Ziel des Vorhabens, das zugleich den Naturrechts-Schwerpunkt am Forschungszentrum Gotha weiter stärkt, ist die Erschließung der Naturrechtslehre von Heinrich Cocceji (1644–1719) und seinem Sohn, dem Herausgeber Samuel Cocceji (1679–1755). In einer Monografie soll das Naturrecht der Cocceji, in dessen Zentrum ein theokratisch-voluntaristisch begründetes Konzept unveräußerlicher Freiheitsrechte steht, (1) in seinen politischen und ideengeschichtlichen Kontexten und (2) in seiner kontroversen Rezeption in der europäischen Aufklärung dargestellt werden.
Im 19. Jahrhundert in Vergessenheit geraten, wurde die Naturrechtslehre der Cocceji lange gegenüber den prominenten Theorien Pufendorfs und Thomasius‘ vernachlässigt. Das Projekt möchte aber zeigen, dass das Naturrecht der Cocceji eine veritable, systematisch starke Alternative zu Pufendorfs mängelanthropologisch begründeter, pflichtenethisch eingebetteter Naturrechtslehre darstellte und bis in den Vormärz auch von vielen Zeitgenossen so wahrgenommen wurde, so dass von ihm wichtige Impulse für die Entwicklung liberal-egalitärer Rechtetheorien in der deutschen und schottischen Spätaufklärung ausgingen und es einen bedeutenden Rang in der neuzeitlichen Genealogie der subjektiven Rechte beanspruchen kann. Das Projekt widmet sich der Entwicklung dieser Naturrechtslehre im relativ langen Zeitraum von etwa 1670–1720 und beschreibt dabei zugleich eine Verflechtungsgeschichte: Verflechtung von Genese und Rezeption, und Verflechtung von calvinistischer (sowie hugenottischer) und lutherischer (Hallescher) Frühaufklärung. Diese Verflechtungen waren intrinsisch an der Entwicklung der Naturrechtslehre der Cocceji beteiligt und müssen daher ebenso erforscht werden. So ergibt sich ein deutlich komplexeres und differenzierteres Bild der naturrechtlich geprägten Frühaufklärung, als es zuvor der Fall war.