Ausstellungen seit 2019 - Aktuelles aus allen Gebieten
Bauhaus und Nationalsozialismus (2024)
Rund 450 Werke aus Bildender Kunst und Kunstgewerbe, darunter zahlreiche Leihgaben aus renommierten Museen Europas und den USA, illustrieren die politischen Richtungskämpfe im Bauhaus und die spätere Verstrickung der Bauhäusler*innen mit dem Nationalsozialismus, ebenso wie die Gratwanderungen ehemaliger Schulangehöriger angesichts der politischen Zeitläufte ab 1933. Bedeutende Werke von Lyonel Feininger und Paul Klee kehren für die Ausstellung erstmals an ihren Ursprungsort zurück.
Das Museum Neues Weimar beleuchtet unter dem Titel „Politische Kämpfe um das Bauhaus 1919−1933” die künstlerischen und politischen Konflikte, die bereits mit der Gründung der Designschule in Weimar begannen und sich in Dessau und Berlin fortsetzten. Im Bauhaus-Museum Weimar geht es unter der Überschrift „Abgehängt – Beschlagnahmt – Angepasst 1930/1937”um die Beschlagnahmung der „entarteten Kunst“ 1937 und um ihre Vorläuferaktion in Weimar. Das Schiller-Museum widmet sich schließlich den Bauhaus-Mitgliedern und ihren „Lebenswegen in der Diktatur 1933−1945”. Thematisiert werden die Gratwanderungen, die sie angesichts der neuen politischen Verhältnisse nach 1933 vollzogen.
„This exhibition completely rewrites the history of the Bauhaus’s relation to politics and its fate after its 1933 closure. By focusing on the biographies and work of a range of Bauhaus members – some well known, others new to Bauhaus history – “Bauhaus and National Socialism” reveals the wide-range of paths taken and choices made by Bauhaus members under Nazism. Contrary to popular belief, no one was persecuted simply for being a member of the Bauhaus. However, many Bauhäusler were indeed persecuted, primarily for their politically leftist beliefs or for being Jewish. The works of some of these victims of Nazi rule are on display in this exhibition. The show reveals a range of contradictions: many Bauhaus members that the regime derided as “degenerate” were still able to build successful careers under the Nazis. Conversely, some who were enthusiastic early adopters of Nazism were labeled as “degenerate” and struggled to show their work.“
...erläutert Elizabeth Otto, Mitkuratorin und Professorin an der Buffalo University.
Mit einer Festveranstaltung wurde die Ausstellung am 8. Mai 2024 gemeinsam mit dem Museum Zwangsarbeit im Nationalsozialismus der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora eröffnet. Beide Stiftungen laden mit dieser Doppel-Eröffnung im Wahljahr 2024 dazu ein, sich mit der Ästhethik und den Strategien totalitärer Systeme auseinanderzusetzen und gemeinsam den Blick in die Zukunft zu richten. In Weimars Quartier der Moderne angesiedelt, setzt sich das Museum Zwangsarbeit mit der gewaltsamen Beziehungsgeschichte von Deutschen und Zwangsarbeiter*innen auseinander und dokumentiert das in aller Öffentlichkeit vollzogene Massenverbrechen im Nationalsozialismus. Gezielt analysiert das Museum die problematische Beziehungsgeschichte von Deutschen und Zwangsarbeiter*innen und stellt die Frage nach den Handlungsspielräume von Beteiligten.
Kurator*innen der Ausstellung:
Dr. Anke Blümm, Klassik Stiftung Weimar
Prof. Dr. Elizabeth Otto, Universität Buffalo
Prof. Dr. Dr. Patrick Rössler, Universität Erfurt
Bauhaus und Nationalsozialismus. Eine Ausstellung in drei Teilen:
Teil 1 – „Politische Kämpfe um das Bauhaus 1919−1933” im Museum Neues Weimar
thematisiert die künstlerischen und politischen Konflikte, die bereits mit der Gründung der Designschule in Weimar begannen und sich in Dessau und Berlin fortsetzten. Von seiner Gründung in Weimar 1919 bis zur endgültigen Schließung 1933 war das Bauhaus künstlerischen und vor allem politischen Angriffen ausgesetzt. Anhand von Exponaten des frühen Bauhauses sowie biografische Betrachtungen werden zudem unterschiedliche Ansichten der Bauhaus-Mitglieder aufgezeigt. Zu sehen ist zum Beispiel Karl Peter Röhls wildbuntes Gemälde „Kosmische Komposition“ von 1920, das von einer enthusiastische Aufbruchsstimmung zeugt.
Teil 2 - „Abgehängt – Beschlagnahmt – Angepasst 1930/1937” im Bauhaus-Museum Weimar
nimmt die Beschlagnahmung der „entarteten Kunst“ 1937 und um ihre Vorläuferaktion in Weimar in den Fokus. Die Stadt Weimar spielt in Bezug auf die nationalsozialistische Kulturpolitik eine unrühmliche Vorreiterrolle: Bereits 1930 wurden hier, nach Installation der aus einer nationalsozialistischen Mehrheit bestehenden Landesregierung, moderne Kunstwerke von Paul Klee, Wassily Kandinsky, László Moholy-Nagy und weiteren Künstler*innen der Öffentlichkeit entzogen. 1937 mündete dies in die Beschlagnahme-Aktion „Entartete Kunst“. 450 Werke wurde aus den Weimarer Sammlungen konfisziert, darunter Blätter von Paul Klee, Lyonel Feininger, Wassily Kandinsky und weiteren Bauhaus-Angehörigen. Hochkarätige Werke dieser entzogenen Kunst kehren für die Ausstellung erstmals nach Weimar zurück. Neben Bildern von Feininger und Klee ist darunter auch die Plastik „Hockende“ von Hans Haffenrichter zu sehen.
Teil 3 - „Lebenswegen in der Diktatur 1933−1945” im Schiller-Museum
widmet sich schließlich den Bauhaus-Mitgliedern und ihren Biografien. Studierende und Dozierende des Bauhauses finden sich während des Nationalsozialismus unter den Verfolgten wie auch unter den Profiteuren des Regimes und zeichnen ein multiperspektivisches Bild der Politik- und Gesellschaftsgeschichte des langen zwanzigsten Jahrhunderts. Ausgewählte Lebensläufe beleuchten die Lebenswege angesichts der politischen Verhältnisse nach 1933. Besondere Ausstellungshighlights sind zum Beispiel Werke Franz Ehrlichs. Neben dem bekannten Lagertor Buchenwalds wird auch die mit NS-Symbolik und Eichenkranzdekor versehene „Sippenwiege“ für den Buchenwald-Lagerkommandanten Karl Otto Koch zu sehen sein.
