Projekt
Das Forschungsnetzwerk “Kulturtechniken des Sammelns” setzt sich mit Prozessen des Sammelns und Versammelns anhand der Sammlungen der Universität Erfurt auseinander. Mittels der Perspektive der Kulturtechnikforschung fragen sich die Forscher*innen der Gruppe, wie sich alltägliche, wissenschaftliche, chaotische oder rigide Formen des Sammelns theoretisieren lassen.
Kulturtechnikforschung zu Sammlungsprozessen
Kulturtechnikforschung zu Sammlungsprozessen
Kulturtechnikforschung fragt nach dem Wissen, das durch spezifische Praktiken und Operationen entsteht und nicht erst mit bestimmten Konzepten oder Begriffen auftritt. Dies lässt sich etwa anhand verschiedener Versammlungsformen, aber auch verschiedener Techniken und Operationen des (Ver-)Sammelns beobachten. Gesammelt wird meist schon bevor es einen Plan oder ein Konzept gibt und erst die grundlegenden Operationen des Auswählens und des Anordnens bringen in jeder Sammlung die jeweilige Wissensordnung hervor.
Die kulturtechnische Perspektive widmet sich Konfigurationen von Material, Technik, Handeln und Wissen, in denen materielle und symbolische Dimensionen ineinander verschränkt sind und deren Erforschung der transdisziplinären Zusammenarbeit bedarf. Praktiken und Operationen des Sammelns (etwa das Präparieren, Konservieren, Speichern, Systematisieren, Sortieren, Ordnen oder auch das Digitalisieren), ergänzt durch bestimmte philologische Praktiken (etwa das Editieren, Kommentieren, Verschlagworten usw.) sowie durch Praktiken des Ausstellens, erweisen sich als epistemisch wie sozial konstitutive Prozesse.
Mit dem Forschungsansatz der Kulturtechniken wird es möglich, zwischen Praxis und Theorie der Sammlungen der Universität Erfurt konkrete Materialien, Objekte und Praktiken theoretisch reflektiert zu erforschen. Die Sammlungen dienen somit nicht allein als Materialbasis für eine Vielzahl von Einzelstudien, sondern sie werden in ihrem jeweiligen Charakter als Sammlung forschungsrelevant und dienen der Entwicklung einer Theorie des Sammelns.
Sammlung Perthes
Sammlung Perthes
Eine herausgehobene Rolle in der Arbeit der Forschungsgruppe kommt der Sammlung Perthes zu. Sie eröffnet ein interdisziplinäres Forschungsfeld, das sich zwischen Natur- und Kulturwissenschaften ebenso aufspannt wie zwischen Lokalität und Globalität. Karten, Tagebücher, Expeditionsbriefe, Atlanten, Zeitschriften und Kupferplatten produzierten und repräsentieren ein Wissen, das die Geschichte der Globalisierung im 19. und 20. Jahrhundert vielfältig geprägt hat. Darüber hinaus sind insbesondere die Kartenentwürfe und Karten selbst Sammlungen, insofern sie das vielleicht erfolgreichste Medium der (Ver-)Sammlung und Ausstellung (von Daten, von Raumwissen) in der europäischen Neuzeit bilden.
In Bezug auf die Sammlung des Verlagshauses Perthes lässt sich das Zusammenwirken von spezifischem Wissen der Materialien in den Sammlungen mit den jeweiligen Praktiken, Räumen und Medien ihrer Organisation und Darstellung nachvollziehen. Das Verlagsunternehmen hat verschiedene Objekte und Datenträger in eine räumliche Nähe und somit in eine räumliche Beziehung gebracht. Die Sammlung des Verlags ist insofern auch als Container zu verstehen, der nicht einem neutralen Raum gleicht, sondern aktiv Beziehungen herstellt und Wissensformen generiert. So werden in der Arbeit der Forschungsgruppe unter anderem die Gestaltung von Gebäuden, aber auch von Aufbewahrungs- und Präsentationsvorrichtungen mit dem Wissen der Praktiker*innen sowie dem konzeptuellen Hintergrund der Sammlungsobjekte ins Verhältnis gesetzt. Daraus ergeben sich neue Sichtweisen auf Voraussetzungen und Nachleben der generierten Wissensordnung dieser Sammlung.