Newsletter Ausgabe 9 - Dezember 2019
Mit diesem Newsletter laden wir Sie ein, die Arbeit des Vorhabens QUALITEACH II und die Erfurter Lehrerbildung kennenzulernen. Das Vorhaben wird im Rahmen der gemeinsamen "Qualitätsoffensive Lehrerbildung" von Bund und Ländern aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gefördert. Unter den Leitbegriffen Identität. Immersion. Inklusion. bearbeiten sechs Teilprojekte Entwicklungsfelder zur Verbesserung der Lehrerbildung an der Universität Erfurt. Mit diesem Newsletter wollen wir Ihren Blick auf aktuelle Entwicklungen, Angebote und Ergebnisse lenken.
In diesem Newsletter besonders empfehlenswert das Interview mit der Schulleiterin der Lindenschule Blankenhain, Damaris Widiger, zur Zusammenarbeit mit dem Teilprojekt Forschungslabor MasterMind unter BLICKKONTAKT.
AUSBLICKE auf Entwicklungen und Veranstaltungen
Diagnostik und pädagogisches Handeln
5. Erfurter Symposium für frühkindliche Entwicklungsförderung
Am Samstag den 18. Januar 2020 findet bereits zum fünften Mal das Erfurter Symposium für frühkindliche Entwicklungsförderung statt.
Das Erfurter Symposium für frühkindliche Entwicklungsförderung fokussiert Möglichkeiten der Diagnostik und pädagogische Handlungsmöglichkeiten sowie die ganzheitliche Förderung der Vorbereitung auf den Übergang in die Schule als auch das dortige, erfolgreiche Lernen. Die Veranstaltung wendet sich an Lehrer*innen, an pädagogische, heil- und sonderpädagogische sowie medizinisch-therapeutische Fachkräfte und Wissenschaftler*innen. Darüber hinaus sind Eltern sowie Studierende und Interessierte eingeladen. Durch die beteiligten Disziplinen werden interdisziplinäre Schnittstellen und Systemübergänge verdeutlicht.
Ziel dieses Symposiums ist es, die Möglichkeiten von Diagnostik und Ansätze zur Förderung von Kindern für den frühkindlichen Bereich sowie im Übergang in die Grundschule darzustellen und Aspekte der Früherkennung, Förderplanung, Therapie und Didaktik zu thematisieren.
3. NeLe-Tagung am 26. und 27. Juni 2020
Am 26. und 27. Juni 2020 findet die 3. NeLe-Tagung im Evangelischen Augustinerkloster zu Erfurt statt. Sie wird vom Nachwuchskolleg Bildungsqualität und dem Vorhaben QUALITEACH der Universität Erfurt ausgerichtet.
Das Netzwerk Lehrerbildungs-Nachwuchskollegs (NeLe) ist eine Initiative zur Kooperation im Bereich von Promotionsprogrammen und Nachwuchsförderprogrammen in der Lehrerbildungs- und Bildungsforschung der Universitäten Dresden, Erfurt, Halle, Jena und Potsdam. Der Zusammenschluss zielt auf die aktive Vernetzung und den Austausch auf der Ebene der Promovierenden und der betreuenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.
Eingeladen sind dementsprechend (Post-)Doktorandinnen und Doktoranden aller in der Bildungsforschung arbeitenden Fachrichtungen (Erziehungswissenschaften, Fachdidaktiken, Psychologie, Soziologie etc.), die ihr Forschungsprojekt oder einen Teilaspekt vorstellen und diskutieren möchten, und an einem interdisziplinären und universitätsübergreifenden Austausch interessiert sind.
Leitbild Lehrerbildung nimmt Formen an
Auf Initiative der Erfurt School of Education erarbeiten Vertreter*innen aller Fakultäten und Statusgruppen seit einem knappen Jahr ein Leitbild für die Lehrerbildung an der Universität Erfurt. Unterstützt wird der mehrstufige Prozess von Mitarbeitenden verschiedener QUALITEACH-Projekte.
