Kernsammlungen zum Luthertum

Die Forschungsbibliothek Gotha bewahrt unter ihren herausragenden handschriftlichen Beständen vier Kernsammlungen zum Luthertum des 16. bis 18. Jahrhunderts. Sie erschließt diese Sammlungen seit 2004 online. Die Ergebnisse sind im Verbundkatalog Kalliope recherchierbar und für die weitere Erforschung der handschriftlichen Dokumente nutzbar.

Reformationshandschriften

Die sogenannten Reformationshandschriften aus dem 16. Jahrhundert umfassen 260 Bände mit fast 16.000 Einzeldokumenten. Sie ermöglichen einen tiefen Einblick in die Frühphase der Reformation und ihre weiteren Entwicklungen bis in das frühe 17. Jahrhundert hinein. Zu den Handschriften gehören eine stattliche Anzahl von Autographen sowie zahlreiche zeitgenössische Abschriften beinahe aller Reformatoren der ersten bis dritten Generation, unter ihnen Martin Luther, Philipp Melanchthon, Johannes Bugenhagen, Georg Spalatin, Johannes Calvin, Théodore de Bèze und die Thüringer Reformatoren Friedrich Myconius und Justus Menius. Hinzu kommen (Teil-)Nachlässe von Paul Eber, Stephan Gerlach, Bartholomäus Gernhard, Ägidius Hunnius und Johannes Piscator. Viele dieser Dokumente sind – mit Ausnahme der Korrespondenzen der einflussreichsten Reformatoren – bis heute unveröffentlicht. Die Forschungsbibliothek hat diese Sammlung  von 2004 bis 2009 mit Förderung der Deutschen Forschungsgemeinschaft erschlossen.

Projekt „Katalogisierung der Reformationshandschriften der Forschungsbibliothek Gotha.

Nachlass der Theologen Gerhard

Der Nachlass der beiden lutherischen Theologen Johann Gerhard (1582–1637) und Johann Ernst Gerhard (1621–1668) aus Jena umfasst 206 Handschriftenbände mit über 8.850 Einzeldokumenten. Er beinhaltet vor allem die Korrespondenz (insgesamt rund 3.700 Briefe), ferner Lebensdokumente, Werkmanuskripte, Vorlesungsmitschriften, Sammlungen und Aufzeichnungen aus Schul- und Studienzeiten sowie Schriften aus pastoralen und kirchenleitenden Tätigkeiten. Die in dieser Tiefe singuläre Überlieferung zweier Theologen aus dem 17. Jahrhundert ermöglicht Studien zur geistes-, ideen-, bildungs-, universitäts- und politikhistorischen Erforschung des Luthertums sowie zur Geschichte der frühneuzeitlichen Gelehrtenkultur. Johann Gerhard gilt als einer der bedeutendsten Theologen der lutherischen Orthodoxie, der mit seinen dogmatischen und erbaulichen Schriften das Wesen dieser Konfession wesentlich geprägt hat. Sein Sohn Johann Ernst Gerhard hat sich vor allem um die Erforschung der orientalischen Sprachen und Kulturen verdient gemacht. Die Forschungsbibliothek Gotha hat diesen Nachlass von 2009 bis 2013 mit Förderung der Deutschen Forschungsgemeinschaft erschlossen.

Projekt „Katalogisierung der nachreformatorischen Handschriften aus dem Nachlass der Theologen Johann und Johann Ernst Gerhard in der Forschungsbibliothek Gotha“.

Korrespondenz und Lebensdokumente Seckendorffs

Der Gelehrte und Staatsmann Veit Ludwig von Seckendorff (1626–1692) gilt als hervorragender Repräsentant des Politicus practicus in den deutschen protestantischen Territorien der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Er wird als Begründer der modernen, wissenschaftlich fundierten Verwaltungslehre angesehen und zählt zu den bedeutenden Vertretern der christlichen Staatstheorie sowie der evangelisch-lutherischen Kirchengeschichtsschreibung. Seckendorff war trotz seines weitgehend auf den mitteldeutschen Raum beschränkten politischen Handelns Teil eines dichten politisch-administrativen Netzwerks und einer der wichtigsten mitteldeutschen Exponenten der europäischen Respublica litteraria zwischen Dreißigjährigem Krieg und beginnendem Zeitalter der Aufklärung. Von den insgesamt 7.860 Dokumenten, die auf 32 Bibliotheken und Archive verteilt sind, sind in der Forschungsbibliothek 968 Dokumente überliefert, vor allem Seckendorffs wissenschaftliche Korrespondenz seit 1664, Briefe von Seckendorff in der Korrespondenz mit Wilhelm Ernst Tentzel (1659–1707) und Tobias Pfanner (1641–1716) sowie Manuskripte und handschriftliche Materialien, die seine wissenschaftlich-politischen Aktivitäten während der Gothaer Zeit dokumentieren. Seckendorff zielte mit seinen Werken auf die Zusammenschau einer Vielheit von Diskursen, an denen er aktiv beteiligt war. Die Erschließung seiner bislang weitgehend unerschlossenen Korrespondenz und Lebenszeugnisse – über die bisherigen, vor allem auf die Publikationen Seckendorffs konzentrierten und aus diesen gearbeiteten Studien hinaus – neue Impulse für die quellengestützte interdisziplinäre Auseinandersetzung mit Seckendorff. Die Forschungsbibliothek Gotha erschließt die verteilte Korrespondenz und die Lebenszeugnisse seit 2020 mit Förderung der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Dabei arbeitet sie mit sämtlichen, Dokumente von Seckendorff bewahrenden Archiven und Bibliotheken zusammen.

Projekt „Erschließung der Korrespondenz und Lebenszeugnisse Veit Ludwig von Seckendorffs (1626–1692)“.

Nachlass Ernst Salomon Cyprians

Der Nachlass des lutherischen Theologen und Gothaer Bibliotheksdirektors Ernst Salomon Cyprian (1673–1745) umfasst 135 Handschriftenbände mit knapp 8.700 Einzeldokumenten. Hierzu gehören fast 4.000 Briefe mit etwa 600 Persönlichkeiten in ganz Europa, eine umfangreiche Materialsammlung Cyprians für seine eigenen großen kirchen- und reformationsgeschichtlichen Editionen und Werke sowie der von ihm zusammengetragene Bestand an Handschriften und Drucken zum Reformationsjubiläum 1717. Mit dieser Sammlung lassen sich die Netzwerke dieses Gelehrten aus der Spätphase des konfessionell geprägten Luthertums rekonstruieren und untersuchen. Ferner ermöglicht der Nachlass die Erforschung der frühen wissenschaftlichen Aufarbeitung der Reformationsgeschichte. Cyprian gilt als einer der letzten Vertreter der lutherischen Orthodoxie, der konsequent gegen Aufklärung und Pietismus kämpfte. Die Forschungsbibliothek Gotha hat den Nachlass  von 2014 bis 2020 mit Förderung der Deutschen Forschungsgemeinschaft erschlossen.

Projekt „Die reformationsgeschichtlichen und historiographischen Quellen des frühen 18. Jahrhunderts auf Schloss Friedenstein Gotha. Erschließung des Nachlasses des Theologen und Kirchenhistorikers Ernst Salomon Cyprian (1673–1745) in der Forschungsbibliothek Gotha und dem Landesarchiv Thüringen - Staatsarchiv Gotha“.