Forschung

Judastische Forschung gehört zum Grundanliegen des Lehrstuhls Judaistik an der Universität Erfurt. Auf vielfältige Weise wurde und wird in diesem Bereich geforscht. Zeitlich bewegen wir uns von der Frühen Neuzeit bis in die Moderne hinein. Hier können Sie sich über unsere Forschungsprojekte informieren. Zum Zwecke der Übersichtlichkeit haben wir Forschungsprojekte, die in Qualifikationsschriften münden (i.d.R. Promotion), gesondert aufgeführt.

Promotionsprojekte

Gustav Landauer als jüdischer Intellektueller

Projektleitung: Prof. Dr. Andreas Gotzmann

Kurzbeschreibung des Projektes: Das Promotionsprojekt versucht, Gustav Landauer (1870-1919) in der jüdischen Geistes- und Kulturgeschichte zu situieren. An Hand von beispielsweise Selbst- und Fremdzuschreiben sowie seiner Wirkungsgeschichte soll dies geschehen. Ziel der Arbeit ist es, die Spuren von Landauers Werken und Wirken zu verfolgen (frei nach Gadamer) und somit eine vorhandene, aber bisher kaum beachtete und nicht konzise beschriebene, Linie seines Lebens und Wirkens innerhalb der jüdischen Geistes- und Kulturgeschichte, freizulegen.  

 

Professur: Judaistik

Projektmitarbeiter: Sebastian Kunze M.A. 

Projektbeginn: 10/2016

Sepulkralkunst als Zeichen kultureller (Selbst)verortung. Der Jüdische Friedhof Königstraße 1611 - 1869

Projektleitung: Prof. Dr. Andreas Gotzmann

Kurzbeschreibung des Projektes: Das Projekt untersucht die Grabsteinsymbole und damit verbundenen spezifischen regionalen Eigenheiten auf dem Jüdischen Friedhof Altona in der Königstraße. Auf diesem Gelände befinden sich heute die ursprünglich getrennten Friedhöfe der aschkenasischen und der sefardischen Gemeinde. Von den 8.475 Grabsteien sind ca. 7.600 komplett oder in Fragmenten erhalten. Die unterschiedliche Grabsteinkultur der zwischen 1611 und 1869 entstandenen Gräber weist - bei aller Distanz - auch auf die Nähe dieser jüdischen Gemeinden zueinander und zur christlichen Majorität hin. Keren Manor fragt in ihrer Arbeit nach der Selbstverortung der Juden innerhalb ihres kulturellen und gesellschaftlichen christlichen Umfelds im Spiegel der Sepulkralkunst. Anhand der Entwicklung der Symbole vom 17. bis ins 19. Jahrhundert will sie weiter der Frage nachgehen, ob in dieser Zeit ein Wandel im Selbstverständnis der Juden stattgefunden hat und welchen Ausdruck dieser gefunden hat. So zeugt zwar die Darstellung biblischer Szenen, die in Altona ausschließlich auf sefardischen Grabsteinen zu finden sind, vom Bedürfnis der Hinterbliebenen, das jüdische Erbe der Verstorbenen zu betonen. Die vor Generationen ins normative Judentum zurückgekehrten Marranen haben jedoch auch weniger „Berührungsängste“ als Aschkenasen, dieses Erbe mit üppigen Bildern von wahrscheinlich christlichen Steinmetzen nach christlichen Vorlagen illustrieren zu lassen.

Bisher wurden in einer Datenbank die erhaltenen ca. 700 Grabsteine des aschkenasischen und ca. 500 des sefardischen Teils des Friedhofs in der Königstrasse erfasst, die Symbole tragen. Dieses Vorgehen ermöglicht den Vergleich vor allem mit anderen sefardischen zeitgenössischen Friedhöfen, wie etwa dem Friedhof in Glückstadt und denen in Surinam, die auch in der Datenbank aufgenommen wurden. Erste Erkenntnisse, etwa wann bestimmte Symbole besonders häufig vorkamen, konnten bereits gewonnen werden. Die Verschlagwortung der Symbole ermöglicht weitere Vergleiche hinsichtlich regionaler Eigenheiten.

 

Professur: Judaistik

Projektmitarbeiterin: Keren Manor

Projektbeginn: 01/2013

Structure and Function of Jewish Family Networks from Early Modern to Modern Time (The Frankfurt Community).

