Jacopo Strada (etwa 1515–1588), Antiquar, Architekt und Antikenhändler, schuf Mitte des 16. Jahrhunderts für seinen Patron Johann Jakob Fugger ein 30 Bände umfassendes Corpus, das Magnum ac Novum Opus (MaNO). Das Projekt führt das numismatische Corpus Jacopo Stradas zusammen, analysiert es in seinem historischen und künstlerischen Kontext, erforscht die Quellen und arbeitet dessen Bedeutung für die Wissenschaftsgeschichte der Numismatik und der antiquarischen Forschung im 16. Jahrhundert heraus.
Ansprechpartner: Dr. Volker Heenes und Dr. Dirk Jacob Jansen
Das Forschungs- und Erschließungsprojekt des Sammlungs- und Forschungsverbunds Gotha befasst sich mit Gotha als europaweit vernetztem Zentrum der Naturforschung. Um 1800 entstanden in Gotha Forschungen und Sammlungen zur Astronomie und Geodäsie, zu Mineralogie und Paläontologie, zur Konchyliologie und Ornithologie. Das Projekt fragt danach, welche Erkenntnisse dabei gefunden wurden, welche Akteur*innen daran beteiligt waren und welche Geltung die Gothaer Forschung innerhalb gelehrter Netzwerke beanspruchen konnte.
Ansprechpartner: Dr. Olaf Simons
Gegenstand des Projektes ist die quellennahe Analyse der landesherrlichen Finanzen des Herzogtums Sachsen-Gotha und Altenburg im späten 17. und im 18. Jahrhundert. Im Mittelpunkt steht die langfristige Entwicklung der herzoglichen Einnahmen und Ausgaben im institutionellen Rahmen der Gothaer Finanzverwaltung verbunden mit der Tiefenanalyse ausgewählter Bereiche der Einnahmen und Ausgaben.
Ansprechpartner: Dr. Holger Kürbis
Mitten im Florenz des 15. Jahrhunderts, zur Zeit des Aufstiegs der berühmten Medici – von Cosimo dem Alten über seinen Sohn Piero il Gottoso (den Gichtigen) bis zu Lorenzo dem Prächtigen – schreibt Matteo Palmieri (1406-1475), Florentiner Politiker und Humanist, in der Sprache des Volkes, also italienisch, einen Leitfaden, wie sich ein Bürger seiner Zeit am Tadellosesten zu verhalten habe.
Hierzu greift er fortgesetzt auf Gedanken der Antike zurück, insbesondere auf Cicero und Aristoteles, die er auf verblüffend freie, unbekümmerte Weise den Bedürfnissen seiner eigenen Zeit angleicht. Er wird damit zu einem wichtigen Mittelglied italienischer Denkbewegungen, die von Dante über Petrarca und Boccaccio bis zu Castiglione und Machiavelli reichen. In seinem speziellen Genre hat Palmieris Buch in seiner Epoche nicht seinesgleichen.
Im Rahmen des Projekts wird zu der schon vorliegenden zweisprachigen Druckfassung des Textes eine achtzig bis hundert Seiten lange Einleitung verfertigt.
Ansprechpartner: Peter Michael Schenkel, M.A.
Finanzierung: DFG-Förderung
Laufzeit: November 2021 bis April 2022
My research project at the Max Weber Kolleg and the Forschungszentrum Gotha in collaboration with Forschungsbibliothek Gotha is a part of the international research project ‘Natural Law 1625-1850’ under direction of Prof. Dr. Knud Haakonssen, Dr. Frank Grunert and Prof. Dr. Diethelm Klippel.
My work and research has a twofold aim. First, I am developing and implementing a prosopographical data model concerning early modern natural law scholars with the specific aim of creating a database that can benefit all researchers and students with interest in early modern natural law and its institutional, social and political setting. The database is first and foremost a detailed open reservoir of information that contains not only structured biographical and bibliographical data but also links to digitalised source material as well as commentaries made by individual specialists. Building upon this reservoir, a long-term goal is to develop and implement analytical visualisation tools in the database, so users easily can conduct both general and specialised data explorations. The creation of such a database is in essence a transnationally collaborative and open-ended digital enterprise, which also means that populating and expanding the database rely on contributions from the already established research networks within the Natural Law 1625-1850 project and on widening the circle of contributors in the field. The basic aim of the database is thus to provide an essential tool for the Natural Law project to compile and structure data and conduct research on early modern natural law scholars, their works and their institutions.
Within this research framework and on the basis of the Natural Law database, I am conducting a comparative study of the disciplinary differences in natural law teaching at a selected number of German and Scandinavian universities; i.e. I am examining what kind of natural law was taught in which faculty at each of these universities during the late seventeenth and early eighteenth centuries. By studying academic-institutional sources (e.g. lecture catalogues, student matriculations, consistorial accounts), as well as educational sources (e.g. text books, lectures, notes), I wish to analyse the disciplinary shifts and displacements of natural law teaching during the early modern period, and to what extent these disciplinary displacements correlate with the intellectual-historical development of natural law that is described in the current historiography. By examining who taught what where, and how and why this changed through time and space, my main research aim is to place and trace the academic teaching of natural law in its historical and institutional context, thereby making an important historical contribution to the study of natural law.
Ansprechpartner: Dr. Mikkel Munthe Jensen
Laufzeit: 01.01.2018–30.06.2020
Bild: Vignette from Pufendorf: De officio hominis et civis, Utrecht 1752.
Im Verbundprojekt "[NUMiD] Geschichte prägen / Werte bewahren" setzen die Universitäten in Düsseldorf, Erfurt und Frankfurt/M., unterstützt vom Münzkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin sowie in enger Kooperation mit 25 universitären Münzsammlungen aus ganz Deutschland, ein gemeinsames Forschungs-, Lehr- und Verwertungskonzept im Bereich der sammlungsbasierten Numismatik um. Der Verbund bildet einen Cluster weltweit einmaliger, innovativer Grundlagen- und Spitzenforschung. Das Projekt fragt in dreifacher Hinsicht danach, wie Münzen Geschichte prägen und Werte bewahren: die Frage bezieht sich erstens auf die Art und Weise, wie Münzen der griechisch-römischen Antike in ihrer Doppelfunktion als Geld und Kommunikationsmedium Geschichte geprägt und Werte bewahrt haben; zweitens darauf, wie universitäre Kollektionen über ihre neuzeitliche Sammlungsgeschichte hinweg an und mit ihren numismatischen Beständen in Forschung, Lehre und Öffentlichkeitsarbeit Geschichte prägen und Werte' bewahren konnten; und sie nimmt drittens die aktuellen Herausforderungen in den Blick, heute und in Zukunft mit richtungsweisenden Modellen datenbankgestützter Grundlagendokumentation, innovativer Lehre und zielgerichteter Öffentlichkeitsarbeit Geschichte zu prägen und Werte zu bewahren.
