Fliegender Wechsel: die 1. Gruppe libanesischer Studierender kehrt zurück in den Libanon, der 2. Jahrgang aus Deutschland ist schon in Beirut.
Ähnlich wie in Deutschland, freut man sich als Student natürlich auch im Libanon über jeden freien Tag, der einem ein wenig Ablenkung von der Uni verschafft. Die Ostertage sind da natürlich sehr willkommen. Doch das Treiben der christlichen Gemeinden sollte man sich dabei keineswegs entgehen lassen. Denn ein Besuch der vielen maronitischen, katholischen, griechisch-orthodoxen oder armenischen Kirchen bietet eine einmalige Gelegenheit sich einen persönlichen Eindruck über die Art und Weise zu verschaffen, wie Ostern im Vorderen Orient zelebriert wird.
Karfreitag – Bereits am Morgen, kurz nach dem Aufstehen, kann ich aus meinem Zimmer Gesänge und Musik aus den umliegenden Kirchen meines ausschließlich christlichen Viertels vernehmen. Wie so häufig ist es auch hier die Neugier, welche einen nach draußen auf die Straße zieht, um sich ein eigenes Bild zu machen. Und schon nach den ersten Metern fällt mir eine interessante Entdeckung ins Auge: Viele der Anwohner haben vor ihren Häusern große Altäre errichtet, die mit weißen Leinentüchern umhüllt sind, auf denen entweder ein Bildnis Marias oder Jesus steht sowie zwei bis vier Gefäße mit entzündetem Weihrauch. Um 14.40 Uhr erreiche ich die Saint George Maronite Cathedral im Beiruter Stadtzentrum in die bereits unentwegt Menschen strömen. Also begebe auch ich mich in die Kirche, um mir zumindest noch einen Sitzplatz zu sichern. Um drei Uhr, der Todesstunde Jesu, beginnt schließlich der Gottesdienst. Man erhebt sich, als die zelebrierenden Priester über ein Seitenportal der Kathedrale in das Gebäude treten. Vor dem Altar angekommen spricht der Vorsteher ein paar Worte. Die Gemeinde bekreuzigt sich und setzt sich danach. Dann werden Gebete und Andachten gesprochen, es wird aus der Bibel gelesen und gesungen. Bei jedem Kirchenlied erhebt man sich natürlich. Der durchdringende arabische Gesang entfaltet in der Kathedrale seine volle Wirkung und verursacht wohl nicht nur bei mir Gänsehaut. Dieses Prozedere wiederholt sich einige Male. Obschon ich selbst, auch als Protestant, mit gewissen Abläufen katholischer Gottesdienste vertraut bin, fällt es mir hier dennoch schwer eine bestimmte Struktur hinter der Zeremonie auszumachen. Sehenswert ist es auf jeden Fall und noch dazu eine interessante Erfahrung.
Gegen 16.30 Uhr ist schließlich alles vorüber. Viel Zeit das soeben Erlebte erst einmal zu verarbeiten bleibt nicht, denn ich habe mich bereits für einen weiteren Kirchenbesuch in der Saint Louis Capuchin Church entschieden. Die kurze Fußstrecke zwischen den beiden Gotteshäusern ist schnell überwunden. Schon um 17 Uhr wohne ich daher dem nächsten Gottesdienst bei, der diesmal zumindest auf französisch und nicht arabisch stattfindet. Auch hier beginnt das Prozedere mit einem schweigenden Einzug der Priester, die sich von dem Altar schließlich niederknien und dann auf dem Boden hinstrecken. Es folgt zunächst der Wortgottesdienst mit Bibellesungen zur Passion Christi und begleitenden Gesängen sowie Fürbitten. Im Anschluss daran findet die Verehrung des Heiligen Kreuzes statt. Hierbei hält einer der Priester ein Kreuz empor, während die Anwesenden geordnet hervortreten, sich davor verbeugen, es küssen und sich danach bekreuzigen. Der Gottesdienst schließt mit der Kommunionfeier und dem letztendlichen Segensgebet.