Projektleitung: Prof. Dr. Andreas Gotzmann

Kurzbeschreibung des Projektes: The role that family relationships have played over the centuries in the development of Jewish Life and Livelihood.   The immigration to Frankfurt, the years of Staettigkeit there, and the emigration in the 19th century from Frankfurt.  What were the reasons for exiting the cities?   Why was Frankfurt chosen as a destination?  What caused them to stay there for a number of centuries?  How did they flourish, develop or merely survive?  How did the interrelationship of families demonstrate itself in business, local government, marriages, and place of abode?   What were the external influences of Town and State, and how did the families absorb and react to these influences?  What was the role of religion in bonding, isolating   or assimilating the families? How did the families expand their activities within, beyond the borders of, Frankfurt both before and after the coming of Napoleon?  How did the families establish themselves in foreign countries and how did this affect the relationships of the families themselves?

Professur: Judaistik 
Projektmitarbeiter/-innen: Thomas Leo Schuster  B.Comm, M.B.A.
Projektbeginn: 12/2007
Projektende: 12/2012

Entwicklung jüdischer Gemeinden in Hessen nach 1945

Projektleitung: Andreas Gotzmann

Kurzbeschreibung des Projektes: In Hessen – einschließlich des dazugehörigen linksrheinischen Teils des heutigen Bundeslandes Rheinland - Pfalz - lebten vor 1933 75.000 Juden, die sich in jüdischen Gemeinden organisiert hatten. Die überwiegende Mehrheit dieser insgesamt etwa 400 Gemeinden befand sich auf dem Land. Dieses Bild änderte sich nach 1945 grundlegend. Gemeindegründungen nach 1945, die dauerhaft Bestand hatten, fanden in hessischen Städten statt. Hier vor allem im Rhein- Main- Gebiet. Nicht nur von der Zahl der in den Gemeinden registrierten Juden her ergibt sich heute ein anderes Bild als vor 70 Jahren. Auch die Zusammensetzung und die Struktur der Gemeinden haben sich verändert. Die Gruppe der an der Neugründung der Gemeinden Beteiligten war keineswegs homogen, sondern engagierte sich aus ganz unterschiedlichen Beweggründen beim Aufbau der Gemeinden.
Da waren zum einen diejenigen, die deshalb der Vernichtung entronnen waren, weil sie - in der NS-Terminologie gesprochen - mit einem nichtjüdischen Ehepartner in „privilegierter Mischehe“ verheiratet oder „Halbjuden“ waren. Andere hatten in der Illegalität den Tag der Befreiung überlebt. Nicht zuletzt kehrten nach der Befreiung auch Überlebende der Konzentrations- und Vernichtungslager in die Gemeinden zurück.  Zu diesen Überlebenden kamen schon sehr bald die jüdischen Displaced Persons, die in der Folge des Zweiten Weltkrieges aus ihrer Heimat vertrieben oder verschleppt wurden und sich bei der Befreiung in den von Alliierten besetzten Gebieten befanden. Schließlich kamen in der darauffolgenden Zeit Flüchtlinge hinzu, die vor Pogromen in ihren Heimatländern geflohen waren.
Zu diesem Spektrum von Menschen, das die erste Phase des Aufbaus, vielfach tatkräftig unterstützt von Angehörigen der US – Streitkräfte, maßgeblich prägte, stießen im Verlauf der folgenden Jahre immer neue Gruppen, die den bereits bestehenden Gemeinden beitraten und fortan Einfluss auf die Gestaltung der Gemeinden nahmen. In den frühen 50er Jahren waren dies die deutsch – jüdischen Remigranten, in den 60er Jahren Flüchtlinge aus Polen und der damaligen Tschechoslowakei, in den 70er Jahren und vor allem nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Systems in den 90er Jahren die sogenannten „Kontingentflüchtlinge“ aus der ehemaligen Sowjetunion

Professur: Judaistik 
Projektmitarbeiter/ -innen: Christian Hestermann M.A. 
Projektbeginn: 05/2003 
Projektende: 00/2007

Jüdisch-christliche Mischehen in Deutschland nach 1945

Projektleitung: Prof. Dr. Andreas Gotzmann

Kurzbeschreibung des Projektes: 
Thema: Gegenstand des Vorhabens ist die Aushandlung kultureller und religiöser Wertvorstellungen in jüdisch-christlichen Mischehen bzw. Partnerschaften. Mit Einführung der Zivilehe in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden in Deutschland auch Ehen zwischen Juden und Christen möglich. Ihre Zahl stieg ab den 1920er Jahren sprunghaft an, nach Ende des Dritten Reiches setzte diese Entwicklung dann erneut wieder ein. Für die Gegenwart stehen keine offiziellen Zahlen zur Verfügung, Schätzungen gehen jedoch von 50-70 % der deutschen Juden aus, die mit einem nicht-jüdischen Partner verheiratet sind oder in eheähnlicher Gemeinschaft leben. Die schwierige Datenlage spiegelt die historisch belasteten Beziehungen zwischen Juden und Nicht-Juden in Deutschland ebenso wie die religiöse Problematik des biblisch-rabbinischen Verbots der Exogamie sowie die Schwierigkeit, die in der Definition und Abgrenzung von (jüdischer) „Identität“ liegt.

