Ziel des Vorhabens ist es, die bildungsbezogene Bedeutung Sozialer Bewegungen – anknüpfend an vorangegangene Arbeiten – weiterführend zu erforschen und zu theoretisieren. Damit verortet sich das Vorhaben in der internationalen Bewegungsforschung und ist gleichzeitig ein Beitrag zur Etablierung eines neuen Feldes in der Erziehungswissenschaft. Die interdisziplinäre Anlage des Projektes zielt dabei grundlegend auf eine Verknüpfung von bildungs- und sozialisationstheoretischen Überlegungen anhand der forschungsmethodischen Rekonstruktion von Bildungsprozessen und Biografien in Bewegungen. Situiert ist das Projekt zunächst in einem regionalwissenschaftlichen, lateinamerikanischen Kontext. Dessen Bedeutung ergibt sich aber auch aus einer postkolonialen Kritik am Ort und der Tradition aus der heraus aktuelle Wissensproduktion erfolgt – eröffnet es doch die Möglichkeit der Kontrastierung mit hiesigen Phänomenen und Denkweisen.
Im Kern geht das Forschungsvorhaben der Frage nach, wie sich Subjekte in Sozialen Bewegungen bilden. Genauer: Wie konstituieren und/oder transformieren sich Selbstverhältnisse, Weltverständnisse und Weltverhältnisse in Bewegungen und inwiefern spielt dies eine Rolle für die biografische Entwicklung? Dabei ist davon auszugehen, dass sich Bildungsprozesse unter Bedingungen der Veränderung anders gestalten und Protestbewegungen deshalb besondere Sozialisationsräume darstellen. Da aus einer subjektzentrierten Perspektive zum einen der persönliche Bezug zur Bewegung variiert und sich lebensgeschichtlich verändert wie auch demgegenüber die sozialen Bedingungen für Bildungsprozesse in Bewegungen sich unterscheiden, stehen in methodischer Hinsicht prozessorientierte Fallanalysen im Vordergrund, die in ihrem Bezug zur Bewegung, nach Bewegungsformen und regionaler Einbettung analysiert und in ihrer Typik verglichen werden sollen. Forschungsgegenstand sind hier die Landlosenbewegung (Movimento dos Sem Terra, MST) sowie drei lokale Müllsammlerinitiativen (Catadores de Papel, CdP) in Brasilien.
Ab Juni 2017 ist ein Forschungsaufenthalt von zwölf Monaten in Brasilien (Gastgeber: Prof. Dr. Emil Sobottka) und anschließend bis zu drei Monaten in Finnland (Gastgeber: Prof. Dr. Teivo Teivainen) geplant. Das Vorhaben ist eingebunden in das erziehungswissenschaftliche Forschungsnetzwerk Bildung und Soziale Bewegung und am Max-Weber-Kolleg der Universität Erfurt in den interdisziplinären Projektzusammenhängen Lokale Politisierung globaler Normen und Ordnung durch Bewegung.
Weitere Informationen / Kontakt:
Dr. Bettina Hollstein
bettina.hollstein@uni-erfurt.de