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Zwei Buchvorstellungen zur Kredit- und Schuldengeschichte

Im Forschungsfeld der neue Kapitalismusgeschichte sind zwei neue Bände zur Kredit- und Schuldengeschichte erschienen: Der Erfurter Historiker Felix Krämer untersucht in dem auf seiner Habilitationsschrift basierenden Buch „Leben auf Kredit“ Verschuldung und prekäre Kreditverhältnisse für die US-Geschichte. Matthias Ruoss analysiert in seiner Untersuchung „Auf Pump“, mit der er an der Université de Fribourg habilitiert wurde, Ratenkredite im industriellen Kapitalismus in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Am Donnerstag, 17. Oktober, werden die beiden Bücher nun bei einer Veranstaltung im Forschungsbau „Weltbeziehungen“ vorgestellt und von Jule Govrin (Berlin) und Friedrich Lenger (Gießen) kommentiert. Veranstalter ist der Sonderforschungsbereich „Strukturwandel des Eigentums“. Die Veranstaltung beginnt um 18 Uhr, alle Interessierten sind dazu herzlich eingeladen.

Außenansicht Forschungsbau "Weltbeziehungen"
Außenansicht Forschungsbau "Weltbeziehungen"

Leben auf Kredit

„I’m the king of debt. I’m great with debt. Nobody knows debt better than me, I’ve made a fortune by using debt;“ brüstete sich Donald Trump bereits im Januar 2016. Eineinhalb Jahrhunderte zuvor schrieb Sojourner Truth an den Kongress, kurz nach dem Ende der Sklaverei: „America owes to my people some of the dividends. (…) I shall make them understand that there is a debt to the Negro people which they can never repay.“ Leben auf Kredit setzt an dem Punkt an, an dem den Unfreiesten in den USA eine Zukunft als freedpeople versprochen wurde, sie allerdings statt Reparationen immer wieder selbst in unerträgliche Schuldverhältnisse gezwungen wurden. Mit dem Begriff der Schuldendifferenz bezeichnet Felix Krämer diese Spannweite unterschiedlicher Bedeutungen von Schulden im Alltagsleben unterschiedlicher Menschen, die er durch die US-Geschichte vom Ende der Sklaverei bis in die Gegenwart untersucht hat. Sein Buch beleuchtet die Geschichte verschiedener Formen von Verbindlichkeiten in den USA. Neben struktureller Verschuldung von Schwarzen Sharecropper*innen in den Südstaaten seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts untersucht es Bilder von Kredithaien und den Antisemitismus seit den 1920er-Jahren. Die Untersuchung schildert die Auswirkungen von Immobilienkrediten und Hypotheken seit der Great Depression der 1930er-Jahre. Sie zeigt, wie Kreditkarten und Studentenkredite den Neoliberalismus in die Taschen und auf die Konten der Menschen brachten und welche Wirkung die Finanzkrise 2007/2008 auf Schuldner- und Arbeiter*innen hatte. African Americans, Frauen aus der Arbeiterklasse und Migrant*innen waren immer wieder höheren Kreditrisiken ausgesetzt. Leben auf Kredit legt diese Produktionslinie sozialökonomischer Differenz und des „wealth gap“ in den USA frei und leistet so einen Beitrag zur neuen Kapitalismusgeschichte.

Auf Pump

„Credit hilft manchem aufs Pferd und manchem unter die Erd“, lautete in den 1860er-Jahren ein Sprichwort. Kredit ist demnach zugleich Steigbügelhalter und Totengräber. Doch was bedeutete das für diejenigen, die Kredit gaben und in Anspruch nahmen? In seiner umfassenden Studie fragt Matthias Ruoss nach dem individuellen Umgang mit Kreditunsicherheiten und der gesellschaftlichen Verständigung darüber. Dazu richtet er den Blick auf prekäre Ökonomien im deutschsprachigen Europa und zeigt auf, wie die zeitgenössische Bearbeitung von Kontingenzen soziale Muster und gesellschaftliche Ordnungen ausformte. Am Beispiel von Nähmaschinen und Möbeln, die in der Zeit der Hochindustrialisierung am häufigsten auf Pump gehandelt wurden, werden haushaltszentrierte Produktionszusammenhänge rund um Ratenkredite sichtbar gemacht. Arbeit, Geschlechterideologie und politische Macht, so legt Matthias Ruoss in seiner kapitalismusanalytischen Studie dar, akzelerierten und koordinierten die Expansion des Kreditnexus.

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(Historisches Seminar)
Weltbeziehungen / C19.02.20
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