Professur: Judaistik 
Projektmitarbeiter/ -innen: Brigitta Scherhans, M.A. 
Projektbeginn: 01/2004 
Projektende: 05/2009

Jüdische Konvertiten in der Frühen Neuzeit

Projektleitung: Prof. Dr. Andreas Gotzmann
Kurzbeschreibung des Projektes: 

Das Promotionsprojekt befasst sich im Rahmen der historischen Konversionsforschung mit der Sozial- und Kulturgeschichte jüdischer Konvertiten, die im Herzogtum Gotha (Thüringen) getauft wurden oder nach ihrer Taufe dort Aufnahme und Unterstützung fanden. Hierfür sollen vor allem handschriftliche Quellen von und über jüdische Konvertiten ausgewertet werden. Damit wird das Bild, das die Forschung bisher von den (Auto-)Biographien vorzugsweise gelehrter Konvertiten gezeichnet hat, nicht bloß um einige weitere Facetten ergänzt, sondern grundlegend verändert. An die Stelle der von theologischen Projektionen bestimmten literarischen Konstruktion tritt die Rekonstruktion des Spielraums (und dessen Grenzen), der dem Konvertiten im sozialen und kulturellen Kräftefeld der Frühen Neuzeit als handelndem Individuum offen stand. Hierfür werden jüdische Konvertiten mit und ohne akademischen Hintergrund untersucht. 

Die Konversionen von Juden zum Christentum werden nicht als Einzelerscheinung betrachtet, sondern in den Kontext des frühneuzeitlichen Massenphänomens der Konversion, als Resultat gesellschaftlicher und religiöser Veränderungen und konfessioneller Konkurrenzgedanken, gestellt. Dabei ist von besonderer Bedeutung, dass die aus dem Herzogtum Gotha stammenden Pietisten August Hermann Francke (1663-1727) und Johann Heinrich Callenberg (1694-1760) in Halle die erste lutherische Heiden-, Moslem- und Judenmission, die so genannte Ostindienmission und das Institutum Judaicum et Muhammedicum (1728-1792), konzipierten und gründeten. Sie erhielten bereits in Gotha Impulse zur Mission von Andersgläubigen, insbesondere von Juden und zum Umgang mit jüdischen Konvertiten. Nach der Gründung des Institutum Judaicum wurden taufwillige Juden von Halle vereinzelt nach Gotha vermittelt, um sie dort auf die Taufe vorzubereiten. Aber auch unabhängig davon kam es zu weiteren Konversionen im Herzogtum, zudem gab es Kontakte zu anderen Vertretern der Mission von Juden im Heiligen Römischen Reich. Den zeitlichen Rahmen bilden die Gründung des Herzogtums Gotha 1640 und die Schließung des Institutum Judaicum in Halle im Jahr 1792.

 
Professur: Judaistik 
Projektmitarbeiter/-innen: Anke Költsch (M.A.)
Projektbeginn: 05/2007
Projektende: 12/2011

Modernisierungsdiskurse in der Publizistik der Wissenschaft des Judentums

Projektleitung: Prof. Dr. Andreas Gotzmann

Kurzbeschreibung des Projektes: Mit dem ausgehenden 18. Jahrhundert setzte für die west- und mitteleuropäischen und im Besonderen für die deutschen Juden in Folge der Säkularisierung der sie umgebenden Gesellschaften ein umfassender Modernisierungsprozess ein, dem das Aufbrechen traditioneller Strukturen folgte. Der Wille der deutschen Juden zur Emanzipation erforderte die Re-Definition jüdischer Identität. Dies führte zu einem Wandel des traditionellen Verständnisses des Judentums als Nation hin zu einem bürgerlichen Verständnis des Judentums als Religion. 
Innerhalb der tief greifenden Modernisierungsdiskurse kam den Vertretern der Wissenschaft des Judentums eine zentrale Bedeutung zu. Diese geistige Bewegung entstand in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Umfeld junger jüdischer Intellektueller, die, geschult in den Methoden der modernen Wissenschaft, einen Weg suchten, die Bedeutung des Judentums in Vergangenheit und Gegenwart zu beleuchten und zugleich aktiv die Veränderungsprozessen innerhalb der jüdischen Gemeinschaft voranzutreiben. Mit Hilfe des objektiven Maßstabes der Wissenschaft versuchte man, zum einen gegen die innerhalb der deutschen Gesellschaft bestehenden Vorurteile vorzugehen und zum anderen jene Kräften innerhalb des Judentums zu überzeugen, die sich gegen die Modernisierungsbestrebungen stellten. 
Ein Instrument der Propagierung der jeweiligen Positionen innerhalb dieser Diskurse war die wachsende deutsch-jüdische Presse, die im Laufe ihrer Geschichte eine Vielzahl von Publikationen mit wissenschaftlicher Ausrichtung hervorbrachte. Die Presse entwickelte sich zur Plattform für eine „diskursive Öffentlichkeit“, als Informations-, Kommunikations- und Diskussionsforum. Durch die Schaffung dieser Öffentlichkeit wurden die Diskurse selbst medialisiert. Wie sich dies im Einzelnen innerhalb der wissenschaftlichen Publizistik der deutschen Juden gestaltete, soll anhand der Betrachtung der Diskurse zu den innerjüdischen Modernisierungsprozessen untersucht werden. Zweierlei wird von diesem Promotionsvorhaben erwartet: Einerseits soll die „inhaltliche Transformation“ der Diskurse nachvollzogen werden, andererseits die in diesem Rahmen geschaffenen „kommunikativen Strukturen“ aufgezeigt werden.