Ansprechpartner: Prof. Dr. Martin Mulsow
Finanzierung: BMBF
Laufzeit: 01.01.2018–31.03.2020
‘Reaching for Atlantis’ focusses on telling the history of objects that were subject to the massive reinterpretation of material culture under the Swedish Empire (ca. 1650–1720). Establishing a digital repository will allow to bring together contemporary as well as previous and later contextualisations of selected objects. Opening up a diachronic view on their multi-layered ‘cultural biographies’ with the help of a digital visualisation, the project will break new ground to make objects the oculars of paradigmatic shifts in antiquarianism and the pre-Linnaean history of science, permitting deep insights into the social dimensions and epistemological frameworks of early modern collecting. The project is funded by the VolkswagenStiftung (Freigeist Fellowship).
contact: Dr. Bernhard Schirg
May 2018 - April 2023, affiliation with Erfurt university until October 2020, from June 2021 affiliation with Hamburg university
Das Forschungsprojekt besteht aus zwei Partnerprojekten, die parallel in Frankreich (gefördert von der ANR) und in Deutschland (gefördert von der DFG) durchgeführt werden. Ziel des Forschungsprojekts ist die systematische Erfassung, Klassifikation und Analyse von in der Äthiopien-Forschung vielfach unbekannten historischen Karten aus und zu Äthiopien. Funde von auch den beteiligten Forschern noch völlig unbekanntem Kartenmaterial, das wichtige kulturhistorische und historische Einsichten bieten wird, sind dabei zu erwarten. Damit wird nicht nur eine Lücke in der globalen Kartografiegeschichte geschlossen, sondern auch ein wichtiger Beitrag zum Erhalt von indigenem territorialem Wissen geleistet, das vor allem in der Phase vor der Kolonialisierung in die aufgrund von lokaler Mitarbeit entstandenen Karten eingeflossen ist, und damit von originalem afrikanischem Kulturerbe. Dies ist auch ein Beitrag zum „Nation-Building“ in Äthiopien, da dort verlässliches Material zur soziopolitischen Territorialgeschichte kaum existiert. Das Projekt verbindet digitale Methoden mit historisch gewachsener Nordostafrika- bzw. Äthiopienforschung und einem Fundus historischer Kartenarchivschätze, die weitgehend unbearbeitet sind. Ziel ist die Publikation eines Buches, das die wichtigsten Karten dokumentiert, analysiert und indexiert, und eine von den französischen Partnern verantwortete, in Zusammenarbeit mit den deutschen Partnern zu erstellende digitale Datenbank zur Dokumentation und Indexierung von für die Forschung wichtigem Kartenmaterial.
Weitere Informationen finden Sie auf LA LETTRE De L'EHESS.
Laufzeit: 01/2016 – 01/2019
Finanzierung: DFG
Kooperationspartner:
École des Hautes Études en Sciences Sociales (EHESS), Paris - Hauptpartner durch ANR-Finanzierung des französischen Partnerprojektes
Forschungszentrum und Forschungsbibliothek Gotha der Universität Erfurt
Mekelle University, Tigray, Äthiopien
Max-Planck-Institut für Ethnologie, Halle/Saale
Centre français des études éthiopiennes (CFEE), Addis Abeba, Äthiopien
Hiob-Ludolf-Zentrum für Äthiopistik, Universität Hamburg
Bearbeiter/innen:
Dr. Eloi Ficquet (Projektleiter / EHESS, Paris)
Assoc.-Prof. Dr. Wolbert Smidt (Projektleiter / Mekelle University, Äthiopien)
Prof. Dr. Iris Schröder (stellv. Direktorin des Forschungszentrums Gotha / Universität Erfurt)
Fesseha Berhe (Department of History and Heritage Management / Mekelle University, Äthiopien / Herzog-Ernst-Stipendiat am Forschungszentrum Gotha 2016)
Publikation: Eine Publikation ist in Vorbereitung.
Bild: Äthiopien, Ausschnitt aus: Hermann Berghaus, Chart of the World, 6. Auflage, Gotha: Justus Perthes 1871, © Forschungsbibliothek Gotha der Universität Erfurt.
Um 1700 avancierte ,Philadelphia’, die Vorstellung eines konfessionsübergreifenden Bundes der ,Kinder Gottes’, zu einem verbreiteten Ideal des deutschen Pietismus. Die Idee wurde vor allem durch die Anhänger der englischen Gemeinschaft der ,Philadelphier’ propagiert. Die Forschung vermutet seit Langem, dass die englischen Philadelphier wesentlichen Einfluss sowohl auf den radikalen Pietismus und die Herrnhuter als auch auf breitere gesellschaftliche Debatten im Alten Reich besaßen. Doch um welche Einflüsse handelte es sich dabei genau? In der Forschungsbibliothek Gotha liegt – von der Forschung nahezu unberührt – ein geographisch angeordneter ,Catalogus amicorum in Germania’, der den Philadelphiern als Ausgangspunkt für ihre deutsche Mission diente, zusammen mit einem Briefkonvolut dieser Gruppe. Hinzu kommen wichtige Bestände in anderen Archiven, die ebenfalls bei Wissenschaftlern wenig Beachtung gefunden haben.
Ausgehend von diesen Quellen wird das Projekt das frühe Netzwerk der Philadelphier zwischen England und Deutschland sowie die soziale und kulturelle Vermittlungsrolle ihres Gedankenguts rekonstruieren. Ein besonderes Augenmerk soll dabei auf die Rolle der Sprache gerichtet werden: Viele deutsche Zeitgenossen sahen die Sprache der Philadelphier – die letztendlich durch Übersetzungen aus dem Englischen entstanden war – als die pietistische Sprache schlechthin. Doch gilt es noch zu präzisieren, welchen sprachlichen und kulturellen Beitrag die Gruppe tatsächlich geleistet hat. Das Projekt möchte somit die Entstehung der als identitätsstiftend empfundenen Sprache des Pietismus am Beispiel der deutschen Philadelphier eruieren und dabei untersuchen, welche Rolle Übersetzungen im Dienst des kulturellen Transfers gespielt haben.