Ziel des sehr offen angelegten Prozesses ist es, verbindende Ansprüche und Entwicklungsperspektiven für alle in der Lehrerbildung tätigen Akteure festzuhalten. Das Leitbild soll die Vertreter*innen der verschiedenen Fakultäten und universitären Einrichtungen zu einem richtungsweisenden Diskurs auf Augenhöhe einladen.
Aktuell befindet sich der erste Entwurf in einem hausinternen Abstimmungsprozess und soll 2020 mit weiteren universitären Leitbildern veröffentlicht werden.
Internationalisierung der Lehrer*innenbildung
„Von Erfurt in die Welt“ - Getreu diesem Motto wagen immer mehr Lehramtsstudierende der Universität Erfurt den Schritt ins Ausland. Insbesondere das Komplexe Schulpraktikum (KSP) als geeignetes Mobilitätsfenster im Erfurter Praktikumskonzept wird häufiger in der Ferne absolviert. An den individuellen und vielfältigen Erfahrungsberichten (https://www.uni-erfurt.de/ese/lehramt-im-ausland/) zeigt sich, dass diese Chance von den Studierenden als Bereicherung wahrgenommen wird.
Nachdem die Erfurt School of Education (ESE) im Jahr 2018 den ersten Internationalisierungspreis der Universität Erfurt gewann (Video zur Preisverleihung: www.youtube.com/watch?v=5FCp2fipovM&t=5s), wuchs das Engagement, das Angebot von Auslandsaufenthalten in der Lehrer*innenausbildung weiter auszubauen. Auf Basis von Projektideen verschiedener Fachbereiche erarbeitete die ESE gemeinsam mit dem Internationalen Büro ein Modellprojekt, das im Rahmen des DAAD-Programms „Lehramt International“ eingereicht wurde: „ELsA – Erfurter Lehramtsstudierende im Ausland“. Leider wurde das Projekt nicht für die Förderung ausgewählt.
Um die Projektideen dennoch umsetzen zu können, wurde das Projekt mitsamt Internationalisierungsbestrebungen dem Präsidium vorgetragen. Insbesondere die Vizepräsidentin für Internationale Angelegenheiten, Frau Prof.in Dr. Heike Grimm, unterstützte dieses Vorhaben. Das Präsidium entschied im September, die vorgetragenen Maßnahmen zur Internationalisierung der Lehrer*innenbildung mit einem Budget von insgesamt 66.000 € für die Jahre 2020-2022 zu fördern. Koordiniert wird das Projekt durch die ESE, die damit die Schnittstelle zwischen den beteiligten Fachbereichen bilden darf.
Am Projekt beteiligte Fachbereiche sind:
- Grundlegung Sachunterricht/Schulgarten, Dr. Christian Grywatsch in Kooperation mit der Università di Urbino, Italien
- Praktische Philosophie & Didaktik des Ethikunterrichts, Prof. Guido Löhrer & Dr. Nora Held in Kooperation mit der Universität Łódź, Polen
- Musik - Musikdidaktik, Prof. Verena Weidner in Kooperation mit der University of Gothenburg, Schweden
- Erfurt School of Education in Kooperation mit der Pädagogischen Hochschule Vorarlberg, Österreich und der Pädagogischen Hochschule Kiew
Die aus den Beteiligten und dem Internationalen Büro bestehende Projektgruppe möchte andere Interessierte und Fachbereiche dazu einladen, sich an weiteren Vorhaben zu beteiligen. Gern können Projektideen eingebracht werden, die durch die Beteiligten unterstützt werden. Eine für 2022 geplante Summer School mit allen internationalen Akteur*innen soll den Höhepunkt der Initiativen darstellen, um die Internationalisierung der Erfurter Lehrer*innenbildung weiter zu stärken.
EINBLICKE - Erfurter Lehrerbildung im Blickpunkt
In die zweite Förderphase gestartet
Ziel der zweiten Förderphase des Vorhabens QUALITEACH ist, die Maßnahmen und deren Ergebnisse in die Studienordnungen und den Lehrbetrieb der Universität Erfurt nachhaltig zu integrieren. Entwicklungen der ersten Förderphase sind richtungsweisend für die Weiterentwicklung der Lehramtsstudiengänge.