Professur: Judaistik 
Projektmitarbeiter/-innen: Kerstin von der Krone M.A. 
Projektbeginn: 08/2006 
Projektende: 01/2011

Weitere Information:

www.degruyter.com/view/product/179199

Forschungsprojekte

DAAD-ISAP-Stipendien Israel

Projektleitung: Prof. Dr. Andreas Gotzmann 

Kurzbeschreibung des Projektes: 
Kooperationsstipendien für Studierende der Judaistik im Rahmen des Poolantrags der von der Universität Erfurt, Lehrstuhl für Judaistik geleisteten und verwalteten für die judaistischen Einrichtungen der Universitäten FU Berlin, Univ. Göttingen, Univ. Düsseldorf, Univ. Köln, Univ. Halle, Univ. Erfurt, Univ. Frankfurt a.M., Univ. Freiburg i.Br. 
 
Kooperationspartner: Hebrew University Jerusalem und Rothberg School Jerusalem, Israel 
Projektbeginn: 03/2006 
Projektende: 08/2007 
Förderinstitutionen: Deutscher Akademischer Austauschdienst der BRD

Das aschkenasische Rabbinat im Deutschland der Frühen Neuzeit (1648-1806): Rabbinische Gerichtsbarkeit

Projektleitung: Prof. Dr. Andreas Gotzmann, Prof. Dr. Stefanie Schüler-Springorum

Kurzbeschreibung des Projektes: 
Der Antrag widmet sich der Bedeutung des Rabbinats als innerjüdisches Rechtsforum und strebt erstmals auch auf einer rechtshistorischen Datenerhebung ein klares Verständnis der unterschiedlichen Aspekte von Rechtsausübung in einer über religiöses Recht definierten Kultur an. Diese Grundlagenforschung verfolgt eine auf lokalspezifischen Analysen beruhende breite Aufarbeitung der Bedeutung und des Einflusses des deutschen Rabbinats als Rechtsforum, das über die zeremoniell-rituellen Belange im engeren Sinne hinaus tätig war. Hierbei interessieren insbesondere die aufgrund mangelnder Forschungen und Datenerschließungen letztlich immer noch unbeantworteten Fragen nach Art und Umfang jüdischer Rechtsautonomie, nach der internen Organisation der Rechtsprechung sowie spezifische rechtshistorische Fragen zu dieser, etwa zur Verhandlungsführung oder der Durchsetzungsfähigkeit rabbinischer Entscheidungen. Daneben steht der Aspekt der Stabilität eines autonomen jüdischen Rechtsraums sowie jener des Verhältnisses zur christlichen Umwelt im Rahmen gegenseitiger Rechtskonkurrenz. Die notwendigerweise mikrohistorisch angelegte und an der kulturellen Praxis orientierte vergleichende Zugangsweise bezieht sich auch im Sinne der Vergleichbarkeit mit den besonderen Forschungsschwerpunkten der Gemeinden Hamburg-Altona-Wandsbek, Würzburg-Heidingsfeld und Mannheim auf drei regional und strukturell unterschiedlich typische Bezugspunkte, was zudem ein Verallgemeinern der Forschungsergebnisse erlauben.