Eine legendäre Bauhaus-Ausstellung entsteht neu in Virtueller Realität (VR) – Die Schau „Bauhaus 1919-1928“ im Museum of Modern Art in New York 1938
Die Bauhaus-Schau im MoMA im Jahr 1938 war die erste umfassende Ausstellung des Bauhauses nach seiner Schließung. Die politische Situation stellte die Organisatoren der MoMA-Ausstellung zu dem Zeitpunkt vor erhebliche Schwierigkeiten. Tatsächlich waren auch die zeitgenössischen Kritiken nach der Eröffnung sehr durchwachsen. Dennoch gilt die Schau heute als Meilenstein innerhalb des Ausstellungsdesigns. Der ausführliche Katalog blieb lange Zeit die verbindliche Publikation zum Bauhaus. Heute macht es die neueste digitale Technik möglich, die Ausstellung virtuell wiederauferstehen zu lassen. Mithilfe einer VR-Brille können Besucher durch die Ausstellungsräume gehen und die Schau von 1938 heute selbst erfahren. So entsteht eine 86-Jahre alte Ausstellung wieder neu.
Zur Ausstellung erschien ein umfassender Begleitkatalog im Hirmer Verlag München, dessen erste Auflage bereits nach acht Wochen vergriffen war und der nun in einer zweiten Auflage erhältlich ist.
Begleitkatalog zur Ausstellung (2024)
Inhaltsverzeichnis des Begleitkatalogs
Die Ausstellung und der Katalog erzeugten eine massive Resonanz in den in- und ausländischen Medien, die hier nur in wenigen Ausschnitten stellvertretend wiedergegeben werden kann. Nach Angaben eines professionellen Medienausschnittdienstes erreichte die Berichterstattung alleine in den ersten beiden Wochen einen Bruttowert von über 70 Millionen Kontakten.
Artikel in der Kunstzeitschrift "art"
Artikel im Kulturmagazin "monopol"
Artikel aus dem "Handelsblatt"
Interview mit den Kurator*innen für den Blog von Steven Heller (in englischer Sprache)
Artikel in "El Pais" (Spanien, in englischer Sprache)
Artikel von Nicolas Fox Weber (Online-Magazin "Airline", in englischer Sprache)
Impressionen von der Ausstellungseröffnung
Impressionen aus den drei Ausstellungsstationen
33 Geistesblitze (2024)
Das Wahljahr 2024 droht für Thüringen tiefgreifende Veränderungen mit sich zu bringen. Noch niemals seit der Wende 1989/90 war die Gefahr so groß, dass rechtsextreme und rechtsradikale Parteien auf allen politischen Ebenen Mehrheiten erringen können. Die bereits bestehende Spaltung der Gesellschaft würde sich in diesem Fall vertiefen, Rassismus und Ausländerhass weiter zunehmen. Die Ausstellung »33 Geistesblitze. Antifaschistische Fotomontagen von John Heartfield, 2024 neu gelesen« zeigt die ganzseitigen Originalabdrucke aus der Arbeiter‐Illustrierten‐Zeitung (AIZ), die schon damals als Markenzeichen dieses Blattes galten.
Wie in einem Brennglas verdichteten sie geschickt aktuelles Geschehen zu einer agitatorischen Botschaft, meist gegen das NS‐Regime und die faschistischen Diktaturen in Europa gerichtet. Mit ihrem Humor, aber auch ihrer Schärfe und Kompromisslosigkeit erinnern sie in vielem an die Memes, die wir aus den Sozialen Medien unserer Tage kennen: kurze, oft ironische Kommentare, montiert aus medialen Versatzstücken. Zahlreiche Heartfield‐Montagen wären heute sicherlich Meme‐fähig – etwa der »Sinn des Hitlergrußes«, das »wandelnde Beefsteak«, das Hakenkreuz aus Henkersbeilen oder das Mimikry Hitlers mit Hilfe eines rauschenden Karl‐Marx‐Bartes.
Patrick Rössler, Professor an der Universität Erfurt, und Michael Tallai, im Hauptberuf Geschäftsführer der FUNKE Mediengruppe in Thüringen, möchten mit einem privaten Ausstellungsprojekt auf historische Parallelen zu dieser aktuellen Entwicklung hinweisen. Ab dem 8. März 2024 werden in der Erfurter Kunsthalle 33 Fotomontagen von John Heartfield gezeigt. Der einstige Dadaist kämpfte seit 1930 mit seinen Montagen zur Zeitgeschichte gegen den Aufstieg des Faschismus in Deutschland an – ab 1933 aus dem Exil, und letztlich vergeblich. Dennoch markieren die über 200 künstlerisch herausragenden Blätter, die er ganzseitig in der Wochenzeitschrift AIZ (einer Gründung des gebürtigen Erfurters Willi Münzenberg) veröffentlichte, einen wichtigen Kristallisationspunkt des Widerstands gegen den menschenverachtenden Ungeist seiner Epoche.
Ein Stimmenanteil von 33,1 Prozent reichte der NSDAP bei den Wahlen im November 1932, um das Deutschen Reich unregierbar zu machen; die Konsequenzen der Machtübergabe 1933 und zwölf Jahren Hitlerregime, Millionen Kriegstote und Opfer des Holocaust sind hinlänglich bekannt. Aus Geschichte lernen heißt auch, sie sich aus gegebenem Anlass wieder vor Augen zu führen und neu zu bewerten"
...so die beiden Initiatoren der Ausstellung.
Die Ausstellung in der Kunsthalle Erfurt zeigt die gedruckten Originalwerke, begleitet von aktuellen Kommentaren und Einordnungen durch Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens Thüringens. Neben anderen teilen der Ministerpräsident des Freistaats, Bodo Ramelow, und der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider, ihre aktuellen Gedanken angesichts von Heartfields Montagen mit, ebenso wie hochrangige Vertreterinnen und Vertreter von Kirchen, öffentlichen Einrichtungen, Verbänden und Institutionen. Der Bogen spannt sich von einer 103jährigen Erfurterin, die selbst noch den Naziterror miterleben musste, bis hin zu einer Studentin aus jener heutigen Generation, deren Zukunft bei einem politischen Rechtsruck besonders bedroht sein könnte.
