Karina Theurer (Juristin, Völkerrechtsexpertin und Autorin)
Reproduktion des kolonialen Rassismus und Reparationen. Die Dekolonisierung des Völkerrechts am Beispiel Namibia und Deutschland
Das Völkerrecht wie wir es heute kennen entstand während des europäischen Kolonialismus. Die Unterscheidung zwischen „zivilisierten“ und „unzivilisierten“ Nationen diente als Begründung für den Ausschluss der nicht-europäischen Gemeinwesen aus dem Kreis der Rechtssubjekte innerhalb dieses neuen Völkerrechts. Auf diese Weise konnte die wirtschaftliche Ausbeutung in den Kolonien formell gerechtfertigt werden. Dekoloniale Rechtskritik verweist darauf, wie diese rassistischen Ausschlüsse bis heute im Recht fortwirken. Ein Beispiel dafür ist der gegenwärtige Streit um Reparationen für die im heutigen Namibia begangenen deutschen Kolonialverbrechen: Ausgehend von der rassistischen Unterscheidung zwischen „zivilisierten“ und „unzivilisierten“ Nationen argumentiert die deutsche Bundesregierung, dass keine Rechtsnormen verletzt wurden, als Ovaherero, Nama, Damara und San während des von der deutschen Kolonialarmee begangenen Völkermords im damaligen „Deutsch-Südwestafrika“ (heute Namibia) systematisch getötet wurden. Im Januar 2023 reichte eine Gruppe von Jurist*innen und betroffenen Ovaherero und Nama Klage gegen das zwischenstaatliche deutsch-namibische Abkommen zur Aufarbeitung des Kolonialismus vor dem namibischen High Court ein. Zudem kontaktierten sie die Vereinten Nationen. Karina Theurer wird über die strategische Prozessführung berichten und die rechtlichen Mindeststandards darstellen. Im Anschluss bleibt Zeit für eine gemeinsame Diskussion.