Die Delhi-Collection wurde lange Zeit als Überbleibsel der Mogulbibliothek betrachtet, die aus etwa 1957 Bänden arabischer Manuskripte, 1550 persischen und 157 Urdu-Handschriften besteht. Durch eine genaue Untersuchung der handschriftlichen Überlieferungen eines Gelehrten aus dem 19. Jahrhundert kann jedoch nicht nur dessen intellektuelles Netzwerk rekonstruiert, sondern es kann auch gezeigt werden, dass die Delhi-Sammlung die Bibliotheken privater Gelehrter enthält, deren Sammlungen 1857 geplündert wurden. Dieser Gelehrte gehörte gerade nicht zum Milieu des Mogulhofs, sondern war mit dem antikolonialen Netzwerk muslimischer Gelehrter der Madrasah Rahimiyah verbunden. Durch die Beachtung der Kolophone und Eintragungen in Verbindung mit dem Inhalt der Manuskripte können die Biografie dieses Gelehrten, sein Patronagenetzwerk sowie die intellektuellen Beweggründe und Tendenzen, die ihn zum Kopieren der Texte veranlassten, skizziert werden. Dadurch, so zeigt der Vortrag, kann etwas von der muslimischen intellektuellen Welt Delhis vor 1857 eingefangen werden, die die britische Kolonialgewalt zu zerstören versuchte.
Nur Sobers-Khan ist die Direktorin des Aga Khan Documentation Center, eines Forschungszentrums und Archivs für islamische visuelle Kultur und Urbanismus am Massachusetts Institute of Technology. Von 2015 bis 2021 war sie leitende Kuratorin für die Südasien-Sammlungen an der British Library in London. Dort war sie Kuratorin der südasiatischen Buch- und Manuskriptsammlungen und leitete das vom Arts and Humanities Research Council (AHRC) finanzierte Projekt „Two Centuries of Indian Print“ (2016–2021). Aktuell beschäftigt sich Nur Sobers-Khan mit dem zeitlichen Übergang vom Manuskript zum Druck in Südasien und mit der Schaffung neuer Genres und Leseformen durch die Verbreitung von lithographierten Texten über Kosmologie, Traumdeutung und andere göttliche Literaturen. Sie hat an der University of Cambridge, dem St Mary’s University College und der Habib University gelehrt, wo sie die Grundkurse „Dream Interpretation: A Decolonial History“ und „Islamic Art and Visual Culture: From the Middle East to South Asia“ konzipierte.
Die Veranstaltung ist über den folgenden Link zu erreichen: https://uni-erfurt.webex.com/meet/veranstaltungen.fb. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.
Die Forschungsbibliothek Gotha bewahrt die drittgrößte Sammlung orientalischer Handschriften in Deutschland. Diese etwa 3.400 Handschriften, die überwiegend um 1800 in die Bibliothek gelangten, sind relevant für alle Wissenschaftsfelder und werfen ein Licht auf die unterschiedlichsten Aspekte von Manuskriptkulturen. Mit der Einladung renommierter Forscher*innen zu den "Gotha Manuscript Talks" möchte die Forschungsbibliothek Gotha ausgehend vom Material in einer Webinar-Reihe Impulse für einen verstärkten Austausch zu Manuskriptkulturen über Fachgrenzen hinweg geben und Forscher*innen und Interessierte miteinander ins Gespräch über orientalische Handschriften bringen. Alle Vorträge finden in englischer Sprache statt.
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