Ostersonntag – Als Protestant bin ich natürlich auch persönlich sehr daran interessiert wie der Ostersonntag in den evangelischen Kirchen zelebriert wird. Die Auswahl fällt wie zu erwarten natürlich eher klein aus und beschränkt sich lediglich auf die National Evangelical Church, welche sich ebenfalls im Central District Beiruts befindet. Mit dem Prunk der übrigen christlichen Gotteshäuser, kann das 1870 errichtete Gebäude zwar nicht unbedingt mithalten, jedoch wartet die Kirche dafür mit einer großartig gestalteten Gartenanlage und ansprechenden Blumenbeeten auf. Da das Grün der Natur in Beirut eher unterrepräsentiert ist, besitzt man folglich einen Grund mehr um herzukommen. Der Gottesdienst findet, wie ich bald erfahre, in zwei unterschiedlichen Gebetsräumen statt. Während die überwiegend arabischsprachige Mehrheit der Einheimischen in der Kirche zusammen kommt, können sich all jene, welche eher dem englischen zugeneigt sind, in der Charles Saad Hall unmittelbar daneben einfinden. Als ich den Saal betrete kommt sofort der Reverend auf mich zu und begrüßt mich mit Handschlag und herzlichen Worten des Willkommens. Er bleibt nicht der einzige. Viele der Gemeindemitglieder kommen auf mich zu, verwickeln mich auf angenehme Weise in Gespräche und bieten mir wunderbare Köstlichkeiten aus dem verbliebenen Osterfrühstück an, von dem noch reichlich vorhanden ist. Eine derartige Aufgeschlossenheit hatte ich in der Tat nicht erwartet. Auch der Gottesdienst lässt meine Erwartungen weit zurück. Er ist interaktiv, kraftvoll, bewegt sehr zum Nachdenken und scheint nicht zuletzt auch eine Reihe amerikanischer Einflüsse zu haben – so zumindest mutet die Überschwänglichkeit des Reverends und ausgelassene Stimmung der Gemeinde an! Mit Ende der Messe bin ich daher auch dementsprechend zufrieden mich hierher auf den Weg gemacht zu haben. Ich bedanke mich bei vielen der Anwesenden für ihre Gastfreundschaft und mache mich auf den Heimweg, auf dem ich noch über vieles des soeben Gehörten nachdenken muss…
Christian Höppner
Wer dem Ruf des Libanon als eines der westlichsten und liberalsten Länder der arabischen Welt wenig Glauben schenkt, der wird vor allem im Zentrum der Hauptstadt schnell eines besseren belehrt. Neben den zahlreichen restaurierten und rekonstruierten Gebäuden aus der französischen Mandatszeit, den religiösen Stätten und modernen Büro- und Regierungskomplexen, prägt sich vor allem der Distrikt Beirut Souks, eine Einkaufsmeile der Superlative, tief ins Gedächtnis ein. Deren Ausmaß scheint sogar westliche Ansprüche zu übertreffen und auch die Namen der Geschäfte vermitteln eine ähnliche Wahrnehmung: Rolex, Dolce & Gabbana, Gucci und andere Nobelboutiquen, warten hier auf die libanesische Oberschicht oder auf gut betuchte Einkäufer aus den Golfstaaten. Für den gewöhnlichen Europäer sowie Normallibanesen kommt mehr als ein Entlangschlendern wohl nur selten in Frage und daher bleibt es wohl bei wenigen Besuchen – so auch für mich.
Dennoch bietet Downtown noch eine andere und weitaus sehenswertere Seite, denn nirgends wird die Aussöhnung zwischen Christen und Muslimen so deutlich wie hier. Die imposante Mohammed al-Amin Moschee, deren Minarette und blaue Kuppel schon aus weiter Entfernung ausgemacht werden können, erhebt sich stolz neben der 1894 fertig gestellten Maronitischen St. Georgs Kathedrale mit ihren schmuckvollen Glasmalereien an der Portalfront. Unmittelbar gegenüber den beiden Gebäuden und lediglich getrennt durch den Garten der Vergebung, einem archäologischen Park mit kulturhistorischen Zeugnissen von über 15 Zivilisationen, befindet sich die Griechisch-Orthodoxe St. Georgs Kathedrale. In nur 50 Metern Entfernung zu ihr, stößt man wiederum auf die große Omari Moschee, einer ursprünglich von den Johannitern im 12. Jahrhundert errichteten christlichen Kirche sowie auf die 1580 erbaute Amir Assaf Moschee. Obwohl keines der Gebäude den Bürgerkrieg ohne Schäden überstanden hat und zum Teil sogar massiv zerstört wurde, erstrahlen alle heute in neuem Glanz und sind somit schöner denn je. So oft man auch an ihnen vorbei gehen mag, sie liefern jedes Mal aufs Neue überwältigende Eindrücke, welche die Erwartungen an den Libanon und die Stadt Beirut stets zu übertreffen scheinen.
