Promovierende

Die Promotionsordnungen der Universität Erfurt (Philosophische Fakultät) - gültig ab 2007, ab 2012 und ab 2022 - finden Sie auf der Seite https://www.uni-erfurt.de/universitaet/beratung-service/hochschulrecht/satzungsrecht/-verwaltungsvorschriften-der-universitaet-erfurt/studium/promotionsordnungen/philosophische-fakultaet .


LUISA MOLLWEIDE

Religion auf der Bühne: Sozio-religiöse Praktiken in den Komödien der römischen Republik

Betrug, Habgier, Gewalt und Zuhälterei sind beliebte Motive in Komödien, die auf den ersten Blick dem reinen Unterhaltungszweck für das Publikum dienen. In den republikanischen Komödien zeigt sich jedoch ein verbindendes Element: die Religion. Die Analyse des Theaters und der Aufführung von Komödien in der römischen Republik eröffnet einzigartige Einblicke in die republikanischen Gesellschaftsstrukturen und die damit verbundenen Diskurse und Verhandlungen über die Ausführung von ritualisierten Praktiken und ihren sozialen Dimensionen. Die republikanischen Komödiendichter Titus Maccius Plautus (ca. 250 – 184 v. Chr.) und Publius Terentius Afer (ca. 195 – 159/8 v. Chr.) travestierten griechische Komödien und integrierten dabei römische Kulturelemente.

Die Problematik einer Analyse von sozio-religiösen Praktiken auf der Bühne besteht darin, dass Komödien auch immer eine fiktive, inszenierte und überspitzte Welt konstruieren und dadurch eine Reflexion der lokalen oder auch regionalen rituellen Dynamiken, Traditionen, Bräuche und Vorstellungen der römischen Republik darstellen. Um die Komödien in ihrer Komplexität zu untersuchen, werden sowohl das Theater in seiner Gesamtheit – mit Musik, Bühnenbild, Schauspiel und Publikum – als auch ausgewählte republikanische Komödien analysiert, um ein tieferes Verständnis für ihre gesellschaftliche Bedeutung und ihre Rolle als Quelle für die republikanischen Gesellschaftsstrukturen zu gewinnen. Im Zentrum der Untersuchung stehen zwei Fragestellungen: Zum einen soll herausgearbeitet werden, welche Funktion der Inszenierung von sozio-religiösen Praktiken auf der Bühne zukommt, zum anderen, in welchen Sujets Religion und Humor zusammengebracht werden können und was dies für eine Aussage über die gesellschaftlichen Strukturen der Republik machen kann. Dafür wird eine multidisziplinäre Herangehensweise verfolgt, die historische, archäologische, religionswissenschaftliche, soziologische und sprachwissenschaftliche Ansätze miteinander vereint.

Betreuung: Kai Brodersen / Katharina Waldner. Annahme als Doktorandin in Erfurt am 25.9.2020.
Kontakt: Luisa.Mollweide.01@uni-erfurt.de

 

OTTO RITTER

Dichter und Dichtung in der römischen Republik, 240–90 v.Chr.

In jüngerer Zeit hat sich die Alte Geschichte auch der Erforschung der Literatur der römischen Republik im 3. und 2. Jh. v.Chr. zugewandt. Große Aufmerksamkeit haben hier v.a. die Historiographie und verwandte Prosagattungen erfahren, kaum jedoch die Werke der Dichtung. Dies kann auf drei überkommene, doch noch immer wirksame Vorurteile zurückgeführt werden: dass sie zu trümmerhaft überliefert seien, als dass eine Beschäftigung lohnend erschiene; dass ihre Schöpfer ohnehin ‚nur‘ Nicht-Römer von minderer sozialer Stellung gewesen seien; dass diese Dichtwerke ohnehin ‚nur‘ Übersetzungen griechischer Vorbilder darstellen. Entsprechend wird der Dichtung auch nur in ihrer Totalität historischer Quellenwert zuerkannt, als Kronzeugin für den Hellenismus der Römer, der erst in der augusteischen Epoche seinen klassischen Abschluss fand. Das Projekt versucht, abseits dieser Vorurteile zu einer angemessenen Würdigung der älteren lateinischen Dichtung zu gelangen und ihre Texte als historische Quellen fruchtbar zu machen. Dies, so die Ausgangsthese, kann nur erreicht werden, indem die Dichtung dieser Epoche nicht nur als künstlerische, sondern auch als soziale Institution – als „das von der Gelegenheit und der Gesellschaft geforderte Wort“ (K. Büchner) – betrachtet und dezidiert in ihren historischen Kontext eingebettet wird.

In diesem Sinne wird der Gegenstand in drei Teilen untersucht: Der erste fragt nach dem Aufkommen literarischer Dichtung im ‚Epochenjahr‘ 240 v.Chr. und versucht, abseits des Hellenismus-Narrativs Bedingungen und Ursachen für die betreffenden Vorgänge innerhalb der römischen Gesellschaft namhaft zu machen. Der zweite Teil widmet sich der Frage, was eigentlich ein Dichter sei und welche soziale Rolle er für sich und sein Tun vindizierte bzw. ihm von der Gesellschaft beigemessen wurde. Der dritte Teil schließlich behandelt die erhaltenen Fragmente und fragt, in welchem Verhältnis die mit Mitteln der Sprache entworfenen Welten der Dichtwerke zu ihrem gesellschaftlichen Umfeld stehen. Was verbindet etwa die poetische persona eines Ennius mit dem Habitus der nobiles seiner Zeit? Welche strukturellen Beziehungen bestehen zwischen den Satiren des Lucilius und der Politik des Tiberius Gracchus? Was sagen solche Beziehungen über den jeweiligen Zustand der römischen Gesellschaft aus und wie hat die Dichtung auf diesen eingewirkt? In einer Zeit, in der der politische und gesellschaftliche Diskurs zunehmend von exklusiven Wahrheitsansprüchen geprägt wird – sprachlich emphatisch vorgetragen in Form von sog. ‚alternativen Fakten‘ und ‚Hasskommentaren‘, deren imaginierte Gewalt gegen Andersdenkende immer häufiger in reale Gewalt umschlägt –, erscheint eine solche Untersuchung höchst aktuell.

Betreuung: Kai Brodersen / Gerrit Kloss (Heidelberg). Annahme als Doktorand in Erfurt 3.11.2016.
Kontakt: otto.ritter@uni-erfurt.de