Projektmitarbeiter/ -innen: Dr. Monika Preuß 
Kooperationspartner: Prof. Dr. Stefanie Schüler-Springorum (Direktorin des Instituts zur Erforschung der Geschichte der deutschen Juden, Hamburg)
Projektbeginn: 10/2008
Projektende: 09/2010 
Förderinstitutionen: Gerda-Henkel Stiftung

http://www.wallstein-verlag.de/9783835315327-monika-preuss-sie-koenten-klagen-wo-sie-wollten.html

Im Gelobten Land? Die Integrationsmuster jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion im Prozess der Eingliederung in die jüdischen Gemeinden in Deutschland (1990-2000)

Projektleitung: Prof. Dr. Andreas Gotzmann, Prof. Dr. Doron Kiesel 

Kurzbeschreibung des Projektes: 
Das interdisziplinär zwischen Migrationssoziologie und jüdischer Zeitgeschichte angesiedelte Forschungsprojekt untersucht die jüdische Migration aus der ehemaligen Sowjetunion zwischen den Jahren 1990-2000, deren individuelle und gesellschaftliche Auswirkungen für die Immigranten und die sie aufnehmenden jüdischen Gemeinden in der Bundesrepublik Deutschland.


Damit werden erstmals die spezifischen Strukturen und Konflikte der Integration jüdischer Immigranten in die jüdische Gemeinschaft der Bundesrepublik Deutschland in konzeptioneller Weise sowohl aus Sicht der Gemeinden, als auch aus der Perspektive der Zuwanderer vergleichend erfasst. Die forschungsstrategischen Überlegungen dieses Projekts liegen in dem erweiterten, präzisen Wissen um die Bedürfnisse und Erwartungen von Gemeinden und Zuwanderern.


Die Intention des Projekts ist, den jüdischen Gemeinden in Deutschland grundlegende Informationen und Handlungsanleitungen für die Bewältigung der vielfältigen Integrationsprobleme an die Hand zu geben, so dass diese Integrationsstrategien und Muster entwickeln können, die die Partizipation der Immigranten ermöglichen. Im Unterschied zu den in Deutschland bisher bekannten und ausführlich beschriebenen Migranten¬gemeinschaften sind die jüdischen Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion schon bei ihrer Ankunft in der Regel beruflich qualifiziert und verfügen über ein hohes Orientierungswissen im Umgang mit den Anforderungen von Industriegesellschaften. Während die Auswanderer die Ansiedelung in der Bundesrepublik vor allem mit der Hoffnung der existenziellen Sicherung – sowohl im Hinblick auf die gesellschaftliche Anerkennung als auch in wirtschaftlicher Hinsicht – verbinden, stellen diese für die bestehenden, demographisch instabilen Gemeinden in ganz existenzieller Weise einen unverzichtbaren Zukunftsfaktor dar.


Die besondere Problematik ihrer zwar in hohem Masse säkularen und modernisierten Identität, die jedoch religiös-kulturell wenig ausgeprägt ist, erschwert die Anschlussfähigkeit im Hinblick auf die von der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland entwickelten Identitätsmuster und die daraus resultierenden Erwartungen an jüdische Zuwanderer. Die Gemeinden begrüßen und unterstützen die Zuwanderung, da diese zu ihrer Stabilisierung beiträgt. Zusätzlich bedeutet der Zuwachs an Mitgliedern sowohl innerdeutsch als auch im internationalen Rahmen eine Legitimation jüdischen Lebens in Deutschland. Ihr Interesse bleibt dabei jedoch nicht auf die quantitative Erweiterung begrenzt; vielmehr sollte die Zuwanderung auch in religiösem und kulturellem Sinn eine deutliche Stärkung der Gemeinschaft nach sich ziehen. Das Projekt dient dazu, die unterschiedlichen Erwartungen und Perspektiven beider Gruppen zu klären und herauszuarbeiten, um Wege aufzuzeigen wie im Rahmen von Eingliederungsprojekten Reibungsverluste vermindert und Identifikationsangebote bestehender jüdischer Einrichtungen und ihrer Deutungen jüdischer Existenz und Geschichte jenseits existierender Deutungsmonopole gemeinsam überdacht und möglicherweise neu formuliert werden können.


Die Antragsteller sind mit bestehenden Integrationsprojekten jüdischer Gemeinden und der ‚Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland’ eng vertraut und in diesem Rahmen bereits an der Entwicklung neuer Integrationskonzepte beteiligt.