Ansprechpartnerin: Dr. Lucinda Martin
Finanzierung: DFG
Laufzeit: 07/2014 – 07/2017
Bild: Seite aus dem "Catalogus amiconi in Germania" der Philadelphia Society, 1702, FB Gotha Chart A297, 7.
gefördert im Rahmen des HERA-Projektes „Encounters with the Orient in Early Modern Scholarship“, in Kooperation mit Prof. Charles Burnett (The Warburg Institute, London UK), Dr. Jan Loop (University of Kent at Canterbury, UK), Prof. Bernd Roling, Freie Universität Berlin), Prof. Outi Merisalo (University Jyväskylä, Finland), Prof. Gerard Wiegers, (University of Amsterdam).
Laufzeit: 3 Jahre, 2013–2016
Johann Gerhard, orientalistisch gebildeter Theologe und einer der führenden Lutheraner in Deutschland, hielt das Hebräische für die „matrix omnium aliarum linguarum“; auf den neueren Idiomen laste die Erbsünde von Babel, nur auf denen der Semiten nicht, denn sie hatten am Turmbau nicht mitgewirkt. Gerhards Sohn, Johann Ernst Gerhard d.Ä. (1621–1668), lenkte denn auch schon früh sein Interesse auf diese „semitischen“ Sprachen. Mit 26 Jahren, 1647, gab er Wilhelm Schickards hebräische Grammatik neu heraus und verfasste als Anhang eine eigene Harmonia linguarum orientalium, scil. Chaldaicae, Syriacae, Arabicae, Aethiopicae cum Ebraica. Es ist die Zeit, in der sich in der Forschung gerade so etwas wie eine semitische Sprachfamilie abzeichnet: Christian Rave veröffentlicht 1648 seine Generall Grammer for the Ebrew, Samaritan, Calde, Syriac, Arabic, and Ethiopic Tongue.
Für Johann Ernst Gerhard gibt es eine ungewöhnlich günstige Quellenlage: In der Forschungsbibliothek Gotha sind nicht nur seine Druckwerke und die 6000 Bände umfassende Bibliothek (von ihm und seinem Vater) erhalten, sondern auch 1450 Briefe an ihn, Notizhefte, das Reisetagebuch seiner Peregrinatio academica sowie die annotierten Wittenberger Dissertationen. Zudem ist uns von privater Seite das Stammbuch zugänglich gemacht worden, das er auf der Peregrinatio geführt hat. Dadurch bietet es sich an, an ihm exemplarisch den Typus des theologisch geprägten Orientalisten zu untersuchen.
Seit 1644 verband Gerhard eine Freundschaft und ein enger Briefaustausch mit Hiob Ludolf, dem drei Jahre jüngeren – damals zwanzigjähigen – Erfurter Studenten, der sich wie er für orientalische Sprachen und insbesondere für das Äthiopische interessierte. Ludolf studierte ab 1646 in Leiden bei Jacob Golius und Contantin L’Empereur und reiste danach nach Paris, als Hauslehrer bei Grotius’ Nachfolger als schwedischer Gesandter in der französischen Hauptstadt, Baron Schering von Rosenhahn. Nachdem Rosenhahn ihn nach Rom geschickt hatte, wo Ludolf in Kontakt mit Äthiopiern kam, folgte Ludolf um 1650 seinem Herrn nach Ninköping und Stockholm, wo sich zahlreiche Gelehrte im Kreis von Königin Christina versammelt hatten, nicht zuletzt die Sprachforscher Christian Rave und Samuel Bochart. Von dort aus empfahl Ludolf seinen Freund Gerhard bei zahlreichen Orientalisten in den Niederlanden, als dieser im Frühjahr 1650 zu seiner eigenen peregrinatio academica ansetzte.
Nach seinem Studium in Wittenberg und seiner Peregrinatio nach Holland, Frankreich und in die Schweiz machte Gerhard zunächst Karriere als Theologe an der Universität Jena. Er publizierte zur Evangelienharmonie und zu zahlreichen exegetischen und theologischen Einzelfragen. Erst Mitte der 1660er Jahre kam er zu seinen orientalistischen Interessen zurück. Und das mit zwei gleichzeitig verfolgten Publikationsreihen: In der ersten beleuchtet er die verschiedenen orientalischen Kirchen; die zweite war noch ambitionierter, denn sie führte über den Kreis der orientalischen Kirchen hinaus, indem sie die Religionen der ganzen Welt zu traktieren sich bemühte.
Finanzierung: HERA
Laufzeit: 2013 - 2016
Bearbeiter: Dr. Asaph Ben-Tov
Weiteres auf:
HERA-Projekt „Encounters with the Orient in Early Modern Europe“
Asaph Ben-Tovs J.E. Gerhard-Blog
Publikation:
Als erste Frucht des HERA-Projekts erschien im Februar 2017 bei Brill in Leiden der Sammelband “The Teaching and Learning of Arabic in Early Modern Europe”, herausgegeben von Jan Loop, Alastair Hamilton und Charles Burnett. Anhand von 13 Fallstudien bietet dieser Band einen innovativen Einblick in die Anstrengungen frühneuzeitlicher Europäer, die arabische Sprache zu beherrschen. Wie das HERA-Projekt im Allgemeinen, so sind auch die sorgfältigen Fallstudien in diesem Band bemüht, die zeitgenössischen Zusammenhänge zu erläutern, die das Erlernen einer schwierigen orientalischen Sprache ermöglichten und prestigeträchtig machten – auch in Teilen Europas der Frühen Neuzeit, wo dieses Wissen keinem unmittelbaren praktischen Zweck diente. Das Buch ist auch per Open Access zugänglich.
Zur Webseite des Brill Verlages
Bild: Johann Ernst Gerhard (1621-1668), aus Leichenpredigt.