QUALITEACH II ist am 1. Juli 2019 gestartet mit
- dem Sprecherteam Prof. Dr. Susanne Jurkowski und Prof. Dr. Hany
- allen teilprojektleitenden Hochschullehrenden der ersten Förderrunde (sieben) und
- weiteren Hochschullehrer und Hochschullehrerinnen sowie wissenschaftlich Mitarbeitenden der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät (vier) und der Philosophischen Fakultät (sieben)
- dem 6. Teilprojekt „Kompetenznetzwerk digitale fachbezogenen Lehrerbildung“ unter Leitung von Prof. in Dr. Petra Kirchhoff, Prof. Dr. Sven Jöckel und Prof. Dr. Patrick Rössler
- der Verstärkung des Kompetenz- und Entwicklungszentrum Inklusion in der Lehrerbildung durch die Projektansätze „Sprachliche Bildung in mehrsprachigen Kontexten“ unter Leitung von Prof. Dr. Dr. Csaba Földes und „Förderung besonderer Interessen und Begabungen“ unter Leitung von Prof. Dr. Ernst Hany und apl. Prof.in Dr. Heike Hahn
- 12 Projektmitarbeitenden aus der ersten Phase, die Verstärkung durch acht weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bekommen,
- der Finanzierung von drei vollen wissenschaftlichen Mitarbeiterstellen durch das Präsidium der Universität Erfurt
Bereits ab dem Wintersemester 2019/20 werden in das Modul Schulpraktische Studien, einem Pflichtmodul für Studierende aller vier M.Ed.-Studiengänge, das Persönlichkeitsassessment, eine Seminareinheit zur Auswertung sowie eine erprobte Lehrveranstaltung integriert und evaluiert.
Mit dem Angebotspapier „Neue Herausforderungen an die Lehrerbildung. Implementation der Entwicklungen des Vorhabens QUALITEACH in den Reakkreditierungsprozess der Lehramtsstudiengänge an der Universität Erfurt. Angebote aus den Teilprojekten“ wird Studiengangsentwickler*innen und Hochschullehrenden in lehramtsrelevanten Studiengängen die in der ersten Förderphase von QUALITEACH entwickelten Ansätze und hochschuldidaktischen Formate vorgestellt und mit einem konkreten Dienstleistungsangebot verbunden. Ziel ist, die Ergebnisse der
Teilprojekte in den aktuell laufenden Reakkreditierungsprozess zu integrieren, denn in diesem Prozess werden Prüfungs- und Studienordnungen etabliert, die bis Ende der 2020er Jahre verbindlich für die Lehramtsstudiengänge sein werden.
Vorstellung des Projekts „Sprachliche Bildung in mehrsprachigen Kontexten“
Der Themenkomplex „Mehrsprachigkeit und Migration“ gilt sowohl im aktuellen wissenschaftlichen als auch bildungspolitischen und schulpraktischen Kontext zunehmend als eine der zentralen Herausforderungen. Das Vorhaben „Sprachliche Bildung in mehrsprachigen Kontexten“ setzt sich deshalb auf verschiedenen Ebenen mit der Heterogenitätsdimension „Mehrsprachigkeit“ auseinander. In diesem Sinne besteht das Projekt aus einer Forschungs- und einer Praxiskomponente. Im Zusammenhang mit der wissenschaftlichen Komponente befassen sich unter anderem eine Dissertation, eine Habilitation und weitere Forschungsbeiträge mit Fragen aus dem Bereich sprachliche Bildung und Mehrsprachigkeit. Der praxisbezogene Teil konzentriert sich auf folgende Aspekte: Im Umgang mit sprachlicher Heterogenität und Mehrsprachigkeit im Klassenzimmer steigt der Bedarf an einschlägig qualifizierten Lehrkräften. Um diesem Bedarf in der Erfurter Lehrerbildung gerecht werden zu können, soll im Praxisteil des Projekts im Rahmen der Lernwerkstatt ein Pool an sprachsensiblen Lehr-Lern-Materialien für verschiedene Fächer entwickelt und erprobt werden, der Studierenden wie auch Lehrenden zur Verfügung gestellt wird. Außerdem soll der Themenbereich „Sprachsensibler Fachunterricht“ durch Team-Teaching und Team-Planning in Kooperationen mit Vertreterinnen und Vertretern der Fachwissenschaften, Fachdidaktiken und Bildungswissenschaften auch auf der hochschuldidaktischen Ebene nachhaltig verankert werden.