Die Begleittexte mit den Heartfield-Motiven sind auf einer Website (als virtuelle Ausstellung) dokumentiert. Zusätzlich sollte eine Podiumsdiskussion u.a. mit Prof. Dr. Benjamin‐Immanuel Hoff, Minister für Kultur, Bundes‐ und Europaangelegenheiten sowie Chef der Staatskanzlei des Freistaates, einen öffentlichen Diskurs anstoßen, um die Gefahren einer faschistisch orientierten Politik gerade angesichts der bevorstehenden Wahlen in Thüringen (und anderswo) in Erinnerung zu rufen. Auch eine mehrfach ausverkaufte Vorführung des 2024 erschienenen Films „Jonny and Me – Eine Zeitreise mit John Heartfield“ plus anschließendem Gespräch mit der Regisseurin Katrin Rothe erreichte die Thüringer Öffentlichkeit. Eine RollUp-Ausstellung mit den Heartfield-Motiven und ihren Kommentaren wird derzeit erarbeitet.
Ausstellungswebseite "33 Geistesblitze"
Artikel in der "Süddeutsche(n) Zeitung" (online)
Impressionen von der Ausstellungseröffnung
Gefesselte Blicke - Filmplakate aus den 1920er Jahren (2023/24)
Visuell orientierte Massenmedien feierten in den 1920er Jahren ihren Durchbruch. Die meisten Filme aus der Frühzeit des Kinos haben sich allerdings nicht erhalten, und so überliefern heute nur noch ihre die farbenprächtigen Plakate die Vielgestaltigkeit der damaligen Filmkulturen. Die Ausstellung »Gefesselte Blicke« zeigt eine Auswahl dieser historischen Großformate, gemeinsam mit weiterem Werbematerial zu den Filmen. Eine Katalog-Publikation, erarbeitet von Studierenden in einer gemeinsamen Lehrveranstaltung der Universitäten in Weimar und Erfurt, erschließt die Dokumente und bringt sie zum Sprechen. Im Mittelpunkt von Plakatauswahl und stehen dabei Aspekte, die die Geschlechterverhältnisse jener Epoche thematisieren – gezeigt werden Frauenbilder von der mondänen »Dame mit der Maske« bis zum bedauernswerten »Fundvogel«. Das Projekt trägt dazu bei, dass dieses Erbe europäischer Filmkultur im kollektiven Gedächtnis unserer Gesellschaft verankert bleibt. Eine Online-Ausstellung wird die Erkenntnisse nachhaltig dokumentieren und einem breiteren Publikum über Thüringen hinaus zugänglich machen.
Die Ausstellung beruht auf einer hochschulübergreifenden Kooperation der Bauhaus-Universität Weimar und der Universität Erfurt, und den örtlichen Unibibliotheken. Sie ist im Kontext der Weimarer Stummfilm-Retrospektive zu sehen und richtet sich gleichermaßen an filmgeschichtlich Interessierte, Kinogänger*innen und Personen mit kulturhistorischem Interesse, außerdem an Grafik-Design-Praktiker*innen, Agenturen, angewandte Künstler*innen und natürlich die Studierenden der Hochschulen und die Besucher*innen der Universitätsbibliotheken. Der Eintritt ist zu den Öffnungszeiten der Bibliotheken frei.
Revolutionäre der Typographie. Sammlung Jan Tschichold der Schule für Gestaltung Basel (2022)
«Revolutionäre der Typographie»: Erstmals zeigt die Schule für Gestaltung Basel Werbemittel aus der Sammlung des Buch- und Schriftgestalters Jan Tschichold. Zu entdecken ist Weltklasse-Grafikdesign aus den bis heute stilprägenden 1920er und 1930er Jahren. Im Fokus der Ausstellung steht die «Vorbilder-Sammlung» des deutsch-schweizerischen Buch- und Schriftgestalters Jan Tschichold (1902–1974). Er gehört zu den bedeutendsten Designern der Moderne und gilt als Vorreiter des funktionalen Grafikdesigns – der sogenannten Neuen Typographie. Teile seines Nachlasses sind in weltberühmte Sammlungen eingegangen und finden sich unter anderem im MoMA in New York und im Victoria and Albert Museum in London.
Vom 8. Mai bis zum 17. Juni 2022 ist nun in Basel eine persönliche Kollektion Tschicholds mit typografischen Musterbeispielen aus der Zwischenkriegszeit zu sehen: Innerhalb eines europäischen Netzwerks der Avantgarde zusammengetragen, enthält sie kleinformatige Drucksachen von berühmten Gestaltern aus dem Bauhaus-Umfeld wie László Moholy-Nagy und Herbert Bayer – oder von Künstlern wie Kurt Schwitters und El Lissitzky, um nur ein paar Namen zu nennen – allesamt Pioniere des modernen Grafikdesigns. Die Originaldokumente machen die Aufbruchstimmung dieser Epoche greifbar. Neben seiner Arbeit als Gestalter war Jan Tschichold als Autor und Lehrer tätig. Seine Veröffentlichungen machten ihn als Typografie-Theoretiker berühmt. 1925 verfasste er das Manifest zur «elementaren typographie», das heftig umstritten war und in der gestalterischen Welt jener Zeit ein mittleres Erdbeben auslöste.
Die Ausstellung «Revolutionäre der Typographie» positioniert den Theoretiker Jan Tschichold im Zentrum seiner eigenen Sammlung: Zur Illustration seiner Publikationen, die bis heute als Standardwerke nachwirken, griff er auf Gebrauchsgrafik zurück, auf Broschüren, Kleinplakate, Briefköpfe, Visitenkarten und Anzeigen. Er präsentierte diese Dokumente aus den Ateliers seiner namhaften Gestalter-Kollegen als «Best-Practice-Beispiele» und setzte sie auch in der Lehre ein.
Die von Linda Wößner kuratierte Ausstellung ermöglicht erstmals ein Studium der Originale, die in Tschicholds Büchern meist nur in schwarz-weiss oder in stark veränderter Farbgebung abgebildet sind. Ergänzend zur Tschichold-Sammlung der Bibliothek für Gestaltung sind Objekte aus dem Bestand der Plakatsammlung Basel zu sehen. So weitet sich der Blick auf ein Netzwerk von 45 Gestaltern und auf ein Kapitel der europäischen Avantgarde, das den «Swiss Style» der Nachkriegszeit unmittelbar beeinflusste.