Leben und Werk des baltisch-deutschen Schriftstellers und Publizisten Garlieb Merkel (1769-1850) sind aus zwei Perspektiven international bedeutsam:
Aus Sicht der Germanistik gilt Merkel aufgrund seines Wirkens in Deutschland 1796-1806 als interessante, dabei aber ambivalente Figur, weil er einerseits ein befreundeter Mitstreiter von namhaften Schriftstellern wie Herder, Wieland und Seume, andererseits aber zugleich einer der hartnäckigsten Widersacher der vor allem in Jena beheimateten (Früh-) Romantiker wie auch Goethes gewesen ist. Unbestritten sind seine Verdienste als »Erfinder des deutschen Feuilletons« während seiner Jahre als Publizist in Berlin (1799-1806).
Aus Sicht der Baltisten und Osteuropa-Historiker steht Merkel als wirkungsvollster Vertreter der (Spät-) Aufklärung in Livland in hohem Ansehen, vor allem im Baltikum selbst, weil er sich erst durch seine aufsehenerregende Streitschrift Die Letten vorzüglich in Liefland am Ende des philosophischen Jahrhunderts (1796), später dann durch seine historischen Abhandlungen, Übersetzungen und sein jahrzehntelanges publizistisches Wirken in Riga als beredter Fürsprecher der autochthonen Bevölkerung große Verdienste um Selbstbestimmung, Sprache, Geschichte und Kultur der Letten und Esten erworben hat.
Im Vorfeld des 250. Geburtstages von Merkel wird nun der weitgespannte, überwiegend unveröffentlichte Briefwechsel Merkels mit seinen deutschen wie livländischen Freunden und Korrespondenten in toto ediert und im Herbst 2019 in der edition lumière (Bremen) publiziert. Das Projekt leistet derart einen flankierenden Beitrag zu den parallel verlaufenden Forschungen über »Gotha um 1800«.
Zur Projektseite
Ansprechpartner: Dr. Dirk Sangmeister
Finanzierung: Ernst-Abbe-Stiftung (Jena)
Laufzeit: 1. September 2017 – 31. August 2019
Johann Gottfried Seumes freimütige Autobiographie Mein Leben gehört zu den bedeutendsten Memoiren aus der sogenannten »Goethezeit«, ist bis heute aber nur in der aus Furcht vor der Zensur und Kritik gekürzten und geglätteten Fassung bekannt, die der Verleger Georg Joachim Göschen drei Jahre nach dem Tod seines Freundes 1813 herausgegeben hat. Alle seitdem verfügbaren Werk- und Einzelausgaben wie auch sämtliche literaturhistorischen Darstellungen und philologischen Studien beruhen auf dieser damals verstümmelten Fassung.
Dabei hat Seumes originales Manuskript seiner Lebensgeschichte die widrigen Zeitläufte durchaus überdauert: Die früher zeitweise in Besitz von Stefan Zweig befindliche Handschrift gehört heute zu den reichen Beständen der Bibliotheca Bodmeriana in Cologny bei Genf, die nunmehr mit dem Forschungszentrum die Erarbeitung einer textkritischen und ausführlich kommentierten Edition des kompletten Manuskriptes vereinbart hat. Diese erstmals ungekürzte Ausgabe ist im Januar 2018 im Wallstein Verlag (Göttingen) erschienen.
Ansprechpartner: Dr. Dirk Sangmeister
Finanzierung: Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur (Hamburg)
Laufzeit: 01/2017 – 08/2017
Forschungsbibliothek und Forschungszentrum Gotha führen in einem dreijährigen, vom Thüringer Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur geförderten Vorhaben sammlungsbezogene Forschungen zu der frühneuzeitlichen Bildungsgeschichte durch. Grundlage dafür sind die zwischen 1640 und 1732 durch das Herzoghaus Sachsen-Gotha-Altenburg gesammelten bildungsgeschichtlichen Quellen, die heute in den verschiedenen Institutionen im Schloss Friedenstein (Forschungsbibliothek, Thüringisches Staatsarchiv Gotha, Stiftung Schloss Friedenstein) sowie im Stadtarchiv Gotha aufbewahrt werden. Ziel des Vorhabens ist es, die bislang nahezu unbekannten Sammlungsbestände in ihrer Genese und ihrem Zusammenhang für Forschung und Öffentlichkeit sichtbar zu machen und ihre Potentiale für die europäische historische Bildungsforschung exemplarisch aufzuzeigen. Erkenntnisleitend ist die Frage nach der Genese und dem Wandel vormoderner Schul- und Bildungsstrukturen als Grundlage von bzw. in Wechselwirkung zu frühneuzeitlichen Kulturen gelehrten Wissens. Dabei steht eine praxis- und akteursbezogene Perspektive im Zentrum.
Das Projekt soll in zwei eng aufeinander bezogenen Teilprojekten umgesetzt werden, in denen die Quellen auf der Grundlage von zwei Pilotstudien qualifiziert und eine Forschungsinfrastruktur konzipiert wird (Gotha Portal zur Bildungsgeschichte der Frühen Neuzeit, Digitales Repertorium). Diese umfasst Publikationen, Drittmittelprojekte, Workshops und Tagungen. Angestrebt wird eine nachhaltige Profilbildung zur Bildungsgeschichte der Frühen Neuzeit am Forschungsstandort Gotha.
Leitung:
Dr. Kathrin Paasch, Forschungsbibliothek Gotha
Prof. Dr. Martin Mulsow, Forschungszentrum Gotha (seit 01.08.2015)
Prof. Dr. Alexander Schunka, Jun.-Prof. Forschungszentrum Gotha (bis 31.07.2015)
Wissenschaftliche Mitarbeiter/innen:
Dr. Shirley Brückner (bis 31.05.2017)
Jens Nagel M.A. (bis 31.05.2017)
Ehemalige Mitarbeiter:
Bild: Sigismund Evenius: Christliche, Gottselige Bilder-Schule. Jena 1636, FB Gotha Theol 8° 371/5.
Ziel des 1776 gegründeten Illuminatenordens waren die Aufklärung und sittliche Vervollkommnung seiner Angehörigen; erreicht werden sollte dies durch die Vermittlung von Wissen und die (Aus-)Bildung der Mitglieder durch ihre Ordensoberen in verschiedenen „Classen“ und geheimen Gradstufen. Die bisherige Forschung zu den Illuminaten hat sich daher überwiegend auf die Organisationsstruktur sowie auf das sogenannte ‚Höhere Wissen‘ des Ordens als sein eigentliches Arkanum konzentriert. Als Dokumente des Ordens kannte man folglich bislang vor allem Druckschriften, Gradentwürfe und die Korrespondenz der führenden Mitglieder untereinander; der zeitliche Schwerpunkt lag dabei in den Jahren bis zum Verbot des Ordens in Bayern 1784/85.