Projektleitung: Prof. Dr. Dr. Csaba Földes
Projektmitarbeit: Dr. Andrea Bambek, Laura Kuhlig
Diagnostik, Beratung, Praktikum: Ein integratives Konzept für das erste Praktikum im Lehramtsstudium
Im Wintersemester 2019/20 findet erstmals ein Seminar für Masterstudierende des Lehramts mit dem Schwerpunkt „Beratung und Coaching im Lehrberuf“ statt. Dieses ist an das Modul „Bildungswissenschaftliches Praktikum: Diagnostizieren, Beurteilen und Beraten“ (BW01) gekoppelt und wird als konzeptuelle Alternative zum herkömmlichen Seminar „Praxis der pädagogisch-psychologischen Diagnostik“ erprobt. Das Seminar ist ein erster Versuch zur Nutzbarkeit von Peer-Beratungen im Lehramtsstudium. Bei Gelingen dieses ersten Durchlaufs soll das Seminar künftig regelmäßig angeboten werden. „Die Studierenden nehmen das neue Seminarkonzept sehr interessiert und engagiert an“, freut sich Dozentin Juliane Knüpfer vom Fachgebiet Psychologie, die selbst einen Studienschwerpunkt im Bereich Beratung absolviert hat.
Zweck dieses Seminars ist es, Lehramtsstudierende im Masterstudium für die Beratung allgemein und speziell von Studierenden in der Bachelorphase zu schulen. Gleichzeitig finden nämlich Seminare statt, in denen die Bachelorstudierenden auf ihr erstes Schulpraktikum vorbereitet werden. Diesen Studierenden wird ab sofort standardmäßig ein Persönlichkeits-Assessment angeboten, mit dem sie klären können, ob sie bereits die nötigen Voraussetzungen für den Lehrberuf mitbringen. Sie werden dann dazu angeleitet, Fragen zu ihrer Eignung im anstehenden Praktikum aktiv und reflektiv anzugehen und sich in kritischen Situationen zu erproben. Damit die Studierenden diese Selbsterprobung angemessen vorbereiten und verarbeiten, erhalten einige von ihnen einen persönlichen „Coach“, nämlich eine erfahrene Lehramtsstudentin oder einen erfahrenen Lehramtsstudenten, an die Seite gestellt. Genau diese werden in dem eingangs beschriebenen Beratungsseminar auf ihre Aufgabe vorbereitet. „Auf diese Weise verknüpfen wir die Instrumente zur Persönlichkeitsklärung mit einer zielgenauen, individuellen Planung des Praktikums“, erklärt Dr. Andrea Schmerbauch von der Erfurt School of Education, „und bieten den Studierenden darüber hinaus den Austausch mit erfahrenen Peers an. Diese üben dadurch die kollegiale Beratung, so dass alle Seiten einen Gewinn haben.“
Im Frühjahr 2020 werden Evaluationsdaten vorliegen, so dass der Modellversuch bewertet und weiterentwickelt werden kann.
