Im März 1883 hielt der Religionswissenschaftler Ernest Renan an der Sorbonne einen Vortrag über den "Islam und die Wissenschaft". Darin äußerte er sich negativ über die Geschichtsfähigkeit des Islams und behauptete, Islam und Moderne stünden im Widerspruch. Die Muslime kennzeichne unter anderem "der Hass der Wissenschaft". In Istanbul, Kairo, St. Petersburg, Persien und Indien griffen muslimische Intellektuelle zur Feder, um die Thesen Renans zurückzuweisen.
Die Sprengkraft dieser ersten Islamdebatte, die zudem noch transkulturell geführt wurde, war so groß, dass ihre Spuren bis heute nachwirken. Das Buch von Birgit Schäbler präsentiert erstmals gemeinsam die Texte der Kontrahenten, darunter auch Renans bis heute in islamfeindlichen Kreisen kursierenden Vortrag. Er illustriert, wie europäische Gelehrte durch die "Islamisierung" des Islams und des Orients zur Verschärfung der Auseinandersetzung beigetragen haben und wie umgekehrt muslimische Intellektuelle dies aufgriffen. In einem umfangreichen Essay erläutert die Autorin den Verlauf und die Argumente der Debatte. Es zeigt sich, dass Renans Kontrahenten vieles mit ihm gemeinsam hatten. Sie alle versuchten, die Religion mit der Moderne in Einklang zu bringen. Sie alle wollten ihre Gesellschaften reformieren. Alle waren sie "Apostel der Moderne".
Birgit Schäbler
Moderne Muslime
Ernest Renan und die Geschichte der ersten Islamdebatte 1883
Verlag Ferdinand Schöningh, 2016
ISBN: 978-3-506-78418-6
256 Seiten
24,90 EUR