Das heutige Fach Liturgiewissenschaft, dessen Anfänge in der Aufklärung liegen, befasst sich mit Geschichte und Theologie des Gottesdienstes und anderer religiöser Rituale. Es hat im vergangenen Jahrhundert, insbesondere nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962–1965), eine spezifische, besonders an innerkirchlichen pastoralen Fragen orientierte Profilierung erfahren. Doch sind gerade in den letzten 50 Jahren die Formen, in denen christlicher Glaube gelebt und gefeiert wird, deutlich vielfältiger geworden, während manche traditionellen Praktiken an faktischer Bedeutung abgenommen haben. Gerade auch die neuen Orte von Gottesdienst und Gebet, wie sie sich in verschiedenen Bereichen der Öffentlichkeit und als Teil zivilgesellschaftlichen Handelns – zum Teil im Zusammenwirken verschiedener Religionen – gebildet haben, sind dabei interessante Forschungsgegenstände. Manche dieser Orte sind stabil, andere werden immer wieder neu definiert, viele sind zeitgebunden. Dementsprechend wird Liturgie heute theologisch sowie in den sogenannten Humanities insgesamt breiter diskutiert als noch vor wenigen Jahrzehnten.
All das stellt die Liturgiewissenschaft vor neue Herausforderungen, sie befindet sich „im Aufbruch“, wie der Buchtitel sagt, und in Neuorientierung. Sie muss bislang als gesichert Geltendes grundlegend neu reflektieren und reformulieren. Die Transformationsprozesse, denen gegenwärtige Liturgie und gottesdienstliche Rituale unterworfen sind, muss sie kritisch-konstruktiv begleiten. U. a. nehmen die Beiträge des Sammelbandes konkret folgende Fragen auf, deren Diskussion überfällig ist: Wie können eine sachgerechte Liturgiegeschichtsforschung und Theologie der Liturgie heute aussehen? Welches Profil muss eine an der Praxis des Gottesdienstes interessierte Liturgiewissenschaft heute vorweisen können? Was leistet das Fach für die wissenschaftliche Theologie insgesamt, was für Geistes- und Kulturwissenschaften? Was ist seine Aufgabe gegenüber Kirche und Gesellschaft?
Der Sammelband, so die Herausgeber in ihrer Einleitung zum Buch, will „eine Debatte anstoßen, die sich natürlich auf die wissenschaftliche Disziplin, ihr Selbstverständnis und ihre Bedeutung richtet, aber ebenso an der Liturgie selbst interessiert ist“. Nicht zuletzt soll erneut auf die Relevanz liturgiewissenschaftlicher Forschung aufmerksam gemacht werden: darauf, „welches Gewicht eine theologische Disziplin weit über den kirchlichen Binnenraum hinaus besitzt, die sich mit Feier, Ritual, Symbol, Glaubensästhetik etc. beschäftigt“.