Stadt der Kuriositäten
Nachdem die Sonne untergegangen ist und der Himmel in ein dunkles Blau gewechselt hat, geht es mit dem Taxi zurück in Richtung Furn el Chebbek, dem Stadtteil in welchem ich nun lebe. Nachdem der Preis am Autofenster ausgehandelt wurde, geht es wie immer mit Vollgas, herunter gedrehten Scheiben und orientalischer Musik durch das abendliche Beirut. Wie so oft werde ich auch diesmal gefragt, woher ich komme. Da das Gros aller Fahrer für gewöhnlich lediglich dem Arabischen mächtig ist, bin ich schon jetzt beeindruckt, dass die Frage auf Französisch formuliert wurde. ,,Ana min Almanya!’’ gebe ich zu verstehen. Seine Antwort verblüfft mich: ,,Ah wie schön! Und geht’s gut?’’ wirft er mir nahezu akzentfrei entgegen und erstaunt frage ich ihn, ob er tatsächlich deutsch sprechen kann. ,,Natürlich!’’ verkündet er selbstsicher, während er in gewohnter Manier der hiesigen Verkehrsteilnehmer hupend durch die Straßen braust. ,,Wir können auch Italienisch sprechen wenn du magst! Oder Spanisch! Englisch wäre auch kein Problem!’’ Und tatsächlich: Im Minutentakt wechselt er fließend die Sprachen, wohingegen ich nunmehr absolut ohne Worte bin! Anscheinend habe ich eine Koryphäe unter Beiruts Taxifahrern ausfindig gemacht. Interessiert frage ich, wo er all diese Kenntnisse erworben hat, also beginnt er zu erzählen, dass er viele Jahre in Europa gearbeitet hat, in Deutschland, der Schweiz und Italien. Als die Finanz- und Wirtschaftskrise Einzug hielt, brachen die Aufträge ein und schließlich musste er in den Libanon zurückkehren. Jetzt arbeite er in einem Hotel und müsse sich abends als Taxifahrer verdingen, um seine Familie ausreichend zu versorgen. Am Ziel angekommen verabschiede ich mich und gebe angesichts des amüsanten Gesprächs noch etwas Trinkgeld. Doch bevor es endgültig zurück in die Wohnung geht, gilt es zuvor noch es paar Erledigungen zu machen.
Dem Westen nah und doch so fern…
Wer dem wilden, schier endlosen Treiben in den unzähligen Straßen Beiruts mit deren chaotischen Verkehrslagen entfliehen möchte oder vielleicht sogar die westliche Konsumwelt vermisst, der ist im pompösen City Center Beiruts im Stadtteil Furn el Chebbek bestens aufgehoben. In über 200 Geschäften auf vier Etagen, zahlreichen Restaurants und diversen Entertainment Möglichkeiten, wie dem bekannten VOX Cinema, kommt wohl jeder voll auf seine Kosten, noch dazu bei erschwinglichen Preisen. Mit dem klassischen Charme des traditionell arabischen Souk hat das natürlich erneut wenig zu tun und nur allzu sehr fühlt man sich angesichts der gebotenen Kulisse an europäische 'Standards' erinnert. Doch dieser Eindruck kann durchaus trügerisch sein, denn wer sich etwas länger im Kaufhaus aufhält, kann dort eine interessante Beobachtung machen: In unregelmäßigen Abständen wird das Einkaufszentrum nämlich von einem kurzzeitigen Stromausfall heimgesucht, der etwa fünf bis zehn Minuten anhält. In den Geschäften gehen die Lichter aus, worauf die Verkäufer routinemäßig zu den Taschenlampen greifen, Rolltreppen bleiben stehen, die überall über Lautsprecher ertönende Musik verstummt und die Notbeleuchtung den inneren Gangreihen des Kaufhauses schaltet sich an. Die Libanesen nehmen es gelassen… man verlässt die dunklen Geschäfte und verweilt solange vor deren Eingang. Was in Deutschland mit Sicherheit eine Erwähnung in der lokalen Presse wert wäre, ist hier eben banaler Alltag. Ist der Blackout vorbei, nimmt der Betrieb seinen gewohnten Lauf: Servicepersonal reaktiviert die Rolltreppen, Verkäufer testen die Diebstahlsicherung am Ausgang ihrer Geschäfte indem sie Kleidungsstücke hindurchschwenken, Friseure setzten ihre Arbeit fort, Köche bereiten ihre Speisen weiter zu, die Menschen kehren zurück in die Läden. Es ist ein seltsames Schauspiel, das einen schmunzelnd daran erinnert eben doch nicht in Europa zu sein.
Christian Höppner
Am 8.2.2014 landeten ich und zwei meiner Studentenkollegen am Hariri International Airport in Beirut. Als Marokkanerin aus dem Maghreb war ich sehr gespannt auf den Machreq, den arabischen Osten. Und wirklich, es ist ein ganz anderes Land als meine Heimat.
Meine Studienkollegin und ich sind im Studentenwohnheim untergebracht, in einem möblierten Studio mit 2-Bett-Zimmer, Küche, Bad, Balkon, Fernsehen und Internet. Es liegt sehr bequem gleich neben der Universität Saint Joseph - ungefähr eine Minute zu Fuß. Alles ist in der Nähe, die Supermärkte und Gemüsehändler. Die Wohnungen sind teuer hier, da Beirut eine, wenn auch kleine, Metropole ist. Man muss für eine WG ungefähr 300 bis 500$ pro Person rechnen. Die Lebenshaltungskosten sind etwa auf deutschem Niveau aber einheimische Produkte sind günstiger, wie Gemüse und Obst. Die libanesischen Speisen sind einfach köstlich - probiert habe ich aber noch nicht alles: Tabouleh, Fatouch und Homos.
