Wir verabschieden die mittlerweile dritte Generation deutscher MESH-Studierender, die im Februar zur Auslandsphase in den Libanon aufgebrochen sind. Erstmalig ist auch unsere neue Partneruniversität, die Université Saint-Esprit de Kaslik (USEK), dabei und die Studierenden sind nun auf USJ und USEK verteilt.
Wir wünschen eine gute Reise und eine interessante Zeit an unseren Partner-Universitäten.
Beirut ist eine große und auf den ersten Blick völlig chaotische Stadt. Zwar gewöhnt man sich nach einigen Wochen an diese Eigenheiten, aber es kann einem leicht passieren, dass man sich dabei in Beirut verliert und den restlichen Libanon aus den Augen verliert. Dabei sind es gerade die Gebiete außerhalb des Ballungsgebietes von Beirut, die dieses Land so atemberaubend machen. Wenn man zwei Monate in Beirut mit seinen rar gesäten Grünflächen verbringt, und es dann doch endlich mal raus in das Libanon-Gebirge schafft, wird man von der Schönheit dieses Landes recht schnell überzeugt.
Unsere Partneruniversität, die Université Saint-Joseph, an der 4 von 7 Studierenden unseres Jahrgangs dieses Semester studieren, organisierte für uns und andere internationale Studierende, einen Ausflug in den Chouf. Es handelt sich hierbei um jenen Teil des Libanongebirges, der als Hochburg der drusischen Minderheit gilt und im Laufe der abwechslungsreichen Geschichte des Libanon mehrmals die Hauptstadt des Libanon - in seiner damaligen Form - beherbergte.
Mit dem Bus und unserem humorvollen Reiseführer Elie, der uns während des ganzen Tagesbegleiten und mit allerlei wissenswerten Informationen füttern sollte, ging es früh am Morgen los in Richtung des Chouf. Vorbei am Flughafen im Süden, entlang an der Küstenstraße, bis wir nach etwa 30 Minuten nach Osten ins Landesinnere abbogen. Hier verschwand die Küstenebene rasch, und es erhob sich langsam das Libanongebirge.
Während die Erhebungen links und rechts der Straße immer größer wurden und wir uns die Straßender Berge entlang schlängelten, erläuterte uns Elie nicht nur die Geschichte des Chouf und der Drusen, sondern auch ihren Platz in der Geschichte des Libanon. Nach weiteren 20 Minuten Fahrt durch das Gebirge erreichten wir unser erstes Ziel, die ehemalige Hauptstadt des Drusenemirats des Libanon, Deir el-Qamar.
Der bekannteste der drusischen Emire des Libanon war ohne Frage Fakhreddine II., welcher in den Jahren seiner Herrschaft nicht nur versuchte unter der osmanischen Oberherrschaft, unter der das Libanongebirge seit 1517 stand, für sein Emirat eine geradezu autonome Stellung zu erreichen, sondern auch in engem Kontakt zu den Medici in Florenz stand. Letzterer Umstand sorgte auch für eine gewisse Bekanntheit des Namens Fakhreddine in Europa, die bis heute nachwirkt.
Direkt am zentralen Platz der Stadt reiht sich ein historisches Gebäude an das nächste. Neben dem Palast von Fakhreddine II. befindet sich hier eine der ältesten Moscheen des Libanon, eine Straßeweiter eine beeindruckende maronitische Kirche, sowie eine Synagoge. Deir el-Qamar erstreckt sich auf einem Hang, die vom zentralen Platz ausgehenden engen Gassen und die alten Häuser mit ihren roten Dächern und Dachterrassen lassen schnell den Eindruck erwecken, dass man sich in einem Dorf in der Toskana befindet. Das mediterrane Klima erledigt den Rest.
Der Palast von Fakhreddine selbst stand nicht auf unserem eigentlichen Besichtigungsplan. Als ich allerdings nach einer halben Stunde zur freien Besichtigung der Stadt wieder am zentralen Platz ankam und auf den Rest der Gruppe wartete, sprach mich ein älterer Herr namens Abdou an, der sich nach meinem Namen und meiner Herkunft erkundigte. Als ich ihm mitteilte dass ich Europäer wäre, gab er sich als "Hüter" des Palastes von Fakhreddine zu erkennen und bestand darauf, mich vor der Weiterfahrt durch den Palast zu führen.
Da ich mir die Gelegenheit nicht entgehen lassen wollte, nahm ich die Einladung gerne an, und wurde in 20 Minuten im Schnelldurchgang mit dem Palast vertraut gemacht. Als besonderes Highlight führte Abdou mich und andere, die sich inzwischen angeschlossen hatten, auf das Dach des Palastes, welches einen unglaublichen Rundumblick über Deir el-Qamar und das Tal, an einem dessen Hänge die Stadt liegt, ermöglichte.
