Hanna Sohns, M.A.

Projektskizze

Projektskizze

Affektionen / Passionen der Unruhe: Pascal, Pessoa

Betreuung durch Prof. Dr. Jörg Dünne (Erfurt) und PD Dr. Cornelia Wild (München)

Die in der Dissertation angestrebte Analyse des Livro do Desasocego zentriert sich um eine Deutung des Begriffs der „Unruhe“ [desasocego], der sowohl für die Fragmente des Livro selbst als auch für das Verständnis des Gesamtwerkes von Pessoa von umfassender Bedeutung ist.

Die im Livro vorgenommene Reflexion des menschlichen Daseins ist dabei grundlegend für die eigene Situierung des hier schreibenden Subjekts. Die Unruhe bezieht sich so nicht nur auf die Betrachtung des Äußeren, sondern ebenso auf die Position des reflexiven Lebens, das sich in hohem Maße von Unruhe bestimmt zeigt. Dabei erfüllt die Unruhe und die mit ihr verbundene Passivität zugleich eine spezifisch poetologische Funktion. Nicht nur wird dieser aktiv-passive Zustand des schreibenden Subjekts über das fragmentarische Schreiben hervorgebracht und bezeugt, er ist, wie die Untersuchung zeigen will, auf das Schreiben und auf das im Livro entworfene, spezifische Denken gerichtet: Die Fragmente suchen nach der poetischen Bestimmung und Hervorbringung eines Zustands der Unruhe, der als Ausgangspunkt einer schöpferischen Produktion in den Fragmenten figuriert wird. Die Analyse der Fragmente des Livro in ihrer aktiv-passiven Dimension bildet damit gleichzeitig auch die Voraussetzung für die Einordnung des Buchs in das Gesamtwerk Pessoas und die Deutung der heteronymen Denkanlage, zu der sie in gleichzeitig begründender wie nachgeordneter Beziehung stehen.

Die passive Dimension des Schaffensprozesses ist, so die zentrale These des Projekts, theologisch geprägt. Denn während in der philosophischen Tradition die Passivität der Aktivität vor allem untergeordnet wird, so liegt dem theologisch-christlichen Denken eine Wertschätzung der Passivität zugrunde. Ausgehend von dieser Ausgangsbeobachtung sollen die Pensées Pascals den Fragmenten des Livro gegenübergestellt werden. Die aktiv gesuchte Ausbildung der Unruhe steht, wie die Dissertation aufzeigen will, in Verbindung mit einer Bejahung des Zustands unruhiger Passivität, den Pascal seinen Pensées zugrunde legt. Die Pensées bilden daher für die Deutung der Unruhe im Werk Pessoas einen zentralen Intertext und stehen nicht nur in ihrer fragmentarischen Form in aufschlussreicher Nähe zu ihm. Die in den Fragmenten beider Autoren im Zentrum stehende Unruhe als zugleich spezifisch eingenommener Zustand des schreibenden Subjekts wie als Deutung des menschlichen Daseins erscheint als Zeugnis einer jeweils unterschiedlich ausgerichteten Suche nach Transzendenz: Geht es beiden Autoren in ihrer Ausrichtung auf diesen Zustand um die Bestimmung des Menschen in der ihm wesentlichen Unruhe und Passivität, so wird dieser Zustand gleichzeitig als Ermöglichungsgrund einer spezifischen Erfahrung entworfen.

Für die Interpretation maßgeblich wird dabei auch der Vergleich mit anderen Autoren sein, um die Fragmente in einen historischen und theoretisch-philosophischen Kontext einzubinden und um Einflüsse, Brüche oder bedeutsame Berührungspunkte aufzuzeigen. Dabei steht der Begriff der Unruhe im Zentrum dieser Lektüren zu Montaigne, Augustinus, Amiel, Baudelaire, Nietzsche und Blanchot.

Wissenschaftlicher Werdegang

Wissenschaftlicher Werdegang

Studium der Romanischen Philologie (Französisch), der Lateinischen Philologie und der Neueren deutschen Literatur an der LMU München

Magisterarbeit: Poetische Formen. Nietzsche und Pessoa
(bei Prof. Dr. Marcus Coelen und Prof. Dr. Horst Weich)


seit 11 / 2013 | Doktorandin im Forum: Texte. Zeichen. Medien an der Universität Erfurt
Promotionsstipendium der Landesgraduiertenförderung Thüringen und der Universität Erfurt

09 / 2013 – 02 / 2014 | Forschungsaufenthalt an der Université Paris Diderot, Paris VII und an der Université Sorbonne
Nouvelle, Paris III, Aufnahme in die École Doctorale „Littérature française et comparée“
Unterstützt durch ein Kurzstipendium des DAAD

10 / 2012 – 09 / 2013 | Doktorandin des Promotionsstudiengangs „Literaturwissenschaft“ an der LMU München

10 / 2012 – 09 / 2013 | Wissenschaftliche Mitarbeit am Lehrstuhl von Prof. Dr. Barbara Vinken bei Dr. Cornelia Wild, Institut für Romanische Philologie, LMU München

seit 03 / 2014 | Lehrbeauftragte am Institut für Romanische Philologie, LMU München

10 / 2007 – 02 / 2014 | Studentisch-wissenschaftliche Hilfskraft bei Dr. Cornelia Wild und Prof. Dr. Barbara Vinken, Institut
für Romanische Philologie, LMU München

10 / 2010 – 02 / 2011 | Studentisch-wissenschaftliche Hilfskraft bei Dr. Heide Volkening, Lehrstuhl von Prof. Dr. Inka Mülder-Bach, Institut für Neuere deutsche Philologie, LMU München

Publikationen

Publikationen

Als Mitherausgeberin der Reihe Unbedingte Universitäten (Auszug):

  • Unbedingte Universitäten (Hrsg.): Was ist Universität? Texte und Positionen zu einer Idee. Berlin/Zürich: Diaphanes 2010.
  • Unbedingte Universitäten (Hrsg.): Was passiert? Stellungnahmen zur Lage der Universität. Berlin/Zürich: Diaphanes 2010.
  • Plinio Prado: Das Prinzip Universität. Aus dem Französischen von Regina Karl, Johannes Kleinbeck, Anouk Luhn und Hanna Sohns. Berlin/Zürich: Diaphanes 2010.

In Vorbereitung (seit 05/2012):

  • Neuübersetzung und Kommentierung des Livro do Desasocego auf Basis der kommentierten 2012 erschienenen portugiesischen Ausgabe (hrsg. v. Jerónimo Pizarro. Lisboa: INCM 2010; Edição crítica de Fernando Pessoa: Série maior; 12); in Zusammenarbeit mit Marcus Coelen und Oliver Precht.

Lehrveranstaltungen

Lehrveranstaltungen

Roland Barthes: plaisir du texte (Proseminar im Sommersemester 2012, LMU München)

Poetik des Traums in der Moderne (Proseminar im Wintersemester 2012/13, LMU München)

Charles Baudelaire: Petits poèmes en prose (Proseminar im Sommersemester 2013, LMU München)

Poetik der Unruhe: Fernando Pessoas "Livro do desassossego" und die europäische Moderne (Bachelor- / Masterseminar im Wintersemester 2014/15 an der Universität Erfurt)