Laufzeit
08/2022
- 07/2025
Finanzierung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) :
382 184 Euro
Fact-Checking-Organisationen sind die wichtigsten nichtstaatlichen Reaktionen auf die zunehmende Menge an Desinformation in der ganzen Welt, und sie sind zu einer der populärsten Innovationen zur Bewältigung dieses Problems geworden. Damit Demokratie gedeihen kann, muss eine Gesellschaft über Instrumente verfügen, um politische Fehleinschätzungen ihrer Bürger zu korrigieren, und Faktenüberprüfung ist eines davon. Die Hauptaufgabe von Faktenprüfern besteht nicht nur darin, alternative Fakten im Internet zu entlarven, sondern auch Behauptungen von politischen Akteuren zu überprüfen. Fact-Checking-Einheiten florieren auf den Websites verschiedener Mediensektoren: globale Nachrichtenagenturen (AFP und Reuters Fact Check, DPA-Faktencheck oder Efe Verifica), Rundfunk (ARD-Faktenfinder oder BBC Reality Check), Zeitungen (Fact Checks - The New York Times) und sogar unabhängige NGO-basierte Organisationen (Correctiv, Full Fact oder Maldita). Diese Tendenz hat sich in der Tat auf der ganzen Welt ausgebreitet. Heute sind 236 Websites zur Überprüfung von Fakten auf allen fünf Kontinenten aktiv.
Obwohl es sich bei der Online-Desinformation um eine globale Entwicklung handelt, sind die Faktenchecker von einem nationalen Umfeld geprägt. Sie sind mit den Mediensystemen verflochten, in denen sie tätig sind. Um dieses Phänomen vollständig zu verstehen, ist es von entscheidender Bedeutung, eine vergleichende Analyse seiner Mechanismen durchzuführen und zu untersuchen, wie Fact-Checker Desinformationen "entlarven". Ausgerichtet auf Mikro-, Meso- und Makrostrukturen, konzentriert sich dieses von der DFG seit August 2022 geförderte Projekt darauf, wie sich Unterschiede in den Medien- und politischen Systemen nicht nur auf die Desinformationslandschaft, sondern auch auf die Arbeit von Faktenprüfern auswirken. Die Hauptforschungsfrage lautet: Wie unterscheiden sich die Online-Desinformation und das Programm der Fact-Checking-Organisationen je nach den verschiedenen Mediensystemen in Europa und Lateinamerika?
Die Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen in den USA und des Brexit-Referendums im Vereinigten Königreich im Jahr 2016 haben die Folgen einer "post-wahrheitlichen politischen Kultur der öffentlichen Debatte" und einer von irrationalen Diskussionen beherrschten öffentlichen Sphäre gezeigt. Ähnliche Entwicklungen wurden auch in Lateinamerika beobachtet, einer Region, die durch eine schwache Durchdringung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und eine starke Nutzung sozialer Medien als Nachrichtenquelle gekennzeichnet ist. Die Wahl des rechtsextremen populistischen Kandidaten Jair Bolsonaro 2018 löste ebenfalls Besorgnis über die Auswirkungen von Desinformation in der Region aus. Die brasilianische Polizei ermittelte gegen ein "Fake News"-Netzwerk, die sogenannte digitale Miliz, die möglicherweise mit dem Sohn des Präsidenten in Verbindung steht. Trotz einiger Sondierungsstudien über das Phänomen der Faktenüberprüfung in Europa und trotz der Tatsache, dass in den USA bereits eine Fülle von Studien veröffentlicht wurde, fehlt es an Vergleichen mit nicht-westlichen Ländern, wie den neuen Demokratien in Lateinamerika. Euro-amerikanische Vergleiche sind wichtig, aber sie schließen einen großen Teil der Welt aus. Vor diesem Hintergrund basiert das neue Forschungsprojekt von Dr. Regina Cazzamatta auf einem Systemdesign, das acht Länder inmitten Europas und Lateinamerikas mit unterschiedlichen Formen politischer Systeme und demokratischen Ebenen umfasst. Die Untersuchung kombiniert eine quantitative Inhaltsanalyse von 4.400 Debunking-Artikeln mit 22 qualitativen Experteninterviews. Darüber hinaus soll das Projekt einen neuen theoretischen Ansatz für die Analyse von Fact-Checking-Einheiten liefern, der auf Konzepten der Öffentlichkeit, des Diskurses und der Systemtheorie beruht. Innerhalb Europas werden dafür Deutschland, das Vereinigte Königreich, Spanien und Portugal in die Betrachtung der drei Arten von Mediensystemen einbezogen; in Lateinamerika Uruguay, Argentinien, Brasilien und Venezuela aufgrund ihrer kontrastreichen medialen und politischen Indikatoren.
Profesor Kai Hafez (University of Erfurt)
Professor Merike Blofield (GIGA - German Institute of Global and Area Studies, Hamburg)
Professor Detlef Nolte (GIGA - German Institute of Global and Area Studies, Hamburg)