Nachdem Abdou, ganz in Tradition mit der libanesischen Gastfreundschaft, noch eine Einladung in sein Haus aussprach, in dem ich gerne einmal übernachten und mit ihm den Chouf erkunden könne, begab ich mich mit dem Rest der Gruppe zurück zum Treffpunkt, um die Weiterfahrt nach Beiteddine anzutreten. Nach weiteren 15 Minuten Fahrt durch das Gebirge erreichten wir bereits den ehemaligen Regierungssitz des Libanon aus dem 19. Jahrhundert.
Der Palast ist überraschend weitläufig, hinter dem Eingang befindet sich direkt ein großer Exerzierplatz, der in etwa die Hälfte der Gesamtfläche der Anlage einnimmt. Der eigentliche Palast, erbaut von Emir Bashir Shihab II. zwischen 1788 und 1818, kommt dem verklärten Bild des Orients, welches sich in Europa hartnäckig hält, relativ nahe. Wer jedoch zum Beispiel nach einemHarem sucht, wie ihn sich die Europäer ja so fantasievoll ausmalten, wird in diesem Sinne auch hier nicht fündig, sondern schlicht mit der Realität konfrontiert.
Amtszimmer, mehrere Empfangsräume, ein großer Bäderkomplex, sowie die Unterkunft des Emirs und seiner Frau finden sich verteilt in dem Gebäude, welches um einen großen Brunnen herum errichtet wurde. In den Katakomben findet sich eine abwechslungsreiche Sammlung von Mosaiken aus verschiedenen Epochen. Natürlich fehlt auch der Palastgarten nicht, der sich fast einmal um die gesamte Anlage erstreckt und einen wunderbaren Ausblick ins Tal liefert.
Seit seiner Errichtung war der Palast von Beiteddine fast durchgängig Amtssitz einer libanesischen Autorität. Von den Emiren, über die osmanischen Gouverneure, bis hin zu den libanesischen Präsidenten. Letztere machten den Palast zu ihrem Sommersitz. Da es aufgrund einer innenpolitischen Krise noch nicht zur erfolgreichen Wahl eines Nachfolgers des ehemaligen Präsidenten Sleiman kam, war es uns jedoch möglich, die Amtszimmer des Präsidenten zu besuchen. Es bleibt zu hoffen, dass diese nach einem Jahr ohne Präsidenten, bald wieder bezogen werden können.
Nach unserer ausführlichen Besichtigung ging es mit dem Bus zur letzten Etappe unseres Ausflugs, einem ausgiebigen Abendessen in einem abgelegenen Restaurant an den Hängen des Chouf, mit atemberaubenden Blick über das Gebirge und das angrenzende Tal. Die Universität kam für die Unkosten auf, und so wurde eine libanesische Speise nach der anderen aufgetischt, bis auch wirklich jeder satt war. Nachdem nun bereits langsam die Dämmerung einsetzte, machten wir unsauf den Rückweg ins das geschäftige Beirut.
Philipp Lehmann
Ausflug nach Beit ed-Dine
Mit zwei Freundinnen aus der Uni mache ich meinen ersten Ausflug in die Berge. Wir wollen Beit ed-Dine besuchen, die Residenz des Emirs des Libanon im 18. und 19. Jhdt Bashir Shihab. Der Palast liegt im Chouf, eine Bergregion südöstlich von Beirut, in der überwiegend Drusen leben. Glücklicherweise haben wir eine Libanesin dabei, die weiß welche Busse wohin fahren, und wir fragen uns in Beirut-Kola zu den Bussen in die Berge durch. Nach 1,5h sehen wir endlich schneebedeckte Gipfel und eine traumhafte Landschaft. Von außen sieht Bei ed-Dine eher nichtssagend aus, aber von innen sind die Räume wunderschön und reich verziert mit Kalligraphie. Um einen großen Hof herum liegen die verschiedenen Gebäude, inklusive Bade- und Ballsaal. Die Angestellten lassen uns sogar hinter die Absperrungen und wir dürfen uns auf die ausgestellten Stühle der Prinzessin setzen und Fotos machen. Hinter dem Palast ist neben einem von Säulen umgebenen Garten noch eine Austellung von byzantinischen Mosaiken, die ursprünglich in Jiyyeh entdeckt wurden.
Danach besuchen wir noch das nahe gelegene Dorf Dair el-Qamar, das aussieht, als ob es direkt aus der Toskana hierher verlegt worden wäre. Nach einigem Fragen finden wir auch wieder einen Bus, der uns nach Beirut zurückbringt. Es ist zwar immer etwas kompliziert, den richtigen Bus zu finden, aber die Taxi- und Busfahrer sind immer sehr hilfsbereit, genauso wie die Soldaten. Arabisch Kenntnisse sind dabei durchaus von Vorteil!
Helena Floeser
Was macht ein*e Student*in in seiner*ihrer Freizeit? Richtig – Museen erkunden. Was sonst?