Projektmitarbeiter/ -innen: Dr. Karen Körber, Marina Czerniwski 
Kooperationspartner: Prof. Dr. Doron Kiesel (Migrationssoziologie und Interkulturelle Erziehung) Fachhochschule Erfurt 
Projektbeginn: 04/2005 
Projektende: 04/2007 
Förderinstitutionen: Zentralrat der Juden in Deutschland

Die jüdische Bevölkerung von Frankfurt am Main. Wechselwirkungen von ökonomischem und sozialem Handeln im 16.-18. Jahrhundert

Projektleitung: Prof. Dr. Andreas Gotzmann; Prof. Dr. Michael Stolleis 

Kurzbeschreibung des Projektes: 
Die jüdische Gemeinde zu Frankfurt am Main besaß während der gesamten Frühneuzeit eine herausragende und prägende Stellung für das aschkenasische Judentum. Mit diesem außer Frage stehenden Befund korrespondiert dennoch bisher kaum ein entsprechendes Forschungsinteresse. Nach wie vor sind die meisten Fragen zur historischen Lebenswirklichkeit der jüdischen Bevölkerung unbeantwortet, Defizite, die mit dem geplanten Forschungsvorhaben ein Stück weit ausgeglichen werden sollen. Das Forschungsvorhaben klärt dabei erstmalig die Aspekte des engen Ineinandergreifens von wirtschaftlichem, gemeindlich-sozialem und familiärem Handeln und beschreibt damit zentrale Faktoren jüdischen kulturellen Handelns, die bislang unbeachtet blieben. Damit werden grundlegende Fragen nach der Konstitution jüdischer Gemeinden in der Frühen Neuzeit ebenso beantwortet, wie nach den Wechselwirkungen ihrer sozialen und ökonomischen Position mit den spezifischen Charakteristika jüdischer Kultur.

Projektmitarbeiter/ -innen: Dr. Cilly Kasper-Holtkotte 
Kooperationspartner: Max Planck Institut für Europäische Rechtsgeschichte in Frankfurt a.M.; Institut für Jüdische Studien der Universität Düsseldorf; Simon Dubnow Institut Leipzig; Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main 
Projektbeginn: 01/2004 
Förderinstitutionen: Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) 

Weitere Information: 
Kasper-Holtkotte, Cilli, Die jüdische Gemeinde von Frankfurt/Main in der Frühen Neuzeit

Gelehrsamkeit und Frömmigkeit. Das aschkenasische Rabbinat in der Frühen Neuzeit

Projektleitung:  Prof. Dr. Andreas Gotzmann; Dr. Stefanie Schüler-Springorum 

Kurzbeschreibung des Projektes:
Das Projekt zur deutsch-jüdischen Geschichte der Frühen Neuzeit (17.-18. Jahrhundert) befasst sich mit zentralen Fragestellungen zur kulturell-religiösen Bedeutung und zum sozialen Status der Rabbiner in den jüdischen Gemeinden der deutschen Staaten. Im Zentrum stehen grundlegende Charakteristika rabbinischer Tätigkeit im weiteren Sinne, also jenseits der spezifischen Amtsfunktionen eines Gemeinderabbinats. Mit zwei zentralen Aspekten - der Gelehrsamkeit und dem kulturellen Ideal des Talmid Chacham, des ‚gelehrten Lernenden‘, werden die breiten Tätigkeitsfelder der Mehrheit der Rabbiner, ihre Verortung und Akzeptanz in den Gemeinden untersucht.

Die geringe Forschung zum aschkenasischen Rabbinat der Frühen Neuzeit konzentrierte sich vor allem auf das Gemeinderabbinat, ohne hier auch nur wesentliche Aspekte seines Amts als Träger der internen Gerichtsbarkeit und als ein unparteiisches Gremium der Gemeinde und seiner Autorität wirklich zu klären. Hier wird in einem größeren Forschungszusammenhang zur unterschiedlichen Aspekten des Rabbinats, der Organisations- und Wahrnehmungsmuster des deutschen Judentums nach dem ‚Normalfall’ des Rabbiners gefragt, der bislang nahezu unbeachtet blieb. Diese überfälligen Korrekturen des Forschungsstandes und das Formulieren grundlegender Neuansätze zum Verständnis der Bedeutung dieser Tradenten wird hier aus der Perspektive der Jüdischen Geschichte im binnenjüdischen Vergleich angestrebt, ohne Verbindungen und Wechselwirkungen mit externen Entwicklungen zu vernachlässigen. Jenseits der an Krisenmodellen ausgerichteten Betrachtungsweisen der deutsch-jüdischen Geschichte der Frühen Neuzeit geschieht dies erstmals über eine auf lokalspezifischen Analysen beruhende Aufarbeitung der Bedeutung und des Einflusses von Rabbinern in ihrem sozialen Umfeld. Die mikrohistorisch angelegten und an der kulturellen Praxis orientierten vergleichenden Einzelstudien beziehen sich mit den Gemeinden Hamburg-Altona-Wandsbek, Würzburg-Heidingsfeld und Mannheim auf drei regional und strukturell spezifische Bezugspunkte. 