Die Ausstellung bildet den Abschluss eines Kooperationsprojekts der Bibliothek für Gestaltung Basel und der Universität Erfurt. Mit dem Ziel, die Vorbilder-Sammlung von Jan Tschichold einem breiten Publikum bekannt sowie der Forschung besser zugänglich zu machen, wurden alle rund 1500 Objekte digitalisiert und in swisscovery, dem Katalog der Schweizer Hochschulbibliotheken, verzeichnet.
Artikel in: Grafikmagazin (04/2022)
Tschichold-Projekt mit der Deutschen Nationalbibliothek Leipzig
Vergessene Bauhaus-Frauen (2021/ 22)
Obwohl das Bauhaus-Jubiläumsjahr 2019 den Frauen des Bauhauses zu neuer Aufmerksamkeit verhalf, ist vieles hinsichtlich ihrer beruflichen und privaten Lebenswege noch unerforscht. 460 Studentinnen sind am Bauhaus verzeichnet, doch nur von zwei Dritteln sind die Lebensdaten bekannt. Traditionelle Rollenvorstellungen, Heirat und Namenswechsel oder die vielfach schwierigen Lebensverhältnisse alleinstehender Frauen führten dazu, dass sie ihr künstlerisches Talent nicht immer frei entfalten konnten. Heute stellt sich für uns die Herausforderung, dass sich ihr Werk nicht erhalten hat und sie kaum Spuren in den Archiven hinterlassen haben. Insbesondere die nationalsozialistische Machtübernahme 1933 wirkte sich auf weibliche Bauhaus-Angehörige aus: Verfolgt durch das NS-Regime fanden einige den frühen Tod, sie wurden im Exil Opfer stalinistischer Säuberung, starben aufgrund von Krankheit oder in den Bombennächten des Zweiten Weltkriegs.
Das Ausstellungsprojekt „Vergessene Bauhaus-Frauen“ der Universität Erfurt und der Klassik Stiftung Weimar widmet sich nun der Erforschung dieser Schicksale. Mehr als 30 Lebenswege werden ab dem 2. Oktober 2021 im Bauhaus-Museum Weimar und im begleitenden Katalog vorgestellt. Die Ausstellung wird bis zum 4. Januar 2022 zu sehen sein.
Presseeinladung der Klassik-Stiftung Weimar (2021)
Einladung zur Eröffnung der Ausstellung
Drehort Thüringen. DEFA-Produktionen 1947 - 1992 (Wanderausstellung, seit 2020)
Zwischen 1946 und 1992 entstanden bei der staatlichen Filmgesellschaft der DDR „DEFA“ (Deutsche Film Aktiengesellschaft) etwa 700 Spiel-, 450 Kurz-, 950 Animations- und 2000 Dokumentarfilme. Rund 900 Werke davon weisen einen Bezug zu Thüringen auf. Erstmals nehmen eine Ausstellung und das im Leipziger Universitätsverlag erschienene gleichnamige Begleitbuch „Drehort Thüringen“ die DEFA-Produktion vor dem Hintergrund der regionalen Einbindung in Thüringen in den Blick. In der von der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen initiierten Ausstellung werden knapp 20 Spielfilme vorgestellt, die in Thüringen gedreht wurden, u. a. „Thomas Müntzer – Ein Film deutscher Geschichte“ (1956), „Nackt unter Wölfen“ (1963), „Alfons Zitterbacke“ (1966), „Lotte in Weimar“
(1976) und „Die Flucht“ (1977). Neben den Metropolen Erfurt und Jena befinden sich auch kleinere Städte wie Arnstadt, Eisenach, Hildburghausen, Nordhausen, Pößneck, Sondershausen und Steinach unter den von der DEFA ausgewählten Drehorten. Auch im Thüringer Wald wurde gedreht. Im Lauchagrund bei Tabarz entstand der Märchenklassiker und erste Farbfilm der DEFA „Das kalte Herz“ (1950) mit dem großen Kinostar und Schauspieler Erwin Geschonneck. Die mit zahlreichen Abbildungen versehenen Tafeln geben eine knappe inhaltliche Beschreibung des Films und erlauben einen Blick hinter die Kulissen der Dreharbeiten. Zudem wird kurz die Bedeutung des Drehortes für den Film erläutert und eine Einordnung in die ostdeutsche Filmgeschichte vorgenommen.
Bildpropaganda in der Weimarer Republik. Publizistik im Meinungskampf 1924 — 33 (2019/ 20)
Die aufgeheizte politische Atmosphäre in der Weimarer Republik schlug sich auch in einer aggressiven Bildpropaganda der Parteien nieder. Fast alle Lager unterhielten Zeitschriften, die zur Mobilisierung der eigenen Klientel dienten und den Gegner scharf attackierten. Die Frontlinie verlief einerseits zwischen der Nazi-Presse und den Blättern der linken Kräfte; aber andererseits auch zwischen den Organen von SPD und KPD, die sich gegenseitig des Verrats an den Interessen der Arbeiterschaft beschuldigten.
Eine besondere Funktion kam seinerzeit der Illustriertenpresse der Parteien (wie etwa der kommunistischen Arbeiter-Illustrierten Zeitung) zu. Daneben erreichten die Bildbeilagen der sozialdemokratischen und kommunistischen Tageszeitungen (Volk und Zeit, Der rote Stern) allwöchentlich ein Millionenpublikum. Erwartungsgemäß sind die schonungslosesten Beiträge den Satiremagazinen der Epoche zu entnehmen: Sowohl die linken Witzblätter (Der Wahre Jacob, Eulenspiegel, Roter Pfeffer) als auch das Nazipamphlet Die Brennessel fanden drastische Bildmetaphern für den politischen Gegner. Indes war es natürlich einzig Letztere, die sich obsessiv einer antisemitischen und antikommunistischen Bildsprache bediente.
Lange Zeit blieb die gezeichnete Illustration oder Karikatur das Stilmittel der Wahl, lassen sich mit ihrer Hilfe doch die Aussagen gut verdichten, Bezüge herstellen und Sachverhalte hemmungslos übertreiben. Ab Mitte der 1920er Jahre setzte sich zunehmend auch die Fotografie als Propagandainstrument durch, deren Wirkung von ihrer vermeintlichen Authentizität profitiert. Zu einer effektiven Waffe im Meinungskampf wird sie allerdings erst durch die Konfrontationen in den Klebebildern der Illustrierten und später, wesentlich pointierter, in den ausgefeilten Fotomontagen etwa eines John Heartfield. Dabei erschüttert bis heute die Weitsicht, mit der das linke Lager bereits vor 1933 die Schrecken einer faschistischen Diktatur in Deutschland erkannt und angeprangert hatte – und die Unverfrorenheit, mit der die rechten Kräfte ihre Absichten medial zur Schau gestellt haben.
