UNESCO-Weltdokumentenerbe: Martin Luthers Freiheitsschrift
Der in der Forschungsbibliothek Gotha bewahrte Erstdruck „Von der Freyheyt eynisz Christen menschen“ des Reformators Martin Luther wurde im Oktober 2015 auf Antrag das Leibniz-Instituts für Europäische Geschichte Mainz (IEG) von der UNESCO im Rahmen ihres Programms Memory of the World (MOW) zusammen mit 13 weiteren Objekten zum Weltdokumentenerbe erklärt.
Mit der Aufnahme ins UNESCO-Weltregister wird die Forschungsbibliothek Gotha für ihre Aktivitäten ausgezeichnet, kulturelles Erbe von außergewöhnlichem Wert vor Gedächtnisverlust und Zerstörung zu bewahren. Die Forschungsbibliothek Gotha unterstützt das UNESCO-Programm, indem sie weltweiten Zugang zu diesem kulturell bedeutsamen und historisch wichtigen Dokument gewährt.
Luthers Freiheitsschrift ist ein bedeutendes Frühwerk des Reformators, das er im Herbst 1520, zur Hochphase seiner Auseinandersetzung mit der katholischen Kirche, veröffentlichte. Die Schrift richtet sich in deutscher Sprache an alle Menschen und thematisiert die Freiheitsfrage in religiöser Hinsicht. Die zweigeteilte Antwort, die Luther hierauf in Anlehnung an den ersten Brief an die Korinther, Kapitel 9 gab, ist bekannt: „Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemanden untertan. Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan.“ Der Mensch ist frei, insofern er nicht der Knecht der Kirche ist. Vielmehr ist es Jesus Christus, der als Mittler zwischen Gott und Mensch fungiert und den Menschen frei gemacht hat für ein Handeln, das sich nicht an den eigenen Werken orientiert, sondern im Vertrauen an die durch Christus erfolgte Rechtfertigung vor Gott vollzogen wird. Dabei kommt dem Glauben an das Wort Gottes eine entscheidende Bedeutung zu, so dass das reformatorische Prinzip sola scriptura (durch die Schrift allein) durch das ebenfalls reformatorisches Prinzip sola fide (durch den Glauben allein) ergänzt wird.
Die Freiheitsschrift Luthers war wie viele andere seiner Schriften aus dieser Zeit ein Bestseller. Nachdem sie sogleich ins Lateinische übersetzt worden war, erschienen fortlaufend neue Auflagen in beiden Sprachen. Seit 1521 erfolgten Übersetzungen in tschechischer, englischer, holländischer, spanischer, französischer und italienischer Sprache. Auch wenn die Auflagenhöhe nicht bekannt ist, sind tausende von Exemplaren anzunehmen, die in Europa verkauft worden sind. Als Drucker der Erstauflage fungierte Johann Rhau-Grunenberg, der den Holzschnitt des Titelblatts mit einem weltlichen Schmuckrahmen versah, den er auch andernorts verwendet hat. Auf dem Titelblatt sind ein Pilger und ein Zecher zu sehen, deren Schilde von zwei Delphinen gehalten werden. Oben und unten sind die Wappen des Kurfürstentums Sachsen und Wittenbergs abgebildet.
Der Erstdruck kam unter dem lutherischen Theologen und Bibliotheksdirektor Ernst Salomon Cyprian in die Hofbibliothek des Herzoghauses von Sachsen-Gotha-Altenburg, der hier seit 1713 tätig war. Rund um das Reformationsjubiläum 1717 erwarb Cyprian im Auftrag des Herzogs Friedrich II. von Sachsen-Gotha-Altenburg zahlreiche Drucke und Handschriften Luthers und vieler anderer Reformatoren. Mehr als 600 von Luthers Schriften wurden in Sammelbänden zusammengeführt, so auch der vorliegende, der 34 Schriften vor allem aus dem Jahr 1520 und als Nummer 8 die Freiheitsschrift enthielt. Der Band ist in weißes Schweinsleder gebunden und trägt auf dem Rücken die Aufschrift „Lutheri opera anno 1520 edita. Tom. X“.
Luthers Drucke und Handschriften – darunter 48 Autographen sowie die weltweit größte Sammlung seiner Tischreden und etwa ein Viertel seiner überlieferten Gesamtkorrespondenz – bilden den Kern der reformations- und protestantismusgeschichtlichen Sammlung der Forschungsbibliothek Gotha. Diese Sammlung gilt als Referenzsammlung für die Geschichte und Rezeption des mitteldeutschen und norddeutschen Protestantismus.
Digitalisat in der Digitalen Historischen Bibliothek Erfurt/Gotha
Schlüsseldokumente der frühen Wirksamkeit Luthers. Virtuelle Ausstellung des Leibniz-Instituts für Europäische Geschichte Mainz