Neuerscheinung
Im Oktober dieses Jahres erschien im Klinkhardt Verlag in der Reihe „Lernen und Studieren in Lernwerkstätten“ der Sammelband zur 11. Internationalen Lernwerkstättentagung 2018 in Erfurt unter dem Titel: „Perspektiven auf Hochschullernwerkstätten. Wechselspiele zwischen Individuum, Gemeinschaft, Ding und Raum“ Das Herausgeber*innenteam Sandra Tänzer, Marc Godau, Marcus Berger und Gerd Mannhaupt lädt dazu ein, in den breiten Diskurs über konzeptionelle Überlegungen, Forschungen und Praxiserfahrungen in und über Hochschullernwerkstätten einzutauchen. Mit der Betonung des Wechselspiels von Individuum, Gemeinschaft, Ding und Raum werden dabei vier Themenfelder und Interdependenzbeziehungen aufgegriffen, die für Hochschullernwerkstätten konstitutiv sind:
- Welche Chancen und Herausforderungen bieten Lernwerkstätten für die individuelle Entwicklung?
- Wie können kooperative und kollaborative Lernprozesse in Gemeinschaften gefördert werden?
- Welche Bedeutung haben Dinge, Artefakte, Medien, Technologien für Lernen und Bildung in Lernwerkstätten?
- Wie realisieren sich in Räumen und Raumkonstellationen von Lernwerkstätten unterschiedliche diskursive Praxen und Lernprozesse?
Podcast: #werkstattgespräche
Wenn Einblicke große Ohren bekommen …
Möchte man, dass konkrete hochschuldidaktische Zugänge einen gewissen Wirkungsgrad erreichen können, ist es wichtig, ihre Zugänglichkeit sicherzustellen. Das digitale Medium „Podcast“ bietet die Möglichkeit, den Zugang zu Inhalten in einem virtuellen Raum durch eine audiobasierte, asynchrone Kommunikation (Hochmuth u.a. 2009) zu erweitern. Zeitliche und örtliche Flexibilität sowie die Skalierbarkeit der Zielgruppe ermöglichen ein zeitgemäßes Open Education Format.
So verwundert es nicht, dass sich dieses Medium immer größerer Beliebtheit in vielen Teilen der Gesellschaft erfreut, was zunehmend auch im Bildungssektor deutlich wird. Zu der stetig steigenden Anzahl einschlägiger Formate, fügt das Team der Lernwerkstatt die #werkstattgespräche hinzu.
Die #werkstattgespräche sind ein Hörformat, dass Fragen des Lehrens und Lernens im Kontext einer Hochschullernwerkstatt und mit Bezug zur Lehrer*innenbildung vorstellt, hinterfragt und diskutiert. Hören Sie doch einfach mal rein…
http://lernwerkstatt-erfurt.de/materialien-kiste/podcast/
Holger Hochmuth, Zoya Kartsovnik, Michael Vaas, Nicolae Nistor (2009): Podcasting im Musikunterricht. Eine Anwendung der Theorie forschenden Lernens. In: Apostolopoulos, Nicolas [Hrsg.]; Hoffmann, Harriet [Hrsg.]; Mansmann, Veronika [Hrsg.]; Schwill, Andreas[Hrsg.]: E-Learning 2009. Lernen im digitalen Zeitalter. Münster ; New York ; München ; Berlin : Waxmann, S. 246-255. - (Medien in der Wissenschaft; 51)
BLICKKONTAKT
„Offenheit für Neues und der Wille, Zeit zu investieren, bergen ein großes Potenzial.“ – Ein Interview mit Schulleiterin Damaris Widiger über die Kooperation mit dem Forschungslabor MasterMind.
Zur Annäherung von Praxis und Wissenschaft leisten derzeit Masterarbeiten von Lehramtsstudierenden der Universität Erfurt einen Beitrag. Dafür werden Kooperationen zwischen Thüringer Schulen und Studierenden im Rahmen des Teilprojektes „Forschungslabor MasterMind“ aufgebaut. Schulen stellen dafür eigene, aktuelle Fragestellungen ihrer Schul- und Unterrichtsentwicklung bereit, die von Studierenden in Abschlussarbeiten bearbeitet werden. Die Ergebnisse stellen sie den Schulen danach als eine zusätzliche Perspektive auf ihre Fragestellungen, die auf einer wissenschaftlichen Vorgehensweise beruht, zur Verfügung. Dieser Newsletter-Beitrag illustriert einen beispielhaften Verlauf eines solchen Projektes sowie den Nutzen für Schulen anhand der konkreten Erfahrung einer Schule. Teilprojektmitarbeiter Norbert Graebel hat Damaris Widiger, die Schulleiterin einer staatlichen Grundschule in Mittelthüringen, der Lindenschule Blankenhain, zu ihren Erlebnissen in der Kooperation mit der Universität Erfurt interviewt.