Demgegenüber steht bei dem seit Herbst 2013 am Forschungszentrum Gotha verfolgten Projekt ein ganz neues, bisher von der Forschung noch kaum beachtetes Quellenkorpus im Mittelpunkt: Es handelt sich dabei um rund 150 ungedruckte Aufsätze aus den Jahren 1783-1787, die im Nachlass Johann Joachim Christoph Bodes (1731-1793), der sogenannten „Schwedenkiste“, überliefert sind. Das Themenspektrum dieser Texte, die zum großen Teil bei den Zusammenkünften mitteldeutscher Illuminaten verlesen wurden, ist breit gefächert: Es reicht von der Epistemologie und der praktischen Philosophie über weltanschaulich-moralische Fragen bis hin zu wirtschaftlichen und sozialen Reformvorschlägen. Die Aufsätze spiegeln damit in der Summe ihrer Diversität die Interessen der spätaufklärerischen Öffentlichkeit wider und ermöglichen somit einen Einblick nicht nur in aufklärerisch motivierte Reformbestrebungen der Illuminaten, sondern auch in die Möglichkeiten und Reichweite sogenannter ‚Volksaufklärung‘, die speziell in Gotha eines ihrer Zentren hatte.
Aus der Auswertung dieses einzigartigen Quellenmaterials und seiner Einbettung in benachbarte Quellen wie die Protokolle der Gothaer „Minervalkirche“ und die geheime Korrespondenz zwischen den örtlichen Mitgliedern der niederen Grade und ihrem ‚Unbekannten Oberen‘ Bode ergibt sich die Chance, sowohl die kommunikative Praxis innerhalb des Illuminatenordens als auch die Beziehungen der internen Debatten zu allgemeinen Diskursen der deutschen Spätaufklärung weit tiefgehender als bisher zu erforschen. Das Korpus verändert radikal den Blick auf den Orden: nicht mehr Geheimnis, Exklusivität und Gradordnung stehen jetzt im Mittelpunkt der Analyse, sondern alltägliche Ordenspraxis, Mitgliederführung und das Verhältnis zu den Institutionen und Themen der öffentlich sichtbaren Aufklärung. Die Diskussionskultur innerhalb der lokalen Gruppierungen kann durch den Abgleich der Aufsätze mit anderen Quellen mikrohistorisch minutiös kontextualisiert werden. So nah wie man hier an und in den Illuminatenorden kommen kann, war dies bisher nicht denkbar. Dem Nimbus des Nebulösen und Verschwörerischen, der dem Illuminatenorden und seinen Mitgliedern nach wie vor anhaftet, kann damit durch seriöse, quellenbasierte Forschung auf einer neuen Ebene begegnet werden. Auf der anderen Seite können die Aufsätze – oft fand ein Thema mehrere konkurrierende Bearbeiter – miteinander sowie mit publizierten Schriften des ‚öffentlichen‘ Diskurses in Beziehung gesetzt werden, so dass eine Topographie von Debatten sichtbar wird und neues Licht auf die Spätaufklärung als Ganzes fällt.
Mit der Anbindung an das Forschungszentrum Gotha kehrt unser Projekt geographisch an den Ort zurück, an dem die meisten Aufsätze entstanden und für den wir die Vernetzung von Sozietäten, Bürgern und Hof am dichtesten beschreiben können. Mit dem Aufbau einer Forscher aus aller Welt zur Partizipation einladenden Internetplattform, der The Gotha Illuminati Research Base, arbeiten wir im selben Moment daran, den Standort Gotha mit seinen reichhaltigen Archiv- und Bibliotheksbeständen zu einem Zentrum der Illuminatenforschung auszubauen.
Ansprechpartner:
Finanzierung: DFG
Laufzeit: 2013 - 2016
Bild: Quelle aus der "Schwedenkiste".
In der Messestadt Leipzig sind in der Vergangenheit nicht nur viele Bücher gedruckt, verlegt und verhandelt, sondern auch viele Bücher, die in den Augen der Obrigkeit gegen die Gebote von Religion und Staat oder »die guten Sitten« verstießen, verboten und beschlagnahmt worden. Viele der seinerzeitigen Bücherverbote sind dokumentiert in zahllosen Akten der Leipziger Bücherkommission, die das Stadtarchiv Leipzig verwahrt, sowie in den damit korrespondierenden Faszikeln des Dresdner Oberkonsistoriums und des Geheimen Konsiliums der Sächsischen Landesregierung, die im Sächsischen Hauptstaatsarchiv in Dresden überliefert sind; auch im Stadtarchiv Dresden hat umfangreiches Material zu Bücherverboten und Konfiskationen in der Residenz die Zeitläufte überdauert.
Ziel des Forschungsprojektes ist es, anhand dieser enorm umfangreichen, zum Teil noch nicht fein erschlossenen und von der Forschung mehrheitlich bislang nicht berücksichtigten Aktenbestände in Leipzig und Dresden eine bibliographie raisonnée zu erarbeiten, die nicht nur das Corpus der in Sachsen zwischen 1750 und 1850 verbotenen Bücher erfaßt, sondern nach Möglichkeit auch die Verfasser der meist an- oder pseudonym erschienenen Werke benennt, die oft unvollständigen Impressen ergänzt und die Fingierungen bei maskierter Literatur auflöst, die gezielt Auskünfte über Daten, Gründe und Hintergründe der Verbote gibt und die schließlich auch zwecks weitergehender Forschungen präzise auf die dazugehörigen Archivalien verweist. In einem zweiten Verzeichnis werden ergänzend all diejenigen Werke aufgelistet werden, die seitens der Bücherkommission – teils aufgrund inhaltlicher Bedenken, teils wegen Verstößen gegen Privilegien oder Urheberrechte – in Leipzig über rund 100 Jahre hinweg beschlagnahmt und weggeschlossen worden sind, in summa mehr als 70.000 Exemplare, die im Jahre 1870 fast ausnahmslos vernichtet worden sind, indem sie auf Geheiß des Stadtrates zu Dachpappe verarbeitet wurden.
