Woher wissen wir, was wir über die Ursprünge der christlichen Religion wissen? Weder Jesus, der Gründer, noch die Apostel oder Paulus haben schriftliche Zeugnisse über ihre Bewegung hinterlassen. Die Aussagen der Zeugen wurden über mehrere Generationen von Kopisten und Historikern weitergegeben, wobei die ältesten erhaltenen Fragmente aus dem zweiten und dritten Jahrhundert stammen – also weit nach dem Tod Jesu.
Markus Vinzent, Fellow am Max-Weber-Kolleg für kultur- und sozialwissenschaftliche Studien der Universität Erfurt, hinterfragt in seinem Buch die über die Jahrhunderte überlieferten Standardinterpretationen der christlichen Ursprünge. Er untersucht – in umgekehrter Reihenfolge – die frühesten aufgezeichneten Quellen vom sechsten bis zum zweiten Jahrhundert und zeigt, dass die Werke der griechischen und lateinischen Schriftsteller viel mehr über ihre eigene Zeit und ihre Sorgen verraten, als über das frühe Christentum. Auf diese Weise stellt der Autor das Verständnis einer der folgenreichsten sozialen und religiösen Bewegungen der Geschichte sowie ihre Rezeption im Laufe der Zeit und an verschiedenen Orten in Frage.
