und zur Geschichtswissenschaft eröffnet. Mich interessieren besonders Fragen der bürgerschaftlichen Gleichheit, wie z.B. im Wahlrecht, im Bereich der Diskriminierungsverbote und der Gleichberechtigung, aber auch Fragen der demokratischen Willensbildung und der Gewaltenteilung sowie das Verwaltungsrecht. Zu Themen, mit denen ich mich aktuell beschäftige, gehören z.B. das Untersuchungsrecht des Bundestages, die Reform des Bundeswahlrechts, die Entwicklung des Europäischen Parlaments, die Verwaltungsorganisation, das Ermessen, Verfassungsfragen der Verteidigung, die globale Impfstoff-Verteilung in der COVID-Pandemie und der Schutz demokratischer Institutionen gegen autoritär-populistische Kräfte."
Ob es eine Person gibt, die sie in ihrer wissenschaftlichen Laufbahn besonders geprägt oder inspiriert hat, fragen wir die neue Kollegin. Es sei nicht die eine Person gewesen, antwortet sie, sondern "ein dichtes, unverzichtbares Netzwerk von Kolleginnen und Kollegen, mit denen ich mich seit vielen Jahren austausche und von denen ich lerne, gerade auch durch Widerspruch und Kritik." Ein besonders wichtiger akademischer Partner sei seit vielen Jahren der Gießener Jürgen Bast, der auch ihre Habilitation betreut habe. "Und natürlich sind auch wissenschaftliche Werke prägend und inspirierend für meine eigene Arbeit, z.B. Hans Kelsens 'Vom Wesen und Wert der Demokratie' und Jürgen Habermas´ Faktizität und Geltung'".
Die Erfurter Studierenden können sich nun auf Lehrveranstaltungen freuen, die auch die Forschungsthemen von Jelena von Achenbach abdecken. Ab dem Wintersemester 23/24 werden das voraussichtlich Veranstaltungen zum Thema "Demokratie unter Druck" und "wehrhafte Demokratie", zu den historischen Grundlagen des Rechts, zum Menschenrecht auf Gesundheit in und nach der Pandemie oder zum politischen System der Europäischen Union sein. "Und ich schaue natürlich auch, was die Studierenden besonders interessiert und versuche, das in den Veranstaltungen einzubeziehen." Denn der Austausch mit den Studierenden ist ihr sehr wichtig.
Klingt irgendwie nach einer viel beschäftigten Frau. Bleibt da auch noch Zeit für Privates? "Ja klar", sagt von Achenbach und lacht: "Ich spiele in Sandkästen, bin auf Klettergerüsten unterwegs, hopse auf dem Trampolin und gehe Eis oder Kuchen essen: Meine Freizeit richtet sich hauptsächlich nach dem Kommando meines kleinen Sohnes."
Wir freuen uns, sie nun bei uns zu wissen, und sagen: Herzlich willkommen an der Universität Erfurt!