Projektmitarbeiter/ -innen: Dr. Monika Preuß 
Kooperationspartner: Projekt in Kooperation mit dem Institut für die Geschichte der deutschen Juden Hamburg (Direktion: Dr. Stefanie Schüler-Springorum) 
Projektbeginn: 12/2003 
Projektende: 05/2006 
Förderinstitutionen: Gerda Henkel Stiftung 

http://www.wallstein-verlag.de/9783835301832-monika-preuss-gelehrte-juden.html

History in a Multi-Ethnic Network: The German-Jewish-Czech Triangle (1880 - 1938)

Projektleitung: Prof. Dr. Andreas Gotzmann; Prof. Dr. Michael Brenner; Prof. Dr. Yfaat Weiss 

Kurzbeschreibung des Projektes:
Dieses interdisziplinäre Forschungsprogramm untersucht aus einer innovativen thematischen Perspektive die Wechselbeziehungen zwischen Juden und ihrer Umwelt in Zentraleuropa in einem neuen geographischen Rahmen. Während die Mehrzahl der Studien bisher Aspekte von Abgrenzung und Distanz zwischen Bevölkerungsmehrheit und Minderheit betonten, konzentriert sich dieses Forschungsprojekt auf solche des Austauschs und der Interaktion in einem multi-ethnischen Umfeld. Die Situation der Juden in den tschechischen Gebieten zwischen 1880 und 1938 dient als Fallstudie, um auf unterschiedlichen Ebenen die politischen, sozialen, kulturellen und religiösen Verbindungen und Netzwerke im Kontext eines multi-ethnischen Staates zu untersuchen. Das gemeinsame Forschungsanliegen verweist auf den sich wandelnden, interaktiven Charakter ethnischer Definitionen und den Prozess des Aushandelns zwischen den politischen und sozialen Gruppen im ethnischen Dreieck von Juden, Deutschen und Tschechen und hinterfragt diese damit.

Projektmitarbeiter/ -innen: 
Projektmitarbeiter (Haifa): Dimitry Schumski M.A.;
Projektmitarbeiterinnen (München): Miriam Trindl M.A., Ivana Soukalova;
Projektmitarbeiterin (Erfurt): Dr. Gabriele Zürn

Kooperationspartner: Lehrstuhl für Jüdische Geschichte und Kultur, Universität München (Prof. Dr. Michael Brenner); Bucerius Institute for European History, University Haifa (Prof. Dr. Yfaat Weiss)

Projektbeginn: 01/2002 
Projektende: 12/2004 – Verlängerung
Titel des Oberprogramms: Jewish History in a Multi-Ethnic Network: Förderinstitutionen: Finanziert von der German-Israeli Foundation (GIF)

 

Von den Rechtsnormen zur Rechtspraxis. Ein neuer Zugang zur Rechtsgeschichte der Juden im Heiligen Römischen Reich?

Projektleitung: Prof. Dr. Andreas Gotzmann, Dr. Stefan Ehrenpreis und Dr. Stephan Wendehorst 

Kurzbeschreibung des Projektes:
Im Zusammenhang damit steht die internationale Forschungskonferenz "Zwischen Rechtsnorm und Rechtspraxis - Juden im Recht im Heiligen Römischen Reich" vom 15.-18. März in Leipzig (in Kooperation des Max-Plank-Instituts in Frankfurt am Main, dem Simon Dubnow-Institut an der Universität Leipzig, dem Lehrstuhl für Judaistik der Universität Erfurt)

Projektmitarbeiter/ -innen: Kooperationspartner: Projektbeginn: 01/2000 
Projektende: 12/2001 
Förderinstitutionen: Max-Planck-Institut für Rechtsgeschichte (Frankfurt/Main), dem Lehrstuhl für Judaistik an der Universität Erfurt und dem Simon-Dubnow-Institut 

 

Die jüdische Gemeinde Friedberg in der Wetterau, 16. bis 18. Jahrhundert. Politisch-rechtliche, wirtschaftliche, soziale, kulturelle Stellung und Selbstverständnis von Juden in der Frühneuzeit

Projektleitung: Prof. Dr. Andreas Gotzmann

Kurzbeschreibung des Projektes: 
Mit der Jüdischen Gemeinde Friedberg liegt der Ausnahmefall einer der wenigen nach den spätmittelalterlichen Vertreibungswellen verbliebenen urbanen Gemeinden des Heiligen Römischen Reiches der Frühneuzeit vor. Um 1600 verzeichnete sie einen  Bevölkerungsumfang von immerhin rund 500 Personen und war damit eine der größten des Reiches.