Vier Wochen bin ich jetzt in Beirut, ich fühle mich sicher, aber man muss trotzdem aufmerksam sein und die Nachrichten verfolgen. Am Anfang hatte ich einen Kulturschock, viel zu viele Autos und es herrscht Parkplatzmangel und ein Verkehrschaos, wie ich es aus Deutschland nicht kenne. Neben dem Verkehr war auch die Militär- und Polizeipräsenz auf den Straßen für mich befremdlich. Es gibt nicht viele Busse, sondern Taxis, die gleichzeitig sogenannte „Service“ sind – die sind dann billiger.
Die Amtssprache ist Arabisch aber der Großteil der Bevölkerung spricht Englisch oder Französisch. Es ist wirklich eine tolle Erfahrung, diese Vielsprachigkeit. Das Wetter ist herrlich und die Menschen sind nett und hilfsbereit. Man merkt gar nicht, dass dieses Land den Krieg erlebt hat, außer an manchen Häusern, die uns an die Vergangenheit erinnern.
Lubna Ouazade
Die Zeit vergeht wie im Flug. Es scheint mir, als wäre es erst gestern gewesen, als Christian, Lubna und ich unsere ersten zwei Tage verschwitzt und übermüdet durch Beirut gehetzt sind. Inzwischen haben wir uns eingelebt, unsere Umgebung ausgiebig erkundigt und sogar schon unseren Olivenhändler des Vertrauens.
Für mich war die Ankunft in Beirut ein ganz besonderer Moment. Nach fünf langen Jahren kehre ich zurück, und, man mag es positiv oder (auch) negativ sehen: es hat sich seitdem nichts verändert! Man tritt aus dem Flughafen und man wird eingenommen von der warmen Luft und den etlichen Taxifahrern die im hupenden Wettstreit um Klienten kämpfen. Es ist laut, es ist warm und ich weiß, es wird ein Abenteuer.
Ein Monat ist schon vergangen und unser Aufenthalt hier in Beirut war bis jetzt schon in jeglicher Hinsicht abenteuerlich. Von heruntergekommen Wohnungen, das Schieben von kaputten Taxis durch die Stadt und allein das riskante überqueren einer Straße und dem unbeschreiblichen Verkehr hat schon so manch eine Schweißperle auf unserer Stirn verursacht. Nichtsdestotrotz, die Stadt lebt!
Der Start an der Universität war ein wenig holprig. Wir mussten uns schnell damit abfinden, dass es an so manch einer libanesischen Institution nicht stringent geregelt abläuft wie in Deutschland. Dank der überschaubaren Fakultät haben wir uns jedoch schnell zurechtgefunden. Die Inhalte der Seminare sind vielfältig und höchst interessant und der Arabisch Unterricht ist intensiv und abwechslungsreich.
Auch wenn im Libanon nicht alles nach deutschen Prinzipien geordnet und geplant abläuft und man das ein oder andere Mal seine nervlichen Anspannungen unterdrücken oder im Fitnessstudio ,,ausschwitzen’’ muss, macht das Chaos einen gewissen Reiz aus, denn es ist immer etwas los!
Jeder Spaziergang in Beirut hat mich mit einer Vielzahl von Geschichten und Erlebnissen bereichert. So gehe ich durch eine Straße wo der Besitzer aus einem Laden mir hinterher ruft, ob ich denn noch Oliven bräuchte, ein anderer mich nicht für meine Waren bezahlen lässt, bis ich mir eine Blume ausgesucht habe, und wo nur ein paar Läden weiter ein kleiner syrischer Junge mir seine kleine Hand entgegenstreckt und mich um Geld bittet.
Ich bin in der Realität angekommen und empfinde dieses Semester als ein unersetzliches, denn ich fühle mich tatsächlich wie eine Anthropologin, die in der libanesischen Gesellschaft untertaucht und sie von innen und nicht von außen entdeckt. Zudem ist zu erwähnen, dass wir uns - trotz des einen oder anderen Anschlags der in diesem Monat verübt worden ist - nicht unsicher fühlen. Die Lebensfreude, der Optimismus und die Hilfsbereitschaft der Menschen sind mit einer der Stärken der libanesischen Mentalität, welche tagtäglich zur Minderung unserer Unsicherheiten und Ängste beitragen.
Ich bin voller Vorfreude auf die kommenden Monate, denn Beirut schläft nie und ich bin mitten drin.
Hanaa Grave