Durch die Aufforderung, das eigene Verhalten zu ändern, können sich Menschen in ihrer Entscheidungsfreiheit eingeschränkt fühlen, sie reagieren dann verärgert und ignorieren die Botschaft oder verstärken das unerwünschte Verhalten sogar. So konnten verschiedene Studien zeigen, dass Gesundheitsbotschaften, die auf eine Reduzierung von Tabak- oder Alkoholkonsum abzielten, gegenteilige Effekte bewirkten, also zu einer gesteigerten Einnahme der Drogen führten. Während die Auswirkungen psychologischer Reaktanz in vielen Bereichen gut untersucht sind, ist wenig über die zugrundeliegenden kognitiven Prozesse bekannt. Im Rahmen einer nun im Journal of Health Communication veröffentlichten Studie wurde von Forschenden der Universitäten Bamberg und Erfurt untersucht, inwiefern Reaktanz Aufmerksamkeitsprozesse beeinflusst.
Dazu wurden die Teilnehmenden in mehrere Gruppen eingeteilt. Während eine Experimentalgruppe dazu aufgefordert wurde, in Zukunft kein Fleisch mehr zu konsumieren, um ihre Gesundheit und die Umwelt zu schützen, bekam eine Kontrollgruppe keine solche Botschaft. In anschließenden Messungen zeigte sich, dass omnivore (Fleisch essende) Teilnehmende der Experimentalgruppe stärker verärgert waren als omnivore Personen in der Kontrollgruppe. Außerdem hing das Ausmaß der Reaktanz bei omnivoren Experimentalgruppenmitgliedern mit ihrer Leistung in einem Wortgitter zusammen, in dem neben neutralen Wörtern (z.B. Papier, Mond) auch fleischbezogene Begriffe versteckt waren (z.B. Wurst, Schnitzel). Je stärker die Verärgerung war, desto mehr fleischbezogene Begriffe fanden diese Personen im Wortgitter.
Das Ergebnis deutet darauf hin, dass die durch Gesundheitsbotschaften ausgelöste Reaktanz unsere Aufmerksamkeit in Richtung ungesunder Konsumgelegenheiten verschieben kann. Theoretisch kann dadurch die beabsichtigte Verhaltensänderung erschwert und ungesundes Verhalten möglicherweise sogar verstärkt werden. In zukünftigen Studien sollen die Aufmerksamkeitsprozesse und ihre Auswirkungen auf tatsächliches Konsumverhalten nun genauer untersucht werden. Die Befunde deuten aber bereits darauf hin, dass Gesundheitsbotschaften möglichst wenig Reaktanz auslösen oder durch geeignete Maßnahmen Aufmerksamkeitsverschiebungen korrigieren sollten.