Als Zentrum jüdischer Gelehrsamkeit besaß die Gemeinde Friedberg denselben Rang und Einfluss wie Prag, Frankfurt, Worms und Günzburg, was auch darin seinen Ausdruck fand, dass Friedberg 1603 zum Sitz eines der fünf zentralen rabbinischen Appellationsgerichte des Reiches bestimmt wurde. Rabbinat und Jeschiwa Friedbergs sind in ihrer Bedeutung jenen von Prag, Frankfurt, Worms gleichzusetzen, die nach wie vor als die einflussreichsten der Frühneuzeit verstandenen werden; dies gilt nicht nur im Hinblick auf ihren Einfluss auf die interne Gestaltung der Rechtsautonomie jüdischer Gemeinden, sondern auch bezüglich ihres Einflusses auf die Judenpolitik' des Reiches. Inhalte, Ausrichtungen und Auswirkungen solcher politischen Aktivitäten von Gemeinde bzw. jüdischer Bevölkerung Friedbergs sind bislang ebenso unbekannt und unerforscht, wie deren inner-gemeindliche Organisation oder ihre Gestaltungskraft in Kooperation mit den andern maßgeblichen Gemeinden des Reiches.

Die Klärung dieser grundlegenden Fragen nach der internen Verfasstheit der jüdischen Gemeinde, ihren Strukturen im Zusammenspiel unterschiedlicher Machtfaktoren der nicht-jüdischen Umwelt, aber eben auch des internen Bereichs - etwa einer herrschenden jüdischen Oberschicht im Verhältnis zur übrigen Gemeinde, im Verhältnis gegenüber anderen städtischen bzw. ländlichen Gemeinden oder des Verhältnisses der internen Machtfaktoren wie Gemeindevorstand, Rabbinat und Bruderschaften zueinander - bildet den ersten wesentlichen Schwerpunkt dieses Forschungsvorhabens. Friedberg war zudem spätestens seit Beginn des 16. Jahrhunderts für Juden offenbar ein überaus attraktiver Niederlassungsort, und zwar gleichermaßen für Handel- und Gewerbetreibende der näheren und weiteren Umgebung wie für Rabbiner und Gelehrte. Im zweiten Schwerpunkt der Untersuchung wird daher der Frage nachgegangen, welche politisch-rechtlichen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturell-religiösen Faktoren dazu beitrugen, dass die Friedberger Judenschaft diese Bedeutung erringen und über den Dreißigjährigen Krieg hinaus zu erhalten vermochte. Ins Blickfeld rückt damit auch die Modellwirkung, die Friedberg und seine Judenschaft innerhalb des Reiches erlangte. Es wird dabei in besonderem Maß die Analyse des Selbstverständnisses dieser Gemeinde, ihrer internen rechtlichen Verfassung und der von ihr gepflegten Beziehungsnetze innerhalb des Reiches - möglicherweise sogar darüber hinaus - sein, die das politische Agieren, letztlich aber auch die Gründe für den Bedeutungsverlust, den die Gemeinde vom späten 17. Jahrhundert an erlebte, beantworten kann.


Exemplarisch für die Geschichte frühneuzeitlicher jüdischer Gemeinden des deutschen Reiches sollen innergemeindliche Wandlungsprozesse und deren Rezeption seitens anderer Gemeinden der näheren (Gießen, Marburg, Frankfurt u.a.) und weiteren Umgebung (Wien, Prag, Worms, Burgau, Günzburg u.a.) thematisiert werden, die einen detaillierten Einblick in die Versuche bieten, innerhalb einer politisch und rechtlich weitgehend zersplitterten jüdischen Diaspora der eigenen Gemeinde, aber eben auch der Gesamtheit der deutschen Juden eigene politische und kulturelle Zusammenhänge zu schaffen.
Die hier angestrebte parallele Auswertung innerjüdischer Archivalien im Zusammenhang mit solchen behördlicher Provenienz wurde für diesen Zeitabschnitt bisher überhaupt nicht und selbst auch im weiteren zeitlichen Rahmen nur in vereinzelten Studien vorgenommen.


Die Erschließung, die Edition und die Auswertung der beiden hebräisch und jüdisch-deutschen Protokollbücher der Gemeindeleitung in Zusammenarbeit mit dem Rabbinat im Zusammenhang mit den Archivalien nicht-jüdischer Provenienz steht beispielhaft für eine bisher nicht geleistete, unverzichtbare Herangehensweise. Nicht nur hinsichtlich des grundlegenden breiten Forschungsansatzes der die Verbindung von externer und interner Perspektive sucht, sonder auch hinsichtlich der Erschließung und Edition der seltenen inner-jüdischen Dokumente soll hier ein neuer Standard für künftige Forschungen gelegt werden. 

Projektmitarbeiter/ -innen: Dr. Cilli Kasper-Holtkotte, Stefan Litt M. A. 
Kooperationspartner: Jewish Theological Seminary; Central Archives for the History of the Jewish People 
Projektbeginn/ -ende: 2000 - 2002
Förderinstitutionen: Gerda-Henkel-Stiftung