Der nachfolgende Bildessay dokumentiert einige ausgewählte Exponate einer Ausstellung, die begleitend zur Tagung „Prodemokratische Propaganda, Pressekultur und politische Kommunikation in der Weimarer Republik“ Originaldokumente der Bildpropaganda aus der Zeit von 1924 bis 1933 zeigte. Sie veranschaulichen ausschnitthaft den intensiven Meinungskampf jener Tage und verdeutlichen exemplarisch nicht nur die Strategien der einzelnen Parteien und politischen Akteure (darunter u. a. die Eiserne Front mit ihrer Drei-Pfeil-Kampagne): Gleichzeitig bieten die Quellen auch einen authentischen Blick auf ein zentrales Medium der politischen Kommunikation in der Zwischenkriegszeit, das bis heute – angesichts der traditionellen Textlastigkeit der Forschung, die sich meist den Berichten und Kommentaren in der Tagespresse zuwendet – leider nur selten die ihm gebührende Beachtung erfährt.
Einleitung zu einem Bildessay im Begleitbuch zu Ausstellung und Tagung (Sax / Koenen, Hrsg.: Prodemokratische Propaganda und Pressekultur in der Weimarer Republik)
Bildermagazin der Zeit. Konstruktion eines verlorenen Bauhausbuchs. (2019)
In den Prospekten für die legendäre Reihe der »Bau- hausbücher« der 1920er Jahre wurde mehrfach ein Band zum »Bildermagazin der Zeit« angekündigt. Herausgeber und Bauhausmeister László Moholy-Nagy schwebte dafür eine kritische Bestandsaufnahme der zeitgenössischen Zeitschriftenproduktion vor. Die Idee wurde aber nie realisiert, weshalb diese Ausstellung die geplante Bestandsaufnahme nachholt: Eine Auswahl deutscher und internationaler Illustrierten, die zwischen der Bauhausgründung und dem Tod Moholy-Nagys veröffentlicht wurden, gibt einen Einblick in das (neben dem Film) wichtigste Medium für den »Iconic Turn« der Zwischenkriegszeit. Schon in seinem Konzept für eine »synthetische Zeitschrift« forderte Moholy-Nagy 1925 »überall viele Bilder im Text«. Die Reklamewerkstatt am Bauhaus griff die Tendenzen einer »Neuen Typographie« in ihren Arbeiten auf und entwickelte sich zu einem Taktgeber der gebrauchsgrafischen Moderne, der auch maßgeblichen Einfluss auf das Erscheinungsbild der modernen Illustrierten nahm. 1928 aus dem Bauhaus ausgeschieden, erhielt Moholy-Nagy öfters Gestaltungsauf- träge von Zeitschriftenverlagen, für die er eine markante Bildsprache entwickelte – darunter auch der Relaunch der Lifestyle-Illustrierten die neue linie im Auftrag des Leipziger Beyer-Verlags (später: Verlag für die Frau). Das deutsche Zeitschriftenwesen erlebte in der Weimarer Republik eine ungeahnte Blüte mit über 6.000 Titeln aller Gebiete für eine bildungshungrige Öffentlichkeit. Unbestrit- tene Marktführer waren die Illustrierten im Zeitungsformat nach dem Vorbild der Berliner Illustrirten Zeitung, die allwö- chentlich ein Millionenpublikum ansprachen und mit ihren Fotoreportagen die Verbreitung des »Neuen Sehens« im Bildjournalismus unterstützten. Auch die politischen Kräfte des linken wie rechten Spektrums gründeten ihre eigenen Blätter, und gemeinsam mit den illustrierten Zeitungsbeila- gen zum Wochenende und den auflagenstarken Magazinen erreichte die populäre Bilderpresse zum Ende der Weimarer Republik nahezu die gesamte Bevölkerung. Ergänzt wurde dieses Medienrepertoire durch eine schier unübersehbare Flut an Special-Interest-Titeln etwa zur Mode, zum Film, zum Design oder zur Körperkultur, neben Zielgruppenorganen für junge Erwachsene, Frauen oder die Großstadtbewohner. Gemeinsam mit den ausländischen bzw. für den Auslandseinsatz geplanten Illustrierten gibt die Ausstellung anhand von knapp 200 Originalheften der Epoche einen Einblick in das weite Feld jener »Bildermagazine der Zeit«, die das von Moholy-Nagy geplante Buch hätte diskutieren können.
4 Bauhausmädels. Gertrud Arndt – Marianne Brandt – Grete Heymann-Loebenstein – Margaretha Reichardt. (2019)
Für seine Schülerinnen repräsentierte das Bauhaus eine entscheidende biografische Weichenstellung. Die vergleichsweise freie Entfaltung in der Lern- und Lebensgemeinschaft war schon in der zeitgenössischen Wahrnehmung ein bedeutsames Charakteristikum des Bauhauses. Der Begriff des „Bauhausmädels“, in seiner Zeit als Kompliment gemeint, drückt eine stille Bewunderung für jene jungen Frauen aus, die in einem mutigen Schritt ihre üblichen Bestimmungen zwischen Hausfrau, Ladenmädel und Stenotypistin verließen, um sich eine andere, schöpferische Zukunft zu erschließen. Ausgehend von der Frage, wie sich diese Frauen nach dem Studium als selbstständige Gestalterinnen etablierten und weiterentwickelten, werden exemplarisch die Wege von Gertrud Arndt, Marianne Brandt, Margarete Heymann und Margaretha Reichardt in den Blick genommen. Die Arbeiten dieser Künstlerinnen, die jeweils wichtige Phasen ihrer Biografie mit Thüringen verbindet, repräsentieren zugleich die am Bauhaus wichtigen Gewerke Fotografie, Metall, Keramik und Textil.
Die Ausstellung im Erfurter Angermuseum präsentiert über 335 Objekte aus zahlreichen privaten und öffentlichen Sammlungen und Archiven und vermittelt anschaulich die künstlerischen Wege der ausgewählten Gestalterinnen aus der Zeit am Bauhaus und danach.
