Diana Hitzke, M.A.

Projektskizze

Projektskizze

Nomadisches Schreiben nach dem Zerfall Jugoslawiens: David Albahari, Bora Ćosić, Dubravka Ugrešić
David Albahari, Bora Ćosić und Dubravka Ugrešić verließen in den 90er Jahren während des Zerfalls Jugoslawiens und den damit verbundenen Kriegen ihre Herkunftsländer, schreiben aber weiterhin in ihrer Muttersprache. Die Krise der nationalen, ethnischen und subjektiven Identitäten wirkte sich auch auf ihr Selbstverständnis als Autoren aus. In ihren Gastländern werden sie oft mit einer Rezeption als Vertreter ihrer Herkunftsländer und mit einer Politisierung der Sprache, in der sie schreiben, konfrontiert. 

Im Mittelpunkt der im Rahmen des Dissertationsprojekts untersuchten Prosaarbeiten stehen Texte, die Fragen der "Migration des Denkens und des Menschen" (Ian Chambers) gleichermaßen thematisieren. Textuelle Bewegungen spielen dabei ebenso eine Rolle wie biografische und quasi-autobiografische Darstellungen von Migrationsprozessen. Den zentralen Untersuchungsgegenstand der Arbeit bilden diejenigen Texte, in denen ein autobiografisch geprägter Ich-Erzähler, der zugleich Schriftsteller ist, im Vordergrund steht. Dadurch wird ein besonderer Fall von Migration, nämlich diejenige von Autoren, thematisiert. Diese Texte oszillieren zwischen der realen Migrationserfahrung von Personen und deren Metaphorisierung als (textualisierte) Exilerfahrung. Die Besonderheit der postjugoslawischen Schriftsteller besteht darin, dass die Autoren nicht nur geografisch von ihren Herkunftsländern und -literaturen entfernt weiterschreiben, sondern dass sie das Land bzw. die Länder, aus denen sie weggegangen sind und als deren Vertreter sie nun teilweise rezipiert werden, überhaupt erst definieren müssen. Das ehemalige Jugoslawien existiert nicht mehr, die darauf folgenden Kriege verkomplizierten die Zugehörigkeit zu nationalen, ethnischen und religiösen Identitäten und mit den Nachfolgestaaten können sich die Autoren oft nicht identifizieren. Ein gutes Beipiel für diese Situation ist Dubravka Ugrešić, die auf ihrer Homepage als Geburtsort "(what used to be) Yugoslavia, in its republic Croatia" angibt und im Ausland als "kroatische Autorin" rezipiert wird, obwohl sie gerade vor der Nationalisierung (der Literatur) in Kroatien geflohen ist. In diesem Sinne erscheinen die Erzähler, indem sie die Autorerfahrung textualisieren, in einem doppelten Sinne als "Fremde". Als solche werden sie mit kollektiven Bezugsrahmen konfrontiert. Insofern kann die  Position des Erzählers als die eines Nomaden verstanden werden.

Die Texte arbeiten jedoch nicht nur auf Figuren- und Identitätenebene mit Fragen von Migration und Bewegung, sondern machen diese auch in textuellen Prozessen sichtbar. Das quasi-autobiografische Schreiben bewirkt bei allen drei Schriftstellern eine ständige Bewegung zwischen Autor, Erzähler und Protagonist. Die Thematisierung des Schreibprozesses selbst verkompliziert die Grenzen zwischen inner- und außertextuellen Instanzen. Albahari arbeitet mit intermedialen Bewegungen, Ugrešić mit einem ständigen Wechsel von Genres und Ćosić mit intertextuellen Bezügen auf Film, Philosophie und Weltliteratur. Migration und Bewegung als textuelle Kategorien bilden einen besonderen Schwerpunkt der Arbeit, der über kultur- und identitätspolitische Fragestellungen hinausgeht. Eine besondere Rolle spielt dabei die Frage, in welchem Raum diese Literatur zwischen nationalen und transnationalen Kategorien verortet werden kann. In der Dissertation soll die Spezifik des nomadischen Schreibens bei Albahari, Ćosić und Ugrešić herausgearbeitet werden und im Kontext von Konzepten von Nomadismus und Kosmopolitismus, von Exilliteratur und Migrationstheorien analysiert werden.

Wissenschaftlicher Werdegang

Wissenschaftlicher Werdegang

Seit April 2013 |  Diana Hitzke ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Slawistik der Universität Gießen.

Seit 2010 | Assoziiertes Mitglied im Forum Texte.Zeichen.Medien

Seit 2009 | Stipendiatin an der Plattform Weltregionen und Interaktionen. Area Studies Transregional an der Universität Erfurt.
Lehrbeauftragte an der Humboldt-Universität zu Berlin.

2008-2010 | Teilnahme an den Zukunftswerkstätten der Goetheinstitute Zagreb, Belgrad und Sarajevo zu "Narrationen und Konstruktionen von Nationalität/Identität/Geschichte in Bosnien und Herzegowina, Kroatien und Serbien im 20. und 21. Jahrhundert". 

2007-2009 | wissenschaftliche Hilfskraft an der JLU Gießen. 

Bis 2007 | Studium der Allgemeinen und Vergleichenden Literatur- und Kulturwissenschaft/Komparatistik, Musikwissenschaft und Slavischen Literaturwissenschaft (Kroatisch) in Gießen und Zagreb (Abschluss 2007). Magisterarbeit zum Thema „Theorie und Praxis der literarischen Subversion“ zu Judith Butler, Jacques Derrida, Julia Kristeva, Elfriede Jelinek und Vladimir Sorokin.

2000-2001 | Chorelevin, Dramaturgie- und Regieassistentin am Sorbischen Nationalensemble Bautzen.

Forschungsschwerpunkte

Forschungsschwerpunkte

  • Exil- und Migrationsliteratur, Postcolonial Studies
  • Bosnische, kroatische und serbische Literatur
  • Gegenwartsliteratur aus komparatistischer Perspektive
  • Poststrukturalistische Philosophie und Literaturtheorie
  • Subversive Schreibstrategien
  • Theorien des Subjekts und der Intersubjektivität

Lehrveranstaltungen

Lehrveranstaltungen

  • SoSe 2009: "Identität, Erinnerung, Exil: Bora Ćosić und Dubravka Ugrešić" / Lehrauftrag für Südslawische Literaturen (Bosnisch, Kroatisch, Serbisch) am Institut für Slawistik an der Humboldt-Universität zu Berlin
  • SoSe 2010: "Konzepte von Hybridität und deren Anwendung auf die slavischen Literaturen" / Lehrauftrag für Südslawische Literaturen (Bosnisch, Kroatisch, Serbisch) am Institut für Slawistik an der Humboldt-Universität zu Berlin