Da seit einigen Jahren durch ein von Prof. Dr. Norbert Bachleitner (Universität Wien) geleitetes Projekt das Corpus der in Österreich in der Zeit 1750-1848 verbotenen Literatur erschlossen und aufbereitet worden ist, dessen bibliographischen Ergebnisse bereits in Form einer Datenbank [Link: https://www.univie.ac.at/censorship/info.php] veröffentlicht worden sind, wird es nach Abschluss beider Projekte möglich sein, die Zensur- und Verbotspraxis sowie die Grenzen von Meinungs- und Pressefreiheit in zwei der führenden Territorien im deutschsprachigen Raum vergleichend in den Blick zu nehmen und derart grundlegende Erkenntnisse zum Buchdruck und -handel im deutschsprachigen Raum von der Aufklärung bis zum Vormärz zu erhalten. Zugleich wird eine Fülle von klandestiner, heterodoxer, satirischer, politisch avancierter oder nachgerade revolutionärer und erotisch-pornographischer Werke aus dem Souterrain und dem Untergrund der Literatur sichtbar werden, die seinerzeit konfisziert worden, demzufolge vielfach nur spärlich überliefert und deshalb zum Teil bis heute unbeachtet geblieben sind.
Ansprechpartner: Dirk Sangmeister
Finanzierung: Gerda Henkel Stiftung, Düsseldorf
Laufzeit: 2015 – 2016
Bild: Titelkupfer zum Index librorum prohibitorum von 1711, via Wikimedia Commons.
Johann Friedrich Blumenbach (1752–1840) ist in der heutigen Zeit vor allem als Begründer der physischen Anthropologie bekannt. Sein Tätigkeitsfeld umspannte jedoch das, was im 18. Jahrhundert "Naturgeschichte" benannt wurde. Neben seiner eigentlichen Profession als Mediziner wäre er nach heutigem Sprachgebrauch daher als Anthropologe, Physiologe, Zoologe, Mineraloge und Geologe zu bezeichnen. Auch in der Ägyptologie hat er Spuren hinterlassen. In der gegenwärtigen Diskussion konzentrieren sich freilich die Interessen vornehmlich auf seine anthropologischen Arbeiten und seine Theorie des Bildungstriebes.
Während die erwähnten Tätigkeitsfelder anhand der einschlägigen Publikationen der Wissenschaft zugänglich sind, fehlte es lange Zeit an der Erschließung seiner Korrespondenz. Sie lässt Blumenbach in seiner Tätigkeit als Wissenschaftler und Lehrer unmittelbar hervortreten. Bei einer über sechzigjährigen Lehrtätigkeit an der Göttinger Universität kreuzen sich in seiner Person zahlreiche Linien und lassen ihn als einen Knotenpunkt im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert erkennen. In dieser Vernetzung überschreitet Blumenbach die engen Grenzen seiner Fächer und gewinnt allgemeine kulturgeschichtliche Bedeutung. Die Korrespondenz wirft jedoch nicht nur ein erhellendes Licht auf Blumenbachs Einbindung in den umfangreichen brieflichen Austausch der Zeit, sondern auch auf seine Korrespondenten und lässt mitunter Sachverhalte erst zureichend verstehen, die, soweit Briefe überhaupt vorliegen, in Parallelüberlieferungen dunkel geblieben sind. Blumenbachs Korrespondenz ermöglicht deshalb die Korrektur mancher vorhandener Auffassungen und Deutungen. In dieser kritischen Funktion besteht zum nicht geringen Teil die Bedeutung von Blumenbachs Briefwechsel.
Blumenbach wurde in Gotha geboren. Seine Familie war eng mit der dortigen herzoglichen Familie verbunden. Zeitlebens hat er diese Bindung gepflegt. Immer wieder kehrte er in seine Vaterstadt zurück. Die enge Verbundenheit schlug sich auch in einem Briefwechsel mit den Mitgliedern des Fürstenhauses nieder. Diese Bindungen an seine Heimat und Vaterstadt wie auch seine Kindheit und Jugend in Gotha, obgleich dazu nur wenige Aussagen vorliegen, sind bisher noch nicht hinreichend beleuchtet. Gleichwohl hat Blumenbach in Gotha die entscheidenden Prägungen erfahren, die ihn schließlich zu dem werden ließen, was er dann geworden ist und was er der Welt noch heute ist. Dieser genius loci dürfte nicht ohne Einfluss auf die Edition des Briefwechsels von Johann Friedrich Blumenbach bleiben, die nun, gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft, in Gotha eine Heimat und Anbindung an das dortige Forschungszentrum gefunden hat.
Zur Verlagsseite der Blumenbach-Edition.
Finanzierung: DFG
Laufzeit: 2010 – 2015
Bearbeitet von: Dr. Norbert Klatt
Bild: Johann Friedrich Blumenbach (1752-1840).
Im Zuge des Wandels um 1700 hatte sich in Europa ein facettenreiches, bisher nur fragmentarisch erfasstes nonkonformes Milieu herausgebildet. Einer der besten Kenner dieses Milieus in den protestantischen Ländern war der lutherische Geistliche und Dissident Friedrich Breckling (1629−1711), dessen handschriftlicher Nachlass von der Forschungsbibliothek Gotha verwahrt wird. Seit 1660 im niederländischen Exil, wirkte er von dort aus als Anlaufstelle, Kommunikator und Info-Broker. Auf die Nachwelt gewirkt haben vor allem seine Beiträge für Gottfried Arnolds berühmte und weitverbreitete "Unpartheyische Kirchen- und Ketzerhistorie" von 1699/1700, die auch eine Rezeption bis in die Aufklärung möglich gemacht haben. Unter diesen Beiträgen sticht vor allem eine Liste sogenannter „Wahrheitszeugen“ des Frühpietismus heraus, die Breckling in kurzen Biographemen vorstellt und auf ihr religiöses Verdienst hin bewertet. Zum Verständnis und zur Analyse der hier greifbar werdenden Netzwerke des Nonkonformismus ist ein bisher völlig unerschlossener, geographisch geordneter Katalog aus dem Gothaer Nachlass noch besser geeignet, welcher die Hauptquelle des Projekts bildet.