"4 Bauhausmädels" - Konzentrat
Für seine Schülerinnen war das Staatliche Bauhaus eine entscheidende biografische Weichenstellung. Ihr Eintritt in die damals modernste künstlerische Ausbildungsstätte ging mit einem Bruch zahlreicher gesellschaftlicher Konventionen einher und war ein markantes Zeichen weiblicher Emanzipation.
In der Ausstellung werden Exponate von Gertrud Arndt, Marianne Brandt, Margarete Heymann-Loebenstein und Margaretha Reichardt gezeigt. Sie war vom 4. September bis zum 4. Oktober 2019 in der Landesvertretung des Freistaats Thüringen in Berlin zu besichtigen.
Das Projekt "4 Bauhausmädels - Konzentrat" schreibt das erfolgreiche Ausstellungsvorhaben "4 Bauhausmädels (Angermuseum Erfurt, März-Juni 2019)" fort. Ziel war es, eine verdichtete Fassung, die alle vier vorgestellten Künstlerinnen berücksichtigt, für einen überschaubaren Zeitraum (10.9. bis 3.10.2019) in der Thüringer Landesvertretung in Berlin zu zeigen und dabei insbesondere Vertreter des politischen Lebens als wichtige Multiplikatoren zu erreichen. Die Original-Ausstellung im Angermuseum Erfurt war eine der herausragenden Initiativen des Landes im
Bauhaus- jahr 2019. Mit der Wiederaufnahme des parlamentarischen Lebens nach der Sommerpause wurde die Grundidee von "4 Bauhausmädels" durch ausgewählte Exponate und einen Teil des ursprünglichen Ausstellungsdesigns als Konzentrat vermittelt. Dazu wurden wichtige und repräsentative Originalexponate gezeigt, neben einigen Reproduktionen und didaktischen Tafeln, meist als Nachnutzung des vorliegenden Designs.
Es kommt … die neue Frau“ Ausstellung von Drucksachen in der UB Erfurt (2019)
Unter dem Titel „Es kommt… die neue Frau!“ zeigt die Universitätsbibliothek Erfurt vom 23. März bis 19. Mai eine Ausstellung von Prof. Dr. Patrick Rössler, Kommunikationswissenschaftler an der Uni Erfurt. Darin geht es um die mediale Visualisierung von Weiblichkeit im 20. Jahrhundert. Die Präsentation ist im 2. Obergeschoss zu den Öffnungszeiten der Universitätsbibliothek kostenfrei zugänglich.
Das 20. Jahrhundert erlebte nicht nur eine fundamentale Umwälzung der Rolle von Frauen in westlichen Gesellschaften – gleichzeitig veränderten sich auch die Bilder, die deutsche Medien in dieser Epoche von Frauen veröffentlichten. Vom Kaiserreich über die Weimarer Republik, die NS-Diktatur und die beiden geteilten deutschen Staaten bis in das wiedervereinigte Deutschland wandelten sich diese Frauenbilder in Zeitschriften und im Film, auf Buchumschlägen und Plakaten, in der Werbung und in Reportagen zum Zeitgeschehen. Diese medialen Repräsentationen sind dabei sowohl Spiegel der gesellschaftlichen Erneuerung als auch selbst Teil dieses Prozesses.
Parallel zur Ausstellung 4 Bauhausmädels im Angermuseum Erfurt weitet die Universität Erfurt den Blick und betrachtet diese Konstruktion von Weiblichkeit in deutschen Medien des 20. Jahrhunderts in einer eigenen Präsentation im Ausstellungsraum ihrer Universitätsbibliothek. „Denn die besondere gesellschaftliche Position weiblicher Bauhaus-Angehöriger lässt sich besser einschätzen, vergegenwärtigt man sich die Bilder, mit denen Frauen seinerzeit überhaupt in der Öffentlichkeit vertreten waren“, erklärt Kurator Prof. Dr. Patrick Rössler, Die Ausstellung gibt über die gesamte Vielfalt der visuellen Medien hinweg eine Übersicht, auf welche Art und Weise der (überwiegend männliche) Blick der deutschen Medien auf die Frau zur Konstruktion von Weiblichkeit im 20. Jahrhundert beigetragen hat.
„Es kommt… die neue Frau!“ zeigt dazu einige der typischen Visualisierungen von Weiblichkeit, die die 1920er-Jahre kennzeichnen – verführerische Frauenporträts auf Filmstandbildern, Reportagen über Arbeiterinnen in der Illustriertenpresse, die Aktfotos der Freikörperkultur in den populären Magazinen oder die Inszenierungen von Frauen in der Werbung. Dieses Scharnier zur Bauhaus-Thematik wird ähnlich für weitere Epochen des 20. Jahrhunderts umgesetzt: von den Schwertertänzen einer Olga Desmond, die in der Kaiserzeit ein vollkommen neues weibliches Selbstbewusstsein demonstrierten, bis zum widersprüchlichen Frauenbild unter der NS-Herrschaft, die neben der Hausfrau und Mutter und dem arischen BDM-Mädel auch immer die mondäne Gesellschaftsdame kannte. Dies wurde von den Bildauffassungen in den beiden deutschen Nachkriegsstaaten abgelöst, mit einerseits der schnellen Einbindung der Frau in den Produktionsprozess in der DDR und andererseits der oft eher rückwärtsgewandten Frauendarstellung in der BRD der 1950er-Jahre, die dann von dem sozialen Aufruhr der 1968er-Generation überrollt wurde. Das Spektrum schließt mit wenigen ausschnitthaften, fotografischen Positionen aus der Gegenwart.
Die Ausstellung wird von einer wissenschaftlichen Dokumentation begleitet, die als Bildatlas zur medialen Visualisierung von Weiblichkeit im 20. Jahrhundert angelegt ist. Die einzelnen Bildbeiträge werden von namhaften Wissenschaftlern aus den Kultur- und Sozialwissenschaften in der ganzen Welt kommentiert und aus ihrer jeweiligen Perspektive eingeordnet. Ausstellung und Publikation sollen, gefördert aus Mitteln der Thüringer Staatskanzlei, auch kulturübergreifend zum Dialog über die Entstehung des westlichen Frauenbildes einladen.
