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Wie aus einem Foto lebendige Geschichte wird

Dass Studierende an der Universität Erfurt nicht nur spröde Lernstoff pauken, sondern auch schon während ihres Studiums konkrete Forschungsprojekte unterstützen und mitgestalten können, zeigt im Wintersemester 2024/25 ein Seminar im Studium Fundamentale (StuFu): Unter dem Titel „Die kleine Freiheit: Feste, Fotografie, Oral History“ widmen sich Forschende aus der Literatur- und Geschichtswissenschaft gemeinsam mit den Studierenden und in Kooperation mit dem Referat Wissenschaft und Sammlungen der Friedenstein Stiftung Gotha der Frage, wie sich Feste im Laufe der Zeit verändert haben und wie frei Menschen im Fest sind.

Damit setzt die Lehrveranstaltung ein StuFu-Seminar aus dem Sommersemester fort, in dem bereits die ersten Grundlagen für die Forschungsarbeit innerhalb des Kooperationsprojekts „Kulturtechniken des Sammelns (Erfurt – Gotha)“ geschaffen wurden.

„Praktischer Hintergrund ist eine bislang kaum erschlossene Fotosammlung der Friedenstein Stiftung Gotha, die eine große Zahl von Aufnahmen verschiedener Feierlichkeiten aus ca. 120 Jahren Stadtgeschichte enthält“, erklärt Dr. Jana Mangold, die das Projekt an der Universität Erfurt koordiniert. „Im kommenden Semester wollen wir diese Fotos nun mit Hilfe von Interviews mit Gothaer Bürger*innen erschließen und sie nach ihren Erinnerungen fragen: Wie haben sie diese Feste erlebt? Gab es dabei das Gefühl von Freiheit oder waren sie eher Repräsentation von Macht? Ziel des Projektes ist es also, anhand des Festes über die Bedeutung von Freiheit ins Gespräch zu kommen und die Veränderlichkeit von Freiheitsauffassungen und -erleben in verschiedenen politischen Systemen (vor allem während der SED-Diktatur und in der Zeit nach der Wiedervereinigung) zu reflektieren.“

Bei den Gothaer Senior*innen haben die beteiligten Partner*innen mit der Idee quasi „offene Türen eingerannt“. Jana Mangold erinnert sich: „Über den Gothaer Seniorenbeirat fanden wir schnell Kontakt zu einer sehr umtriebigen Gruppe von Senior*innen, die sofort mit im Boot war. Und auch die Gothaer Seniorenakademie hat uns beim Finden von Gesprächspartner*innen sehr geholfen.“ Dass die Senior*innen viel zu berichten haben und die Studierenden und Wissenschaftler*innen damit aus einem riesigen Erinnerungsschatz schöpfen können, zeigte sich schon im vergangenen Semester. „Da hatten wir der Gruppe ein Foto vom Auftritt der Kelly Family Anfang der 90er-Jahre auf dem Gothaer Marktplatz gezeigt. Die Kellys waren auf dem Foto gar nicht zu sehen, aber die Senior*innen haben sich sofort erinnert und wussten unheimlich viel zu berichten. Das fand ich beeindruckend“, sagt Jana Mangold und konstatiert: „In solchen Gesprächen bekommen wir auch wertvolle Eindrücke von den Transformationserfahrungen, die die Leute gemacht haben. Daraus lässt sich viel lernen.“

Und wie wird das Projekt im Wintersemester ganz praktisch aussehen? „Eine unserer Wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen, Nadine Fechner, hat die Fotos der Friedenstein Stiftung sondiert und bereitet sie entsprechend auf, so dass wir mit ihnen dann in die Gespräche mit den Zeitzeug*innen gehen können. Die Gespräche, die nicht selten bis zu drei Stunden dauern, werden aufgezeichnet und anschließend geschnitten. Im Seminar begleiten wir natürlich jeden Schritt der praktischen Arbeit“, erläutert die Projektkoordinatorin. Zudem sollen die Beiträge in ein neues Audio-Archiv der Friedenstein Stiftung fließen und dort für die Nachwelt bewahrt werden. Kurze Auszüge aus den Arbeitsergebnisse sollen dann Eingang in eine Ausstellung finden, die 2025 im Rahmen der Feierlichkeiten zum 1250-jährigen Jubiläum der Stadt Gotha zu sehen sein wird.

Eine Win-win-Situation, wie man so schön sagt, zumal die Studierenden zugleich in die Welt der sogenannten „Oral History“ eingeführt werden – also die erzählte Geschichte. „Dafür arbeiten wir eng mit Prof. Christiane Kuller und Dr. Agnès Arp von der Oral-History-Forschungsstelle am Historischen Seminar der Uni Erfurt zusammen, die uns tatkräftig unterstützen“, sagt Dr. Jana Mangold. „Dr. Agnès Arp hat uns sofort angeboten, eine Einführungsveranstaltung für die Studierenden zu machen, die ihnen nicht nur die Methoden partizipativer Forschung vermitteln, sondern sie ganz praktisch auf die späteren Gespräche vorbereiten wird.“

Wer jetzt neugierig geworden ist, und noch am StuFu-Seminar teilnehmen möchte, sollte schnell sein und sich bei Dr. Jana Mangold melden. Denn schon am 14. Oktober startet die Universität Erfurt ins neue Wintersemester.

Ansprechpartnerin:

Wissenschaftliche Koordinatorin beim Kooperationsprojekt "Kulturtechniken des Sammelns"
(Philosophische Fakultät)
C23 - Mitarbeitergebäude 1 / Raum 510

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