Die Publikation der Mohammed- Karikaturen in Dänemark löste eine europäische Debatte über Meinungs- und Pressefreiheit aus, die auch in der deutschen Öffentlichkeit als "Karikaturenstreit" weitergeführt wurde. Anhand von Text- und Bildmaterial wird diese Auseinandersetzung chronologisch rekonstruiert, die von mehreren Interessengruppen beeinflusst wird. Grundlage dafür ist eine Kontrastierung der medialen Inszenierung und ihrer politischen Auswirkungen.
Der Karikaturenstreit hatte seinen Ursprung in der dänischen Ausländerpolitik und beinhaltete zunächst innen- und außenpolitische Dimensionen. Die dänische Regierungskoalition aus Rechtsliberalen (Venstre) und der konservativen Partei forcierte eine anti-islamische Debatte, die seit dem Jahr 2001 in Skandinavien an Schärfe zugenommen hat. Sie bereitete damit das politische Klima für die Popularisierung rechten Gedankenguts bis in die Mitte der dänischen Gesellschaft.
Der Karikaturenstreit begann mit dem Vorhaben des dänischen Autors Kåre Bluitgen, der für die Illustration seines Kinderbuchs mit dem Titel "Der Koran und das Leben des Propheten Mohammed" in Dänemark angeblich keinen Illustrator fand.
Die Weigerung der Zeichner, Mohammed bildlich darzustellen, wurde als Selbstzensur gedeutet. Am 16. September 2005 wurde diese Meldung durch die dänische Nachrichtenagentur Ritzau an die Medien geleitet. Der Leiter des Kulturressorts der konservativen Zeitung "Jyllands-Posten", Flemming Rose, griff das Thema auf und verfasste einen Aufruf zu einem Karikaturenwettbewerb, wie sie Mohammed sehen, den er an 40 Zeichner verschickte. Nur zwölf Zeichner lieferten ihre Karikaturen ab. Diese wurden am Freitag, 30.9. 2005 in "Jyllands-Posten" veröffentlicht.
Die anschließenden friedlichen Proteste der dänischen Muslime wegen Verspottung ihres Propheten fand in der Öffentlichkeit kaum Beachtung. Ausschreitungen hatten in überwiegend muslimischen Ländern am Freitag, 3. Februar 2006, also erst vier Monate nach Erstveröffentlichung der Mohammed-Karikaturen und deren Nachdruck mit dem internationalen "Tag des Zorns" ihren Höhepunkt.
Aus Solidarität mit Dänemark und dem europäischen Wertekonsens hat die europäische Presse die dänischen Karikaturen auszugsweise nachgedruckt, insbesondere in Frankreich und Deutschland.
In Deutschland nahm der Karikaturenstreit im Februar 2006 seinen Anfang, so dass nicht nur die Medien sondern auch das deutsche Parlament sich in einer „Aktuellen Stunde“ der „Deeskalation des Karikturenstreits“ widmeten. Zu dieser Parlamentssitzung wurden erstmals in der deutschen Geschichte auch führende islamische Verbände offiziell als Zuhörer eingeladen. Die Debatte um die Mohammed-Karikaturen hat auch die Diskussion um die Integration der muslimischen Minderheit in Deutschland weiter angefacht. Daraufhin wurde nach über 50 Jahren Nachkriegsmigration eine „Integrationsgipfel“ und „Islamkonferenz“ im Juli und September 2006 von der deutschen Kanzlerin Angela Merkel und dem Innenminister Wolfgang Schäuble einberufen, die bis heute mehrmals getagt hat..
Mit dem Aufruf der iranischen Zeitung "Hamschahri" zu einem internationalen Karikaturenwettbewerb mit dem Titel "What Is the Limit of Western Freedom of Expression?" wurde eine neue Stufe in der Diskussion um Meinungs-Presse- und Kunstfreiheit erreicht.
Zur Analyse des Karikaturenstreits wurde auf der Basis der Recherchen in drei Ländern ein Konzept entwickelt, das als theoretische Ausgangshypothese dient.
Der öffentliche Diskurs in den jeweiligen Ländern wird anhand der folgenden vier Hauptkomponenten untersucht: Politik, Medien, Karikaturist und Publikum.
Das Vorhaben fragt nach der Funktion der Bildsatire und der Aufgabe der Presse bzw. Medien, die zu einer verantwortlichen Aufklärung und Wahrung der Menschenwürde verpflichtet sind. Der Arbeit versucht, Bildsatiren von Spottbildern zu unterscheiden und soll hiermit zur gegenseitigen Verständigung beitragen.
Prof. Dr. Kai Hafez (Universität Erfurt)