In unterschiedlichen Kulturen und Gesellschaften sind Frauenbilder tief verwurzelt in teils weit zurückreichenden Entstehungsgeschichten. Durch Sozialisationsprozesse nimmt man oft die Position der eigenen Kultur ein - zu einem reflektierten Austausch kommt es leider nur selten. In Zeiten, in denen Migration eine so große Rolle spielt, ist ein kultureller Austausch aber wichtig und bereichernd, um Sensibilität für die verschiedenen Entwicklungslinien zu schaffen. Darum hat eine Projektgruppe der Universität Erfurt die Ausstellung ,,Es kommt... die neue Frau!", zum Anlass genommen, deren Inhalte mit jugendlichen Migrant*innen zu diskutieren. Rund 100 junge Erwachsene aus unterschiedlichen Orten in Thüringen wurden während der Besuche befragt, was die vorliegende Broschüre dokumentiert. Durch die Gelegenheit zur wechselseitigen Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Positionen ist es gelungen, in den Dialog über die gesellschaftlichen Wertvorstellungen der aufnehmenden Kultur zu treten, und zum Verständnis des hiesigen Frauenbildes beizutragen.
Jan Tschichold – ein Jahrhunderttypograf? (2019)
Obwohl selbst nie am Bauhaus tätig, gilt der in Leipzig geborene Typograf und Buchgestalter Jan Tschichold (1902–1974) als einer der wichtigsten Vertreter der funktionalen Typografie. Seine Entwürfe sind Klassiker des Grafik-Designs. Das Deutsche Buch- und Schriftmuseum der Deutschen Nationalbibliothek in Leipzig schöpft in der Wechselausstellung aus dem umfassenden Nachlass Tschicholds, den es 2015 als Schenkung übernommen hat.
Anlässlich des Bauhaus-Jubiläums 2019 sowie anhand einer Auswahl von ca. 200 Objekten führt die Ausstellung durch die Biografie dieses Jahrhunderttypografen, dessen Leben von zahlreichen, auch exilbedingten Brüchen und Neuanfängen geprägt ist. Dieses „Zick-Zack“ durch das Jahrhundert der Typografie bettet Tschicholds berühmte Arbeiten aus den 1920er-Jahren in den Kontext seines Gesamtwerkes – vom Leipziger Schildermaler über den Vertreter der Neuen Typografie und das Redesign der Penguin Books bis zum grafischen Gesamtauftritt großer Firmen.
Dass die „Neue Typographie“ im Umfeld des Bauhauses, die Tschicholds Ruhm begründet hat, dabei nur eine Facette seines Gesamtwerkes darstellt, wirft auch ein neues Licht auf 100 Jahre Rezeption des Bauhauses. Wenngleich von Tschicholds vielzitiertem Heft „elementare typographie“ von 1925 zweifellos eine Jahrhundertwirkung ausgeht, die auch für das typografische Schaffen des Bauhauses zentral ist, wird man aber weder der Rezeption des Bauhauses noch Tschichold selbst gerecht, wenn diese Schaffensphase isoliert betrachtet wird. Vielmehr sind es die Widersprüchlichkeit einzelner Werkphasen und die Heterogenität seiner typografischen Lösungen, die Tschichold zu einer der schillerndsten Gestalten in der Typografie des 20. Jahrhunderts machen. Insofern versteht sich die Schau auch als eine historiografische Position, die den Mythos von der Dominanz des Bauhauses gegen den Strich bürstet.
Möglich wurde die Ausstellung durch eine überaus großzügige Schenkung der Erben von Jan Tschichold, die dessen umfangreichen Arbeitsnachlass 2015 an das Deutsche Buch- und Schriftmuseum übergaben. Die in 176 teils großformatigen Kisten überlieferten Dokumente erlauben in ihrem Studiencharakter einen „Blick über die Schulter“ des Jahrhunderttypografen. Das kommt einem allgemeinen Interesse an der Geschichte der Typografie entgegen, das der furiose Wandel von Schreiben und Lesen im digitalen Umfeld mit sich bringt. Der Nachlass Tschicholds gewährt Einblick in alle Schaffensperioden und Meilensteine seiner typografischen Arbeit: Beginnend mit den ersten Skizzenbüchern des 16-Jährigen über zahlreichen Schriftentwürfe, Studien zu Buchcovern und Arbeiten im Umfeld der „Neuen Typographie“ bis hin zu seinen pädagogischen Schriften und den Arbeiten für die gestalterischen Gesamtauftritte großer Unternehmen.
Der Wallstein Verlag hat eine Begleitpublikation zur Ausstellung veröffentlicht, die im Museum für 24,00 Euro erhältlich ist. Außerdem hat die Stadt Leipzig zu Ehren Tschicholds, in der Schorlemmer Straße 8 – einem der Wohnhäuser Jan Tschicholds aus den 1920er Jahren in Leipzig - eine Gedenktafel errichtet.
Ein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördertes Projekt bringt den Nachlass des Typografen Jan Tschichold weltweit frei verfügbar ins Internet. Dieses Vorhaben wurde durch die Digitalisierung der Vorbildsammlung von Jan Tschichold fortgesetzt, die sich in der Bibliothek der Kunstgewerbeschule Basel erhalten hat und 2022 durch Ausstellung und Katalog der Öffentlichkeit vorgestellt wurde.
Bauhaus trifft VR“. Präsentation einer VR-Installation mit Begleitausstellung (2019)
Mit einer besonderen Ausstellung leisteten Studierende und Lehrende der Fachhochschule und der Universität Erfurt ihren ganz eigenen Beitrag zum Bauhaus-Jubiläum 2019. Im Rahmen des Seminars „Bauhaus trifft VR“ hatte sie anhand von Fotografien aus dem Jahr 1931 eine Ausstellung rekonstruiert, die ursprünglich von Bauhaus-Angehörigen um Walter Gropius erarbeitet worden war und nun mittels einer Virtual-Reality-Brille noch einmal erlebbar ist.
Vom 17. bis 30. April 2019 konnten Interessierte in der „Galerie“ der Fakultät Architektur und Stadtplanung der Fachhochschule Erfurt virtuell in die Realität von 1931 eintauchen. Ergänzt wurde das Ganze durch weitere Ausstellungsstücke und anschaulich aufbereitete Informationen zur Originalausstellung von damals.
Mit unserer ‚Virtual Reality‘-Umgebung machen wir den Traum von einer Zeitmaschine ein kleines Stück wahr. Denn sie ermöglicht es uns, in eine originale Ausstellung im Jahr 1931 einzutauchen – ein Erlebnis der Vergangenheit, das uns bislang verwehrt blieb.
