Meist wird das Bild der Weimarer Republik im Rückblick auf das pulsierende Leben in Berlin verkürzt, wo das politische Machtzentrum des Deutschen Reichs lag und eine innovative Kulturszene den Eindruck eines vermeintlichen "Tanzes auf dem Vulkan" prägte. Erstmals widmete sich nun eine interdisziplinäre Tagung der Moderne der 1920er Jahre in den Regionen jenseits der Hauptstadt, die von den Berlinern gerne als "Provinz" verspottet wurde. Gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus den Literatur-, Geschichts-, Medien- und Sozialwissenschaften korrigierte Prof. Dr. Dr. Patrick Rössler dieses Bild nun nachhaltig: Tatsächlich waren in den anderen Metropolen des Reiches wichtige, teils von Berlin unabhängige Entwicklungen der Moderne zu beobachten - als Stichworte seien nur das "Neue Frankfurt", das Bauhaus in Weimar und Dessau oder die föderale Struktur der deutschen Rundfunksender genannt.
In seinem Beitrag betrachtete Rössler erstmals ein bislang vernachlässigtes mediales Genre: das der ortsbezogenen Illustrierten, die als Teil des "Iconic Turn" jener Epoche das Weltwissen ihres Publikums in den Regionen maßgeblich beeinflussten. Von der "Münchner Illustrierten Presse" bis zum "Illustrierten Blatt" in Frankfurt erzielten aktuelle Illustrierte hohe Auflagen und konfrontierten ihre Leserschaft mit Postionen des "Neuen Sehens"; gleichzeitig entstanden erste Stadtmagazine, die sich bevorzugt mit den Erscheinungsformen der Moderne in Gesellschaft, Architektur und Kultur befassten. Eine "Doppelte Illustriertenmoderne" resultierte daraus, wenn diese Blätter selbst nach den Prinzipien der grafischen Avantgarde im Stile der "Neuen Typografie" gestaltet waren.
Die Tagung, die von der Fritz Thyssen Stiftung finanziert und dem Team um Prof. Dr. Sabina Becker vom Deutschen Seminar der Uni Freiburg organisiert wurde, untermauerte nachdrücklich, wie dringend das oft monolithisch auf Berlin konzentrierte Bild von der Weimarer Republik einer Korrektur bedarf. Es ist vorgesehen, die Erkenntnisse der breiteren Öffentlichkeit durch einen wissenschaftlichen Aufsatzband zugänglich zu machen.
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