So begann unsere Woche mit einem Besuch im Beirut art center in der Ausstellung zu Ehren des britischen Soziologen Stuart Hall (1932- 2014). Besonders im Gedächtnis geblieben ist uns die Installation von Zineb Sedira. In einer Abfolge von Videos unterhalten sich die in Großbritannien aufgewachsene Enkelin (auf Englisch) mit ihrer Mutter, Französin mit algerischen Wurzeln und ihrer algerischen Großmutter auf Arabisch. Es folgt ein Zwiegespräch zwischen Mutter und Tochter auf Französisch. Da wir gerade einen viersprachigen (Französisch, Englisch, Arabisch, Deutsch) Alltag leben und uns im Sprachenwirrwarr zurecht finden, konnten wir zumindest ansatzweise verstehen, wie dies in einer Mehrgenerationenfamilie funktionieren kann.
Was bedeutet es, wenn du in einem Land lebst, in dem ein Großteil der öffentlich sichtbaren Medien eine Schrift benutzen, die du eventuell nicht oder nur begrenzt lesen kannst?
Welchen Einfluss hat es auf deine Identität, wenn du an der Universität fast ausschließlich in einer Fremdsprache kommunizierst, auch außerhalb des Unterrichts?
Was bedeutet es, wenn sich Großmutter und Enkelin aufgrund der Sprachbarriere gar nicht mehr verständigen können?
Wie weit reicht Migration und welche Einflüsse übt sie aus?
Weniger tiefgründige Fragen stellten wir uns ein paar Tage später bei der „nuit des musées“ vergleichbar mit der deutschen langen Nacht der Museen. Hier waren wir sowohl im Nationalmuseum, in einer beeindruckenden Mineraliensammlung als auch in der Villa Audi, einem von einer Bank gestifteten Mosaikmuseum.
Für uns als Geschichtswissenschaftler*innen war es beeindruckend, hundert- bis tausendjährige Zeugnisse der phönizischen Kultur bestaunen zu können und den Abend bei einem Wein mit unserem Falafelmenschen des Vertrauens ausklingen zu lassen. Welch ein Glück, dass Beirut anscheinend so klein ist, dass man egal wo man hingeht immer Menschen trifft, die man kennt.
Thabea B. und Marei S.
Nach zwei Wochen im Libanon ist es an der Zeit, ein erstes Fazit zu ziehen und die frühen Eindrücke in Worte zu fassen. In diesem Jahr wurde die MESH-Gruppe auf zwei Universitäten aufgeteilt, was bei der Größe der Gruppe auch gut funktioniert. Robby, Helena und ich sind an der Université de Saint-Esprit de Kaslik (USEK) in Jounieh untergekommen, welche neue Partneruni des MESH-Programms ist. Der Küstenort liegt nur ein paar Kilometer nördlich von Beirut, wo der andere Teil der Gruppe studiert.
Nach einigen ersten Erkundungstouren durch die Stadt wird deutlich, dass die Region hier besonders christlich, genauer: katholisch-maronitisch, geprägt ist. An vielen Ecken stehen Vitrinen mit Ikonen, Heiligendarstellungen oder Bildern katholischer Bischöfe. Zudem hat Jounieh einen alten Markt (Souk) direkt am Wasser, der sich mittlerweile zur edlen Luxuspromenade entwickelt hat. Europäische und amerikanische Marken sieht man in vielen Schaufenstern und auf Werbeschildern.
Die ganze Stadt erstreckt sich am Hang eines Berges, hinter welchem sich das wunderschöne Libanongebirge ausdehnt. Über der Stadt auf dem Gipfel der Bergkette steht die Jungfrau Maria als große weiße Bronzestatue der Pilgerstätte Harissa. Dort führt auch eine lange Seilbahnstrecke aus dem Stadtkern heraus hin, welche mit Sicherheit bald von mir getestet werden wird.
Die Universität liegt nur etwa 300 Meter Luftlinie vom Meer entfernt, sodass man einen tollen Ausblick auf das Wasser und die Buchten hat. Der Campus selbst ist sehr schön und modern, und in seiner Größe etwa mit dem der Uni Erfurt zu vergleichen; man hat also kurze Wege und gewinnt schnell einen Überblick. Helena ist in einem Wohnheim auf dem Universitätsgelände untergebracht, Robby und ich wohnen in einem Appartement ganz in der Nähe.
Die USEK ist stark frankophon, die Unterrichtssprache in der Regel Französisch. Auch unsere Veranstaltungen finden in französischer Sprache statt, was natürlich ein gutes Training liefert, an einem langen Unitag aber auch etwas anstrengend ist. Die Seminare an sich haben meist politische Inhalte, was mir persönlich gefällt. Zudem sind alle Dozenten sehr nett und gehen hilfsbereit auf uns ein. Denn nicht nur für uns ist hier alles neu, auch für sie sind wir die erste MESH-Gruppe.
In den nächsten Wochen und Monaten gilt es nun, auch die weitere Umgebung der Küste und des Libanongebirges zu erkunden und die Hauptstadt Beirut zu besichtigen, von der wir bis auf den Flughafen und ein Hotelzimmer in der ersten Nacht kaum etwas gesehen haben.
Yalla Bye! Oder doch eher à bientôt?
Felix Strauch