Unter dem Titel „catalogus testium veritatis“ verzeichnet das Dokument auf 18 Seiten ca. 1050 Namen von Zeitgenossen, die nach 100 Orten und Regionen geordnet sind. Die Einträge sind unterschiedlich lang und geben verschiedene Informationen wieder. Es finden sich Angaben zu Beruf, Stand, Familienstatus, Adresse, weiteren Wohn- und Tätigkeitsorten, Hinweise auf die Beziehungen der Personen vor Ort untereinander, auf Publikationen und auf das spirituelle Spezialgebiet. Kreuze – oft nachträglich eingefügt – vermerken den Tod eines Aufgelisteten. Attribute („bonus“, „electus“, etc.), die manchen Namen mitgegeben sind, verweisen auf ein abgestuftes System der Wertschätzung. Ziel des Projekts ist es, diesen Informationsbestand in Form eines Handbuches zu präsentieren, in welchem die Personen – soweit möglich – bio-bibliographisch erfasst sind, Kartenmaterial interne und externe Vernetzungen aufzeigt und das Gesamtdatenmaterial einer Analyse und Auswertung unterzogen werden. Zwar liefert dieses einzigartige Dokument keine objektive Bestandsaufnahme des Pietismus um 1700, aber doch eine sehr reichhaltige Namensfülle aus dem nonkonformen Spektrum, die so noch nicht erschlossen wurde und daher für die Erforschung regionaler wie europäischer Konstellationen desselben von Bedeutung sein kann. Darüber hinaus werden parallel zum Handbuch alle nicht vor Ort in Gotha befindlichen Brecklingiana in Kopie oder Digitalisat zusammengeführt und einer Edition der Korrespondenz Brecklings (ca. 450 Briefe mit über 100 Personen aus dem Zeitraum von 1660 bis 1711) vorgearbeitet, um weitere Informationen zu einzelnen „Wahrheitszeugen“ zu gewinnen. Stücke aus dem Briefwechsel sollen das Handbuch ergänzen und die Beziehungen der Korrespondenzpartner untereinander und ihren Austausch veranschaulichen.
Eine Ausstellung zum 300.Todestag von Friedrich Breckling im Jahr 2011 präsentierte erste Ergebnisse des Projekts in Gotha und Halle einer breiteren Öffentlichkeit.
Ansprechpartner: Guido Naschert
Studentische Hilfskräfte: Dennis Vöste, B. A.; Kai H. Schwahn
Finanzierung: DFG
Laufzeit: 01/2010 – 12/2012
Bild: Friedrich Breckling, AFSt Halle BÖTT B 600.
Laufzeit
09/2012 – 02/2016
Finanzierung
Thüringer Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur, seit 12/2014 Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft: ca. 300.000 EUR
Antragsteller
Prof. Dr. Martin Mulsow, Direktor des Forschungszentrums Gotha
Prof. Dr. Susanne Rau, Professorin für Geschichte und Kulturen der Räume in der Neuzeit
Dr. Kathrin Paasch, Leiterin der Forschungsbibliothek Gotha und Stellvertretende Direktorin der UFB
Dr. Petra Weigel, wissenschaftliche Referentin der Forschungsbibliothek Gotha für die Sammlung Perthes
Kooperationspartner
Arbeitsgruppe
Norman Henniges, M.A. (07/2014 – 02/2016)
Dipl.-Inf. René Smolarski B.A. (für das GlobMapLap, 01/2014 – 02/2016)
Dr. Nils Güttler (09/2012 – 03/2014)
Oliver Gondring, M.A. (11/2012 – 10/2013)
Projektbeschreibung
„Globalisierung und lokales Wissen: Sammlungsbezogene Forschungen zum Verlag Justus Perthes“ versteht sich als Pilotprojekt, das die Forschungspotenziale der 2003 vom Freistaat Thüringen erworbenen kartografisch-geografischen „Sammlung Perthes Gotha“ erstmals umfassend aufzeigen soll. Darüber hinaus soll es dazu beitragen, Bestände der Sammlung weiter zu erschließen und ein virtuellen Kartenlabor „GlobMapLaboratory“ zu etablieren.
Von Wissenschaft und Öffentlichkeit wird die Sammlung Perthes bisher vor allem als Kartensammlung wahrgenommen. Karten bildeten auch zweifellos das Zentrum der Produktion des Perthes Verlages, doch machte die Kartenherstellung nur einen kleinen Teil der Verlagsaktivitäten aus. Von Gotha aus wurde geografisches Wissen nicht nur kartiert, popularisiert und verkauft, Perthes war zugleich eine Institution, in der Wissen aus allen Bereichen der Geografie und Naturforschung gesammelt und in verschiedensten Medien weiterverarbeitet wurde. Schon für Zeitgenossen war Perthes kein passiver Vertriebskanal für geografische Produkte, sondern – vergleichbar mit einer Universität oder wissenschaftlichen Forschungseinrichtung – einer der wichtigsten und lebendigsten Knotenpunkte der „geografischen Gelehrtenrepublik“, vor allem des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Die zentrale Stellung des Verlages in der damaligen Wissenschaftslandschaft spiegelt sich noch heute in der Sammlung Perthes wider. Als Arbeitsinstrument des Verlages finden sich in ihr neben der Kartensammlung auch bislang weniger beachtete Materialgruppen, die wie eine Kette zwischen den ersten Feldbeobachtungen und den kartografischen Endprodukten liegen: Vermessungsaufzeichnungen, Feldnotizen, Kartenskizzen, Reisetagebücher und Korrespondenzen, Arbeitstagebücher von Kartografen, Kupferplatten, Archivalien des Unternehmens wie beispielsweise Rechnungsbücher, eine umfangreiche geografische Spezialbibliothek und meterweise Loseblattsammlungen mit Detailinformationen. Jedoch wurde das in dieser Überlieferungsdichte einzigartige Zusammenspiel verschiedenster Materialgruppen von der kulturhistorischen Forschung bislang kaum wahrgenommen. Die Sammlung Perthes ist auch im internationalen Vergleich eines der wenigen Archive, das nicht universitär oder als Bibliothek, sondern betriebswirtschaftlich organisiert war und gleichzeitig als maßgeblicher Motor wissenschaftlicher Forschung wirkte. Es existiert kaum eine Vergleichssammlung, anhand derer sich Ökonomien des Wissens in einer solchen Überlieferungsdichte und -komplexität nachvollziehen lassen wie in der Gothaer Sammlung.