Prof. Dr. Patrick Rössler hat das Projekt zusammen mit Yvonne Brandenburger, Architektur-Professorin für Gebäudeentwurf und Bauplanung an der Fachhochschule Erfurt, initiiert. Sie ergänzt:
Durch den interdisziplinären Ansatz steht ‚Bauhaus trifft VR‘ in der Tradition der Dessauer Designschule. Nach unserer Ansicht kann das Bauhaus kaum besser gewürdigt werden, als durch die Anwendung fortschrittlicher Technologien in einem Zusammenwirken der unterschiedlichen Fachrichtungen.
Sechs Studierende der Kommunikationswissenschaft an der Universität Erfurt haben mit zwölf Architektur-Studierenden der Fachhochschule Erfurt an der Realisation des Projektes gearbeitet. Unterstützt wurden sie von fünf Studierenden der Angewandten Informatik, angeleitet von Prof. Rolf Kruse, sowie mehreren Studierenden der Business Administration und Landschaftsarchitektur an der Fachhochschule Erfurt. In diesem Rahmen entstand auch eine Bachelor-Arbeit zum Thema „Augmented Reality“ an der Fachrichtung Angewandte Informatik.
Wissenschaftliche Publikation
Ein Erfahrungsbericht zur Rekonstruktion der Ausstellung in einer Virtual-Reality-Umgebung ist hier erschienen:
Rössler, P., Brandenburger, Y., Kruse, R., Damek, S. (2021). Bauhaus trifft VR: Eine Virtual- Reality-Rekonstruktion der Baugewerkschafts-Ausstellung 1931 – Ein Praxisbericht. In: Lehmann, L., Engelhardt, D., Wilke, W. (eds) Kompetenzen für die digitale Transformation 2020. Springer Vieweg, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-62866-9_24
Das Bauhaus wirbt (2019)
Neue Typografie und funktionales Grafik-Design in der Weimarer Republik
Bei funktionaler Gestaltung denkt man zurecht sofort an das Bauhaus. Deswegen verwundert es nicht, dass von Weimar und Dessau wesentliche Impulse auch für die typographische Formgebung ausgingen. Denn in den 1920er Jahren veränderte sich das Erscheinungsbild von Drucksachen fundamental: Mit der »Neuen Typographie« setzte sich eine Bewegung durch, die sich klassischen Layout-Prinzipien verweigerte. Ziel war eine Optimierung der Drucksachen hinsichtlich ihrer Lesbarkeit, die Standardisierung in Schrifttypen wie Blattformaten und insgesamt eine Orientierung an der Deutschen Industrienorm (DIN). Die anachsiale Satzanordnung von bevorzugt serifenlosen Schrifttypen in größtmöglicher Klarheit, ohne ablenkenden Zierrat und mit der neusachlichen Fotografie als auffälligem Bildelement setzte sich bei der werbetreibenden Wirtschaft durch und bestimmt unsere visuelle Sozialisation bis heute.
Das Bauhaus war eine der erste Einrichtungen, die ihre Drucksachen konsequent nach den Prinzipien der Neuen
Typographie gestaltete – fünf Jahre nach deren »Urknall« durch ein Faltblatt der Dada-Künstler George Grosz und John Heartfield (1917). Die erste große Bauhaus-Ausstellung 1923 und die Einweihung des von Gropius entworfenen Schulgebäudes 1926 boten die willkommenen Anlässe, um Werbe- und Informationsschriften in einem unverkennbaren,neusachlichen Layout zu präsentieren. Zunächst formulierte der Bauhaus-Meister László Moholy-Nagy, der fortan federführend für das Grafikdesign der Einrichtung werden sollte, mit seinem Aufsatz »Die neue Typographie« die programmatische Grundlage der Bewegung – und prägte mit seinem Aufsatztitel auch gleich ihren Namen.
Zu einer Erfolgsgeschichte entwickelte sich die Reihe der »Bauhausbücher «, in der zwischen 1925 und 1929 insgesamt 14 Bände erscheinen sollten. Als deutlich geeigneter für die schnelle und aktuelle Kommunikation mit den verschiedenen Interessenten an der Bauhausarbeit erwiesen sich allerdings die 14 Ausgaben der ab 1926 etwa vierteljährlich in Dessau herausgegebenen Bauhauszeitschrift. Sie wurde später von Herbert Bayer bzw. Joost Schmidt, den Leitern der Reklamewerkstatt am Dessauer Bauhaus, gestaltet und richtete sich an einen internationalen Adressatenkreis. Weitere Drucksachen entstanden zu Anlässen wie den Bauhausfesten, als Reklame für die Produkte der Bauhauswerkstätten oder als Auftragsarbeiten für Unternehmen und öffentliche Einrichtungen.
Jenseits des Bauhauses brachte die „Neue Typographie“ in Deutschland u.a. mit Willi Baumeister und Kurt Schwitters, Max Burchartz und Walter Dexel, Jan Tschichold oder den Geschwistern Leistikow eine eindrucksvolle Reihe bedeutender Grafik-Designer des 20. Jahrhunderts hervor. Die Ausstellung „Das Bauhaus wirbt!“ widmet sich auch diesen Gestaltern im stilistischen Umfeld und zeigt durchaus einige der wohlbekannten Ikonen der Neuen Typografie – aber bezieht auch weniger bekannte und eher schlichte Umsetzungen ein, um Spitze und Breite des Gebiets zu präsentieren. Brennpunkte sind die Grafikerszenen in Mitteldeutschland zwischen Magdeburg und Halle, rund um das »neue Frankfurt« und den »Ring neuer Werbegestalter«.
Neben Broschüren und Plakaten, Prospekten und Faltblättern zeigt die Präsentation auch die Ausstrahlung auf die Buchgestaltung und das Zeitschriftenlayout anhand einer Fülle von Schutzumschlägen und Illustriertentiteln, die die »Neue Typografie« in ihrer eigenen Weise adaptiert haben. Auch die scharfen antifaschistischen Fotomontagen von John Heartfield wurden seinerzeit als Teil der Bewegung aufgefasst. Ein Ausblick dokumentiert anhand ausgewählter Beispiele, wie diese Gestaltungsprinzipien von Grafik-Designern in anderen Staaten aufgegriffen, selbst unter dem NS-Regime angewendet wurden und sich bis in die Gegenwart erhalten haben.