Sehr geehrte Frau Widiger, seit circa einem Jahr arbeiten Sie und Ihr Kollegium mit uns, dem „Forschungslabor MasterMind“, zusammen und haben bereits den Prozess eines kompletten Masterarbeitsprojektes erlebt. Bevor wir darauf näher eingehen, würden wir gern erfahren, wie Sie auf das Projekt aufmerksam geworden sind?
Wir haben vor vier Jahren jahrgangsgemischte Klassen (Anmerkung des Interviewers: 1.-4. Klasse, ohne Kurse) an unserer Schule eingeführt. Ich bin danach als Schulleiterin an die Schule gekommen und verfolge seitdem das Ziel diese Jahrgangsmischung in einem neuen Konzept festzuhalten. Zu diesem Zweck wollte ich gern externe Unterstützung nutzen und fand diese auch in Frau Pfarre, unserer Schulentwicklungsberaterin, die schon an der benachbarten Schule tätig war. Frau Pfarre stellte uns in einer der ersten Sitzungen die Arbeit des „Forschungslabors MasterMind“ vor und fragte, ob wir Interesse an einer Kooperation mit der Universität Erfurt haben. Ich konnte mir das sofort vorstellen. Mein Kollegium konnte sich zunächst noch wenig darunter vorstellen, aber da ich es als große Hilfe gesehen habe, haben wir Sie eingeladen und dann kamen Sie ja zu uns in die Teamsitzung.
Das stimmt. Nach unserer Projektpräsentation hatten Sie ja als Schule noch Bedenkzeit und haben dann abgestimmt, dass Sie die Zusammenarbeit ausprobieren wollen. Bei einem nächsten Treffen im Rahmen der Schulentwicklungsberatung zu Ihrem Konzept zur Jahrgangsmischung haben wir uns dann auf Inhalte verständigt, die Sie besonders beschäftigten. MasterMind-Mitarbeiter haben dann an der Universität eine Studierende gefunden, die sich ebenfalls für das Thema begeistern konnte und dann ihre Masterarbeit in Kooperation mit Ihrer Schule verfasst hat. Können Sie kurz beschreiben, wie die Studierende dann auf die konkrete Fragestellung für ihre Masterarbeit gekommen ist?
„Wir haben im Kollegium bereits wissenschaftliche Literatur zur Jahrgangsmischung gesichtet, bevor es zur Zusammenarbeit kam. Dies ist uns unterschiedlich leichtgefallen und jede_r hat circa einen Text aufgearbeitet. Es war also eine erste Hilfe, dass die Studierende sich einen wesentlich umfassenderen Überblick über aktuelle wissenschaftliche Publikationen zur Jahrgangsmischung verschafft hat und den mit uns geteilt hat. Wir haben auch ganz andere Quellen gelesen als die Studierende. Die Fragestellung basierte dann auf unseren praktischen Interessen und Erfahrungen zu Vor- und Nachteilen der Jahrgangsmischung und dem wissenschaftlichen Einblick, den die Studierende uns gegeben hat.“
Die konkreten Fragestellungen lauteten: „Welche Spannungsfelder nehmen Lehrkräfte im jahrgangsübergreifenden Unterricht wahr?“ und „Welche Handlungsstrategien wenden sie an, um mit den Herausforderungen, die sich durch die Anforderung an ihre tägliche Unterrichtspraxis ergeben, professionell umzugehen?“
„Ja, genau. In diesem Rahmen interessierte uns besonders, wie wir an Ressourcen andocken können, die in unserer Praxis schon existieren. Die Studierende hat dazu mit allen Lehrkräften Interviews durchgeführt und mit wissenschaftlichen Methoden ausgewertet. Und dann wurden uns die Ergebnisse an der Schule von der Studierenden persönlich präsentiert.“
Welche Ergebnisse haben Sie erhalten und inwiefern können Sie damit weiterarbeiten?