Das Vorhaben untersucht an Fallbeispielen die einzigartig miteinander verzahnten Materialgruppen der Sammlung in ihrem Zusammenhang und entwickelt darauf aufbauend längerfristige Strategien einer innovativen sammlungsbezogenen und drittmittelbasierten Forschung. Eng damit verknüpft wird das GlobalMapLap aufgebaut, durch das ausgewählte Materialien und Ergebnisse der Fallstudien präsentiert und Kartenbestände der Sammlung Perthes digital bereitgestellt werden. Im Ergebnis sollen das Profil des Forschungszentrums Gotha um den Schwerpunkt „Sammlungsbezogene Wissens- und Wissenschaftsgeschichte der Globalisierung in der Neuzeit“ erweitert, die vorhandene Infrastruktur gestärkt sowie das Kartenlabor in eine virtuelle Forschungsumgebung für netzbasiertes wissenschaftliches Arbeiten in Forschung und Lehre überführt werden. Das Projekt soll einen wichtigen Beitrag zu dem vom Freistaat Thüringen energisch vorangetriebenen Ausbau Gothas zum Barocken Universum als dem neben Kosmos Weimar zweiten kulturellen Herzstück Thüringens und zu einer überregionalen und internationalen Profilierung der wissenschaftlichen Sammlungs- und Forschungslandschaft Thüringens leisten.
Publikationen und Presseartikel
2012
Gotha als Knotenpunkt in der Welt der Geografie (TLZ, 26. September 2012), URL: http://www.tlz.de/web/zgt/kultur/detail/-/specific/Gotha-als-Knotenpunkt-in-der-Welt-der-Geografie-822756698.
2013
Gondring, Oliver and Rau, Susanne: Designing the GlobMapLab: Using maps as an entry point to the Perthes Collection, in: e-Perimetron, Vol. 8 (2013), No. 3, S. 133-145. URL: http://www.e-perimetron.org/vol_8_3/Gondring_Rau.pdf.
Güttler, Nils: Unsichtbare Hände: die Koloristinnen des Perthes Verlags und die Verwissenschaftlichung der Kartographie im 19. Jahrhundert, in: Archiv für Geschichte des Buchwesens, Vol. 68 (2013), S. 133 – 153.
2014
Güttler, Nils: Ubique terrarum: Gelehrtenportraits und ein Blumenstrauß für den Verleger, 2014.
2015
Henniges, Norman: „Naturgesetze der Kultur“: Die Wiener Geographen und die Ursprünge der „Volks- und Kulturbodentheorie“, in: ACME. An International E-Journal for Critical Geographies 14 (2015), Heft 4, S. 1309–1351, URL: http://ojs.unbc.ca/index.php/acme/article/view/1076/1146.
2016
Henniges, Norman / Meyer, Philipp Julius: „Das Gesamtbild des Vaterlandes stets vor Augen“ Hermann Haack (1872-1966) und die Gothaer Schulkartographie vom Wilhelminischen Kaiserreich bis zum Ende des Nationalsozialismus. In: Zeitschrift für Geographiedidaktik (2016), Heft 4, S. 37 – 60.
Henniges, Norman / Rau, Susanne / Smolarski, René / Tzschach, Heiko: Mehr als nur Karten. Das Virtuelle Kartenlabor (GlobMapLab) als Zugang zur Sammlung Perthes. In: Zeitschrift für digitale Geisteswissenschaften (2016), URL: http://dx.doi.org/10.17175/2016_001.
Güttler, Nils / Heumann, Ina (Hrsg.): Sammlungsökonomien. Berlin: Kadmos 2016], URL: http://d-nb.info/1121821308/04.
Smolarski, René: Die Entstehung eines Atlas – Schritt 1: Das Konzept, in: ProMissKa, 2016, URL: http://promisska.hypotheses.org/57 (Onlineartikel).
Smolarski, René: ‚Crowdsourcing‘ und ‚Citizen Science‘ im 19. Jahrhundert“. In: Oswald, Kristin / Smolarski, René (Hrsg.): Bürger Künste Wissenschaft. Citizen Science in Kultur und Geisteswissenschaften. Gutenberg: Computus 2016, S. 71 – 87, URL: http://www.computus-druck.com/press/neuerscheinungen/buerger-kuenste-wissenschaft.
„GlobMapLab“: Ein Interview mit Prof. Dr. Susanne Rau über das Virtuelle Kartenlabor der Universität Erfurt, URL: https://aktuell.uni-erfurt.de/2016/11/12/5042/.
Weitere Informationen
Projektseite "GlobMapLab" (FZG)
Projektseite "GlobMapLab" (FB, Sammlung Perthes Gotha)
Die Originale des Briefwechsels zwischen der Gothaer Fürstin Luise Dorothea und ihrer Hofdame Friedrike von Montmartin befinden sich im Thüringischen Staatsarchiv Gotha (Signatur Geheimes Archiv E XIII a 9). Es handelt sich um 404 Manuskriptseiten in französischer Sprache. Das Konvolut enthält 36 Briefe Luise Dorotheas, 35 Briefe der Friederike von Montmartin sowie 2 Briefe von Friedrich Samuel von Montmartin. Die Korrespondenz beginnt am 27. Juni 1751, kurz nach der Übersiedelung der frisch verheirateten Hofdame von Gotha nach Regensburg, wo ihr Mann, ein einflussreicher Freimaurer, ab 1756 Gothaer Gesandter beim Reichstag wurde, und endet nach 11 Monaten mit der Nachricht Samuels von Montmartin am 22. Mai 1752 zum Tode Friederikes im Kindbett.
Die Publikation erscheint in der Schriftenreihe des Thüringischen Staatsarchivs Gotha, Friedensteinsche Quellen Nr. 3, Der Briefwechsel zwischen Luise Dorothea von Sachsen-Gotha-Altenburg und Friederike von Montmartin. Übersetzt, eingeleitet und kommentiert von Bärbel Raschke, Gotha 2009. Mit der Edition wird ein Beitrag zur Erschließung von Quellen zur Geschlechterforschung der Neuzeit geleistet. Seit ca. 10 Jahren orientiert sich die historische Geschlechterforschung stark auf den Bereich der deutschen Höfe, da die Überlieferungssituation für entsprechende Fragestellungen vergleichsweise günstig ist.
Die Veröffentlichung und inhaltliche Auswertung des Briefwechsels erhellt folgende Problemkreise aus der Perspektive und in Bezug auf Frauen am Hofe:
Ansprechpartnerin
Dr. Bärbel Raschke
Finanzierung
Laufzeit
10/2008 – 10/2009