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Tagung: „Zwischen Schule, Universität und Privatbildung. Gothaer Gymnasium illustre im Kontext frühneuzeitlicher Kulturen gelehrten Wissens."

Das Forschungszentrum und die Forschungsbibliothek Gotha der Universität Erfurt laden am 10./11. Oktober zu einer Tagung im Landschaftshaus am Schloßberg in Gotha ein. Unter dem Titel „Zwischen Schule, Universität und Privatbildung“ beschäftigen sich die Wissenschaftler*innen mit dem Gothaer Gymnasium illustre im Kontext frühneuzeitlicher Kulturen gelehrten Wissens.

Am 21. Dezember 1524 wurde im Zuge der Reformation eine Lateinschule im Augustinerkloster der ernestinischen Residenzstadt Gotha gegründet. Sie stieg rasch zu einer Einrichtung von regionaler und auch überregionaler Bedeutung auf und wurde zum vitalen Teil der mitteldeutschen Bildungslandschaft. Durch finanzielle Förderungen nahm die Schule früh einen hochschulähnlichen Charakter an. Mit der Gründung des Herzogtums Sachsen-Gotha 1640 wurde das Gymnasium illustre dem Konsistorium unmittelbar unterstellt und nahm durch Reformen unter dem Rektor Andreas Reyher eine pädagogische Vorreiterrolle im Reich wahr. Für die praxisorientierte Bildung zog man auch die herzoglichen Sammlungen auf Schloss Friedenstein heran. Wie an Universitäten bildete Privatunterricht einen wesentlichen Bestandteil der Bildung vor Ort. Die historische Entwicklung des Gothaer Gymnasiums ist außerordentlich gut dokumentiert und zeigt, dass in der Frühen Neuzeit zwischen Schule und Universität häufig nicht strikt zu trennen ist. Auch waren die Möglichkeiten der höheren Bildung sehr vielfältig und lagen teilweise außerhalb eines institutionellen Rahmens.

Neue Forschungen zeigen, dass das Gothaer Gymnasium ein besonders geeigneter Ausgangspunkt ist, um die Pluralität frühneuzeitlicher Kulturen gelehrten Wissens, curriculare Überschneidungen und Eigenarten verschiedener Bildungseinrichtungen und -möglichkeiten, das Spannungsfeld zwischen deren Komplementarität und Konkurrenz sowie den Etablierungsprozess neuer Wissensdisziplinen und innovativer Methoden vor der tiefgreifenden Regelung des Bildungswesens durch den Staat im 19. Jahrhundert genauer zu untersuchen:

  • Das Gothaer Gymnasium war keinesfalls nur von lokaler Bedeutung. Bereits seit dem 16. Jahrhundert genoss es eine überregionale Ausstrahlung. In der gesamten Frühen Neuzeit umfasste sein Einzugsgebiet die historische Landschaft Thüringen und auch einzelne Städte in anderen Teilen des Reichs und Europas.
  • Wegen dieser hervorragenden Bedeutung wurde das Gothaer Gymnasium seit 1605 auch von den Landständen mitfinanziert. Somit gilt es als die erste Landesschule Thüringens.
  • Infolge der Bildungsreformen unter dem einflussreichen Pädagogen und Rektor Andreas Reyher (1601–1673) war das Gothaer Gymnasium spätestens seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts eine für die heutigen deutschen Verhältnisse fremde, polymorphe Einrichtung, die wesentliche Bestandteile schulischer, gymnasialer und universitärer Bildung in sich vereinte. Während sich die drei untersten Klassen als Bürgerschule charakterisieren lassen, überschnitt sich das Curriculum in den obersten Klassen beachtlich mit dem an den philosophischen und theologischen Fakultäten der protestantischen Universitäten. So bereitete das Gymnasium beispielsweise angehende Lehrer und Pfarrer nicht nur für das Studium an einer Universität, sondern ersetzte dies zu einem wesentlichen Teil. Dementsprechend waren die 15- bis 25-Jährigen in den obersten Klassen in einem für die Frühe Neuzeit gewöhnlichen Universitätsalter.
  • Ebenso wie an den Universitäten spielten Privatunterricht und Selbststudium eine wesentliche Rolle bei der höheren Bildung an den Gymnasien. Die besonders dichte Überlieferung zum Gothaer Gymnasium lässt diese in der Forschung oft übersehene Erkenntnis bestens belegen. So lassen sich beispielsweise orientalische Sprachstudien meist weit vor der Einrichtung von entsprechenden universitären Lehrstühlen in diesem Bereich an Universitäten sowie im öffentlichen und privaten Unterricht an Gymnasien nachweisen.

Nachdem sich eine 2014 in der Forschungsbibliothek Gotha veranstaltete Tagung dem interkonfessionellen Vergleich frühneuzeitlicher Bildungssysteme gewidmet hatte, möchte die bevorstehende Tagung nun anlässlich des 500. Jubiläums des Gothaer Gymnasiums ihre Aufmerksamkeit auf die Pluralität frühneuzeitlicher Kulturen gelehrten Wissens, curriculare Überschneidungen und Eigenarten verschiedener Bildungseinrichtungen und -möglichkeiten, das Spannungsfeld zwischen deren Komplementarität und Konkurrenz sowie den Etablierungsprozess neuer Wissensdisziplinen und innovativer Methoden richten.

Die Tagung wird von Dr. Daniel Gehrt, Mitarbeiter der Forschungsbibliothek Gotha, und Prof. Dr. Martin Mulsow, Direktor des Forschungszentrums Gotha, geleitet. Es sprechen 16 Referent*innen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Unterstützt wird die Veranstaltung vom Freundeskreis der Forschungsbibliothek Gotha e.V. und dem Verein der Freunde und Förderer des Gymnasium Ernestinum e.V.

Anlässlich der Tagung ist zu diesem Thema auch ein Beitrag von Dr. Daniel Gehrt im Blog der Forschungsbibliothek Gotha erschienen.

Lesen Sie den Blogbeitrag hier!

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