Dr. des. Nora Binder

Projekt: Soziale Kompetenz. Zu einer Epistemologie der zwischenmenschlichen Beziehungen im 20. Jahrhundert

Das Projekt nimmt sich vor, die bislang von der Forschung weitgehend vernachlässigte Geschichte einer Epistemologie des Zwischenmenschlichen, wie sie zwischen den 1930er und 1970er Jahren in den modernen Psy-, Verhaltens- und Sozialwissenschaften der USA begründet wird, zu rekonstruieren. Ausgehend von bisher unveröffentlichten Archivbeständen, wissenschaftlichen Publikationen, Manualen, Ratgebern und Trainings- sowie Testverfahren kreist es um die zentrale Frage, wie zwischen den 1930er und 1970er Jahren in US-amerikanischen sozialpsychologischen, wissenschaftlichen, betriebswirtschaftlichen und therapeutischen Verfahren und Kontexten ein praktisches Wissen um das Zwischenmenschliche entsteht. Dieses quer zu disziplinären Grenzen verlaufende Praxiswissen um das Zwischenmenschliche verdichtet sich schließlich, so eine zentrale Vermutung des Projekts, innerhalb der angewandten und Wirtschaftspsychologie der 1970er Jahre im bis heute äußerst wirkmächtigen Konzept der sozialen Kompetenz. In der anbrechenden „Gesellschaft der Singularitäten“ (Reckwitz) wird diese in psychologischen Ratgebern, in Testverfahren für die Personalauswahl und in der Unternehmensberatung fortan als zentrale Anforderung an das Selbst ausgerufen.

Forschungsschwerpunkte

Wissenschaftsgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, inbes. Geschichte und Praxeologie der Psy- und Sozialwissenschaften; demokratische Selbst- und Sozialtechnologien, Change Management 

Vita

  • Seit 4/2020: Ass. Mitglied am Max-Weber Kolleg, Universität Erfurt
  • 11/2019: Promotion zum Dr. phil., Fachbereich Geschichte & Soziologie, Universität Konstanz, Titel der Arbeit: „Psychologie des Feldes. Kurt Lewin und die Genese der Gruppendynamik“
  • 2013–2019: Wissenschaftliche Mitarbeiterin des Exzellenzclusters 16 „Kulturelle Grundlagen von Integration“, Universität Konstanz
  • 2013: 6-monatiger Fellowship am German Historical Institute, Washington D.C.
  • 2004–2012: Studium der Geschichte, Medien-, Kultur und Kommunikationswissenschaften in Weimar, Lyon, Konstanz und Berkeley, CA

Stipendien und Auszeichnungen

  • 2020: Zuspruch eines 12-monatigen Postdoc-Initialisierungsstipendiums (TMWWDG), Universität Erfurt
  • 09/2019: Druckkostenzuschuss des Exzellenzclusters der Universität Konstanz für die Publikation der Dissertation in der Reihe Historische Wissensforschung bei Mohr Siebeck, Tübingen
  • 6–10/2019: Überbrückungsstipendium des Gleichstellungsrats der Universität Konstanz
  • 3–5/2019: Abschlussstipendium, Ausschuss für Forschungsfragen (AFF) der Universität Konstanz
  • 2018: Kooperation mit Dr. Ronny Regev (Hebrew University of Jerusalem) zum Thema „Wissen in der Migration“, gefördert durch MEiN, Universität Konstanz
  • 2013–2017: Ideelle Promotionsförderung durch die Studienstiftung des deutschen Volkes
  • 2013: Max Dessoir Preis für herausragende Arbeiten in der Geschichte der Psychologie, verliehen durch die Fachgruppe „Geschichte der Psychologie“ der deutschen Gesellschaft für Psychologie

Publikationen

Monographien/Herausgeberschaften

  • Psychologie des Feldes. Kurt Lewin und die Genese der Gruppendynamik (Historische Wissensforschung), Tübingen [in Vorbereitung].
  • zus. mit Bernhard Kleeberg (Hg.): Wahrheit zurichten. Über Sozio- und Psychotechniken, Tübingen [im Erscheinen].
  • Subjekte im Experiment. Zu Wilhelm Wundes Programm einer objektiven Psychologie (Beiträge zur Geschichte der Psychologie, 28), Frankfurt am Main, 2016.

Aufsätze

  • „Von Nazis und Nieren. Demokratische Gruppendynamik bei Kurt Lewin“, in: Nora Binder, Bernhard Kleeberg (Hg.): Wahrheit zurichten. Über Sozio- und Psychotechniken, Tübingen [im Erscheinen
  • „Künstliche Fälle – Inszenierungen in der Sozialpsychologie Kurt Lewins“, in: Mittelweg 36, Sonderheft zur Epistemologie der Gruppe, 28/29, 6 (2020), S. 68–91.
  • Rez. zu David Kuchenbuch, Das Peckham Experiment. Eine Mikro- und Wissensgeschichte des Londoner ‚Pioneer Health Center‘ im 20. Jahrhundert, Böhlau 2014, in: Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 39, 1 (2016), S. 113–114.
  • „Der geschulte Blick des experimentellen Subjekts. Zur Epistemologie der Selbstbeobachtung in Wilhelm Wundts objektiver Psychologie“, in: Wolfgang Mack et al. (Hg.): Behaviorismus und Erkenntnistheorie im psychologisch-historischen Kontext, Frankfurt M. 2014, S. 247–260.