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Spitzenstück: Forschungsbibliothek Gotha präsentiert Martin Luthers Jeremia-Übersetzung im Original

Liebhaber historischer Handschriften können sich im Thüringer Themenjahr 2022 „Welt übersetzen“ auf ein besonderes Ereignis freuen: Im Rahmen der Ausstellung „Bücher bewegen“, die die Forschungsbibliothek Gotha der Universität Erfurt anlässlich ihres 375-jährigen Gründungsjubiläums vom 9. April bis zum 19. Juni im Spiegelsaal auf Schloss Friedenstein zeigt, präsentiert sie ein ganz besonderes Stück aus ihrem Bestand – die Luther-Jeremia-Übersetzung im Original. Die Jeremia-Handschrift gehört zu den unikalen Spitzenstücken unter den Handschriften und historischen Drucken, die im 17. und 18. Jahrhundert in Gotha gesammelt wurden.

Martin Luther, Der Prophet Jeremia. Druckmanuskript zur deutschen Übersetzung Martin Luthers. [Coburg, 19. Juni 1530]. FB Gotha, Chart. B 142, f. 5r

Manuskripte, die frühneuzeitliche Autoren für die Drucklegung einreichten, sind Raritäten. Dies liegt vor allem daran, dass die Handschriften beim Setzen häufig auseinandergenommen und nach der Publikation entsorgt wurden. Dennoch sind viele Fragmente der deutschen Bibelübersetzung von Martin Luther und seinen Wittenberger Kollegen erhalten. Dies verdankt sich nicht zuletzt dem bereits zeitgenössischen Interesse, Autografen von Luther und anderen Reformatoren zu sammeln.

Vom Neuen Testament ist keine Zeile von Luthers Hand überliefert. Teile alttestamentarischer Bücher sind in verschiedenen Archiven und historischen Bibliotheken in Deutschland, Polen und Dänemark aufbewahrt. Das eigenhändige Druckmanuskript des Propheten Jeremia befindet sich heute in der Forschungsbibliothek Gotha. Die mehr als 80 Blätter umfassende Handschrift stellt knapp 15 Prozent sämtlicher erhaltener Manuskripte der Bibelübersetzung dar. Das Fragment ging durch mehrere Hände, einschließlich die des bedeutenden Dresdner Oberhofpredigers Matthias Hoë von Hoënegg (1580–1645). 1719 erwarb es schließlich Herzog Friedrich II. von Sachsen-Gotha-Altenburg (1676–1732) von dem Leipziger Buchhändler Thomas Fritsch (1666–1726).

„Solche Druckmanuskripte gewähren einzigartige Einblicke in die Übersetzungsprozesse und philologischen Praktiken, wie aus den hebräischen und aramäischen Texten allgemeinverständliche, deutsche Verse formuliert wurden“, erklärt Dr. Daniel Gehrt, wissenschaftlicher Mitarbeiter für die Erschließung frühneuzeitlicher Handschriften an der Forschungsbibliothek Gotha. Die vielen Korrekturen, Änderungen der Wortwahl und Umformulierungen zeugten von den ausdauernden Bemühungen, die Heilige Schrift möglichst wort- und sinngetreu wiederzugeben. Die hier gezeigte Seite aus dem Propheten Jeremia lasse den komplexen Entstehungsprozess plastisch nachvollziehen. „Da verwundert es fast, dass alles korrekt gesetzt werden konnte, ohne das Manuskript vorher in Reinschrift zu bringen. Der Text der Erstauflage entspricht jedoch dem Wortlaut des Manuskripts und die roten Randmarkierungen des Setzers stimmen genau mit den Seitenumbrüchen im Druck überein.“

Die Drucklegung dieses monumentalen Werks war entscheidend für die Realisierung der reformatorischen Forderung, die Bibel in der Volkssprache einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Dennoch konnten sich nicht alle lesekundigen Laien ein eigenes Exemplar leisten. Die Übersetzung war in besonderem Maße für Geistliche gedacht, die in Predigten und Katechese Bibelpassagen wortwörtlich nach dieser rasch kanonisch gewordenen Übersetzung mündlich vermittelten.

Lesen Sie dazu auch das Interview mit Dr. Daniel Gehrt in unserem Forschungsblog "WortMelder".

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