Ulman Weiß wurde am 10. Juni 1949 in Erfurt als Sohn von Herta und Wisso Weiß, dem bekannten Papierhistoriker und Wasserzeichenforscher, geboren. Vermutlich haben sie ihren Sohn nach dem Nürnberger Händler und Ratsherrn Ulman Stromer benannt, der 1390 die erste Papiermühle nördlich der Alpen errichtet hat. Nach dem Abitur studierte Ulman Weiß an der Universität Greifswald die Fächer Deutsch, Geschichte und Pädagogik und arbeitete anschließend für drei Jahre als Lehrer, u.a. in Zakopane. Von 1975 bis 1991 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter im Zentralinstitut für Geschichte der Akademie der Wissenschaften der DDR in Berlin, danach in der Koordinierungs- und Abwicklungsstelle, bis er 1993 eine Anstellung an der PH Erfurt erhielt und seitdem – bis auf eine Unterbrechung durch ein Stipendium an der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel (2011) – Erfurt treu geblieben ist. Hier war er langjähriges Mitglied des Vereins für die Geschichte und Altertumskunde von Erfurt, von 1990 bis 2001 auch dessen erster Vorsitzender. 1993 wurde er in das Kuratorium für vergleichende Städtegeschichte in Münster aufgenommen, 1994 in die Historische Kommission für Thüringen.
Seine an der Universität Erfurt entstandene, 2004 angenommene und 2007 publizierte Habilitationsschrift zu Esaja Stiefel (1561–1627) behandelt am Beispiel dieses thüringischen Kaufmanns die Probleme von religiösen Dissidenten in der Frühen Neuzeit, also Figuren, die sich nicht einer der sich herausbildenden Großkonfessionen (Protestantismus, Katholizismus, Calvinismus) anschlossen. Stiefel vertrat einen sozialkritischen Spiritualismus, verbunden mit der Erwartung der in Kürze anbrechenden tausendjährigen irdischen Herrschaft Christi. Verfolgung, Verhaftung und angedrohte Todesstrafe zwangen ihn dazu, seine Überzeugungen zu verschleiern, um im Kreis einer kleinen Gruppe eine alternative, die Standesschranken überschreitende Frömmigkeit zu praktizieren. Im Zuge dieser Forschungen hat Weiß auch den Begriff der Kryptoradikalität mitgeprägt und weitere Forschungen dazu angeregt, wie er sich überhaupt, auch in anderen Bereichen mit Minderheiten, Randständigem, Heterodoxem beschäftigt hat. Aufgrund seiner herausragenden wissenschaftlichen Leistungen, seines Engagements in der Lehre (von 1993 bis 2016 ununterbrochen) und seiner aktiven Mitgliedschaft in Berufsverbänden wurde ihm im Juli 2014 durch den Präsidenten der Universität die Würde des „außerplanmäßigen Professors“ verliehen; dies war auch ein Anlass für ihn, der Universität Erfurt und insbesondere dem Historischen Seminar bis zuletzt verbunden zu bleiben.
Für die Universität Erfurt hat er Arbeiten zu Theodor Neubauer, dem Namensgeber der ehemaligen Pädagogischen Hochschule, hinterlassen. Außerdem hat er in den vergangenen Jahren ehrenamtlich die Forschungsstelle zur Geschichte der älteren Universität Erfurt betrieben und im vergangenen Winter ein großes Buchmanuskript zum Kollegium „Zur Himmelspforte“ (porta coeli), das im Jahr 1412 von dem Mediziner und ehemaligen Rektor Amplonius Ratingk de Berka († 1435) gestiftet worden ist, abgeschlossen. In Kooperation mit der Historischen Kommission für Thüringen wird sich das Historische Seminar bemühen, dieses Manuskript zur Veröffentlichung zu bringen.
Ende August hat seine Familie darüber informiert, dass er nach kurzer, schwerer Krankheit von uns gegangen ist. Beigesetzt wurde er am 29. August auf dem Erfurter Hauptfriedhof, wo seine Asche nun bei seinen Eltern und Großeltern liegt. Alle, die ihn näher kennenlernen oder mit ihm zusammenarbeiten durften, wissen, dass die Stadt und die Universität Erfurt einen herausragenden und couragierten Wissenschaftler – aber auch einen leidenschaftlichen Marathonläufer, einen Hobby-Gärtner und einen aufmerksamen Zuhörer – verloren haben.