Aus historischer Perspektive ist die deutschsprachige Japanologie eine relativ junge wissenschaftliche Disziplin. Ihr Ursprung datiert sich auf das ausgehende 19. Jahrhundert, als Diplomaten, angeworbene „Kontraktausländer“, Forschungsreisende und ehemalige Sinologen begannen, Japans Ökonomie, Religion, Medizin, Rechtswesen, Sprache sowie Geschichte zu studieren. Die europäische Scientific Community der Japanforschung war jedoch genauso daran interessiert, Japan geographisch und kartographisch zu erfassen. An diesem Projekt war allen voran der Gothaer Kartograph Bruno Hassenstein beteiligt. In Zusammenarbeit mit dem Geographen Johannes Justus Rein oder dem englischen Diplomaten Ernest Mason Satow fertigte Bruno Hassenstein detaillierte Karten von Japan an, die durch ergänzende Texte neues Wissen vermitteln sollten. Hierzu nutzte Hassenstein seine weitreichenden Kontakte zu Kartographen, japanischen Gesandten und preußischen Militärs, um Kartenmaterial aus Japan und lateinische Transkriptionen der japanischen Schrift zu akquirieren. Vor diesem Hintergrund erarbeitete Hassenstein einen umfassenden Atlas von Japan, der neue Maßstäbe setzen sollte und für den er sogar eine eigene Transliteration konzipierte.
Das Projekt untersucht den Einfluss der Kartographie auf die deutschsprachige Japanologie im ausgehenden 19. Jahrhundert. Bisher wurde die historische Entwicklung der deutschsprachigen Japanologie mit dem Schwerpunkt auf biografische Studien ihrer Vorreiter in nationalen Kontexten interpretiert. Die Etablierung der deutschsprachigen Japanologie als eigenständige Fachdisziplin im ausgehenden 19. Jahrhundert wäre jedoch ohne ein transeuropäisches Netzwerk von Japanforschern nicht möglich gewesen. Von besonderem Interesse ist dabei die Rolle von Bruno Hassenstein in diesen transeuropäischen und globalen Netzwerken. Mit methodischen Überlegungen und Perspektiven der Globalgeschichte, Wissens- und Wissenschaftsgeschichte fragt die Arbeit nach Verflechtungen, Orten, Personen und Praktiken der Wissensproduktion: Wie wurde Wissen über Japan gesammelt, produziert und distribuiert? Wie setzten sich europäische Forschende mit japanischen Wissensbeständen zu Geographie, Philologie, Geschichte und Religion auseinander? Und wie gingen Forschende mit der Frage der japanischen Umschrift um? Um diesen Fragen nachzugehen greift die Arbeit auf die reichhaltigen Überlieferungen der Sammlung Perthes zurück, die neben Briefen, Notizen, Arbeitstagebüchern, ebenso eine Vielzahl von Karten und japanischen Übersetzungen enthält. Insgesamt unternimmt das Projekt einen Perspektivwechsel, in dem es die Entstehung der deutschsprachigen Japanologie in transeuropäischen und globalen Kontexten verortet.
Bild: 秋山永年墨仙[作図] / 船橋渡 ; 船越守愚[撰], Fujimi Juusanshuu Yochi No Zenzu, Japan: Shūseidō 1843, 155 × 175cm, Forschungsbibliothek Gotha, Sammlung Perthes, SPK 30.15.b.06 C (01), Bl. 8.