Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft
Dr. Nils Plath
"How Western is California? The Promised Progress at the Other Coast and its Discontents"
(Kalifornien, wie westlich ist es? Zur Verheißung des Fortschritts im Golden State an der Westküste und ihren anderen Seiten)
„California“ erscheint in der Geschichte der USA als die Chiffre einer Verheißung – seit der Errichtung der spanischen Missionen entlang der Küste, mit den goldsuchenden 49ers, den Utopisten und Kommunen im 19. und frühen 20. Jahrhundert, den verschiedenen Migrationsbewegungen im Laufe der letzten zwei Jahrhunderte aus Ost, West und Süd, den Beatniks und Hipstern der Fünfziger und Sechziger, den verschiedenen gesellschaftlichen Countercultures der Sechziger und Siebziger (Enviromentalisten, Minderheiten, Black Power, Women‘s Liberation und Gay Rights, religiöse Sekten, Popkultur...) bis zu den global operierenden Technologiefirmen des Silicon Valleys mit ihren aus Netzwerktheorien sich materialisierenden Wirklichkeiten.
Unter sehr verschiedenen Vorzeichen versprach und verspricht „California“ immer neue Zukunftsprojektionen – und das nicht erst heute mit globaler Wirkung – und kann in aktuellen Gegenwarten wie in historisch rückblickender Perspektive zur Betrachtung von epistemologischen und zeitdiagnostischen Standpunkten und den vielfachen und einander widersprechenden Selbstbeschreibungen und Fremdansichten dienen, die eine polykontextuelle Moderne ausmachen. Der Bundesstaat an der amerikanischen Westküste ist äußerster Punkt einer Verheißung von etwas, das im Moment der Gegenwart als Fortschritt gesehen werden will, einer Fortschreibung und Überbietung jener Manifest Destiny nämlich, die die amerikanische Verfassung im 18. Jahrhundert vor dem Hintergrund staatstheoretischer Abhandlungen, aufklärerischen Gedankenguts und eines (deutschen) Idealismus verbriefte: (materielles und „seelisches“, individuell und kollektiv erfahrenes) Glück und Selbstbestimmung mit Sendungsbewusstsein.
Das verheißungsvolle „Go West!“, das zur territorialen Expansion und Landnahme des gesamten nordamerikanischen Kontinents führte, findet im Golden State an der Westküste sein ultimatives Ziel wie dabei eine topographische Grenze und zugleich ein imaginatives Beyond; bildete sich konkret räumlich ab und schreibt sich als Idee zeitlich in Imaginationen ein. Um mit globaler und zeitaktueller Perspektive Antworten auf die Frage „Was ist westlich an Kalifornien“ zu finden, soll dieses historische und aktuelle, aus vielen Perspektiven sich kaleidoskop-artig zeigende „California“ in seinen Schriften und medialen Ausformungen gelesen werden.
Das Projekt verortet sich in einem größeren Forschungszusammenhang zu Weltliteraturen im globalen Zusammenhang und ihren Zeitbezügen.