„Also erstmal war es für uns überraschend und auch etwas enttäuschend, dass es laut aktueller Studien im Allgemeinen keinen Leistungsunterschied gibt zwischen Kindern in homogenen und Kindern in heterogenen Klassen. Aber wir haben dann auch verstanden, wir müssen unsere Schülerinnen und Schüler mit unserer Schulform nicht besser machen als andere, sondern können sie besser nehmen, wie sie sind. Das macht für uns die Jahrgangsmischung auch aus. Es geht uns darum, die Kinder auf ihrem Leistungsniveau abzuholen und sie in einem dazu angemessenen Tempo weiterzubringen. Die Ergebnisse haben des Weiteren die Spannungsfelder in Bezug auf die Jahrgangsmischung an unserer Schule und im Allgemeinen dargestellt. Das hat sich schon mit unseren Erfahrungen gedeckt, war aber stringent und stimmig auf den Punkt gebracht. Diese kompakte Struktur hilft uns jetzt wunderbar, Herausforderungen zu reflektieren, Lösungsansätze und Ressourcen zu finden und bei der Formulierung unseres Konzepts zu berücksichtigen.“
Was glauben Sie, hat das Projekt der Studierenden genutzt?
„Ganz viel Praxiserfahrung. Sie musste sich mit vielen Lehrkräften austauschen und hat dadurch Einblicke gewonnen: in deren Lage, in Herausforderung und Lösungsansätze, die praktische Bedeutung haben. In Bezug auf die Jahrgangsmischung von Klasse 1 bis 4 war es womöglich die erste, intensive Auseinandersetzung für die Studierende in einer Schule. Das ergänzt sicherlich Wissensbestände aus dem Studium, da ich mir vorstellen kann, dass Individualisierung in jahrgangsgemischten Klassen nur am Rand behandelt wird. Zudem hat sie sich hochmotiviert gezeigt, was sicher auch dadurch beeinflusst wurde, dass ihre Masterarbeit für uns wichtig ist und nicht nur als Prüfungsleistung geschrieben wird. Wenn es nur theoretisch bleibt, merkt man es sich vermutlich weniger. Die Studierende hat sogar noch hospitiert, obwohl das für die Masterarbeit nicht notwendig war. Letztlich hat sie auch noch eine sehr gute Note bekommen.“
Was hat es Ihnen und Ihrer Schule gebracht, ein Projekt mit Studierenden zu machen?
„Na es nimmt viel Arbeit ab, da ein Student doch mehr Zeit hat, sich mit wissenschaftlichen Texten auseinanderzusetzen. Natürlich ist es auch unsere Aufgabe, sich stets weiterzubilden, aber es ist etwas Anderes, ob Informationen durch Studierende oder beispielsweise durch mich als Schulleiterin ins Kollegium getragen werden. Vom Schulleiter, der Schulleiterin fühlt man sich möglicherweise doch schneller bevormundet. Die Ergebnisse von Studierenden, die so viel gelesen haben, werden da anders angenommen und auch freier diskutiert und in Frage gestellt. Was gut ist. Ich glaube, in unserem Kollegium hat sich nach der Präsentation wieder etwas gedreht. Widersprüche wurden aufgezeigt und diskutiert und das bringt uns weiter. Es regt uns zum Weiterbeschäftigen an und wir identifizieren uns jetzt noch stärker und bewusster mit unserer Jahrgangsmischung. Es gibt da auch noch viel Potential weiter nachzudenken und sich damit zu beschäftigen. Externe Perspektiven sind total hilfreich. Zum einen können sie eine Wertschätzung unserer Arbeit vermitteln und zum anderen auch Anregung zu Prozessen liefern – in jedem Fall hilft es uns weiter. Auch die Teilnahme an den Interviews hat in diesem Fall jeden Einzelnen noch einmal gefordert über die Jahrgangsmischung nachzudenken. Alle hatten Respekt davor, aber zu wissen, dass die Äußerungen anonym ausgewertet werden, war auch einen Vorteil und hat Offenheit gefördert.“
Sie haben eben angedeutet, dass es Ihnen Zeit gespart hat. Wie schätzen Sie, ganz ehrlich, Aufwand und Nutzen der Zusammenarbeit mit den Studierenden ein?
