Erschließung, Auswertung und Analyse eines europäischen Netzwerkes des protestantischen Nonkonformismus um 1700 ausgehend von Friedrich Brecklings "catalogus testium veritatis"

Projektbeschreibung

Friedrich Breckling, Schwarz Weiß Bild

Im Zuge des Wandels um 1700 hatte sich in Europa ein facettenreiches, bisher nur fragmentarisch erfasstes nonkonformes Milieu herausgebildet. Einer der besten Kenner dieses Milieus in den protestantischen Ländern war der lutherische Geistliche und Dissident Friedrich Breckling (1629−1711), dessen handschriftlicher Nachlass von der Forschungsbibliothek Gotha verwahrt wird. Seit 1660 im niederländischen Exil, wirkte er von dort aus als Anlaufstelle, Kommunikator und Info-Broker. Auf die Nachwelt gewirkt haben vor allem seine Beiträge für Gottfried Arnolds berühmte und weitverbreitete "Unpartheyische Kirchen- und Ketzerhistorie" von 1699/1700, die auch eine Rezeption bis in die Aufklärung möglich gemacht haben. Unter diesen Beiträgen sticht vor allem eine Liste sogenannter „Wahrheitszeugen“ des Frühpietismus heraus, die Breckling in kurzen Biographemen vorstellt und auf ihr religiöses Verdienst hin bewertet. Zum Verständnis und zur Analyse der hier greifbar werdenden Netzwerke des Nonkonformismus ist ein bisher völlig unerschlossener, geographisch geordneter Katalog aus dem Gothaer Nachlass noch besser geeignet, welcher die Hauptquelle des Projekts bildet.

Unter dem Titel „catalogus testium veritatis“ verzeichnet das Dokument auf 18 Seiten ca. 1050 Namen von Zeitgenossen, die nach 100 Orten und Regionen geordnet sind. Die Einträge sind unterschiedlich lang und geben verschiedene Informationen wieder. Es finden sich Angaben zu Beruf, Stand, Familienstatus, Adresse, weiteren Wohn- und Tätigkeitsorten, Hinweise auf die Beziehungen der Personen vor Ort untereinander, auf Publikationen und auf das spirituelle Spezialgebiet. Kreuze – oft nachträglich eingefügt – vermerken den Tod eines Aufgelisteten. Attribute („bonus“, „electus“, etc.), die manchen Namen mitgegeben sind, verweisen auf ein abgestuftes System der Wertschätzung. Ziel des Projekts ist es, diesen Informationsbestand in Form eines Handbuches zu präsentieren, in welchem die Personen – soweit möglich – bio-bibliographisch erfasst sind, Kartenmaterial interne und externe Vernetzungen aufzeigt und das Gesamtdatenmaterial einer Analyse und Auswertung unterzogen werden. Zwar liefert dieses einzigartige Dokument keine objektive Bestandsaufnahme des Pietismus um 1700, aber doch eine sehr reichhaltige Namensfülle aus dem nonkonformen Spektrum, die so noch nicht erschlossen wurde und daher für die Erforschung regionaler wie europäischer Konstellationen desselben von Bedeutung sein kann. Darüber hinaus werden parallel zum Handbuch alle nicht vor Ort in Gotha befindlichen Brecklingiana in Kopie oder Digitalisat zusammengeführt und einer Edition der Korrespondenz Brecklings (ca. 450 Briefe mit über 100 Personen aus dem Zeitraum von 1660 bis 1711) vorgearbeitet, um weitere Informationen zu einzelnen „Wahrheitszeugen“ zu gewinnen. Stücke aus dem Briefwechsel sollen das Handbuch ergänzen und die Beziehungen der Korrespondenzpartner untereinander und ihren Austausch veranschaulichen.

Eine Ausstellung zum 300.Todestag von Friedrich Breckling im Jahr 2011 präsentierte erste Ergebnisse des Projekts in Gotha und Halle einer breiteren Öffentlichkeit.

 

Ansprechpartner

Guido Naschert

Studentische Hilfskräfte

Dennis Vöste, B. A.; Kai H. Schwahn

Finanzierung

DFG

Laufzeit

01/2012 - 12/2012

 

Bild: Friedrich Breckling, AFSt Halle BÖTT B 600.