Figurentheater und Roman sind enge Verbündete. Das Figurentheater arbeitet traditionell gern mit Romanvorlagen; umgekehrt gibt es viele Romane und Erzählungen, etwa von Theodor Storm, Harry Mulisch und Philip Roth, in denen Figurentheater eine tragende Rolle spielt und gar für die Ästhetik des Textes selbst steht. Dieser Verbindung soll in einem eintägigen Kolloquium mit Workshop nachgegangen werden, der von der Professur für Neuere Englische Literatur der Universität Erfurt in Kooperation mit dem Theater Waidspeicher organisiert wird. Die Veranstaltung wird als Programmpunkt des Synergura Festivals des Theaters Waidspeicher (5. bis 9.6.2024) am 9. Juni 2024 stattfinden. Außerdem ist die Veranstaltung Teil des Forschungsprojekts "Puppetry as a Model of Literature and Language in the 20th and 21st Century".
Synergura ist eines der wichtigsten und innovativsten Figurentheaterfestivals im deutschsprachigen Raum, getragen vom Theater Waidspeicher, einer der großen Puppenspielbühnen in Deutschland. Der geplante Workshop soll neben einer Reihe von Fachvorträgen auch einen vom Ensemble des Waidspeicher gestalteten Vortrag oder Response und einen Romanworkshop mit Puppen umfassen.
Figurenspiel ist eine theatrale Praxis, bei der jegliches Material zum Zeichen eines menschlichen oder nichtmenschlichen Wesens werden kann. Gerade beim sogenannten offenen Spiel bleibt diese Figuration beständig sichtbar. Damit ist das Figurentheater dem gedruckten Text mindestens ebenso ähnlich wie dem Prinzip der Verkörperung im Menschentheater. Daneben vermittelt der die Figuren Spielende beim offenen Spiel dem Publikum die Geschichte und ist deshalb mit der Erzählinstanz im Roman vergleichbar. Durch die freie Beweglichkeit der Figuren können Räume und Zeiten der Erzählung im Puppenspiel viel freier durchmessen werden als im Menschentheater. Hat das Figurentheater an den drei Einheiten der Dramentheorie vielleicht gar kein Interesse und adaptiert deswegen lieber Romane als Dramen? Es ist naheliegend, aber noch nicht näher untersucht worden, dass der Roman im Figurentheater auf sich selbst, d.h. seine Poetik ebenso wie seine Politik, reflektieren kann, ebenso wie das Figurentheater im und durch den Roman seiner selbst, seiner Gestaltungs- und Entwicklungsmöglichkeiten, gewahr werden könnte.