„Soll ich ganz ehrlich sein?“
Ja, unbedingt.
„Okay, wenn man sich als Schulleiterin die Zeit für die Schulentwicklung nimmt – und das habe ich getan – kann man sie einsetzen, um Kolleg_innen zu vertreten, damit diese beispielsweise während der Arbeitszeit an einem Interview teilnehmen können, dann lohnt es sich absolut und der Nutzen scheint für uns noch viel höher als der Aufwand.“
Und ganz konkret auf das Projekt mit der Studierenden bezogen?
„Ja, das meine ich. Klar kann es auch mal nach hinten losgehen und eine Investition von Zeit bringt nicht das gewünschte Resultat und die Studierende hat vielleicht auch mal keine 1 vor dem Komma, aber dennoch lohnt es sich. Man muss jedoch von vornherein offen und gewillt sein, solche Zeitressourcen einzusetzen. Wenn man es nur als Belastung sieht, dann wird man es nicht als lohnend wahrnehmen.“
Sie nehmen sich auch weiterhin die Zeit, mit Studierenden zu kooperieren und haben bereits eine neue Masterarbeitskandidatin an der Schule. Worum geht es in Ihrem aktuellen Projekt?
„Die Studierende erstellt ein Soziogramm einer Stammgruppe. Schade, dass es erstmal nur für eine Stammgruppe möglich ist, da alle Lehrkräfte Interesse daran hatten. Daran merkt man schon, dass das Projekt etwas verändert hat. Die Lehrkräfte haben in der Dienstberatung ausgehandelt, wer mitmachen darf und nicht, wer muss. Die Kolleg_innen sehen einen Mehrwert für ihre Arbeit in der fremden Perspektive, aber auch eine Gelegenheit, Studierenden zu helfen.“
Meine letzte Frage ist ein wenig fiktiv. Stellen Sie sich vor, Sie sitzen mit anderen Schulleiter_innen zusammen und berichten von der Arbeit mit dem „Forschungslabor MasterMind“ und den Studierenden. Würden Sie es Ihren Kollegen weiterempfehlen? Sie dürfen hier ganz ehrlich antworten.
„Okay, ich würde sagen ‚Ja‘. Und ich habe es auch schon weiterempfohlen - einigen Schulleiter_innen aus der Region und auch einer weiter weg, die es sogar schon kannte. Ich habe angesprochen, dass es zunächst toll ist, dass es Schulentwicklungsberatung gibt und dass Frau Pfarre uns sehr gut unterstützt und dass jetzt eben zum Teil auch noch Studierende durch ihre Masterarbeiten indirekt Arbeit abnehmen, zumindest für neue Perspektiven, die wir uns aus Zeitgründen nur schwer selbst erschließen können. Ich bin da auch auf Verständnis gestoßen. Aber auch auf zurückhaltende Antworten, wie ‚Ja, klar du bist noch jung und hast die Kraft und kennst so wissenschaftliches Arbeiten noch frisch aus dem Studium‘. Ich denke, viele finden es auch gut, aber trauen es sich nicht zu. Manche wissen vielleicht auch nicht, wozu es ihnen nutzt. Ich sage ihnen dann, dass sie fast alle Entwicklungsprozesse irgendwie hinterfragen sollten und dabei Studierende eine Bereicherung sein können. Manche sind aber auch gerade müde in Bezug auf Veränderungen und haben mit dem Lehrer_innenmangel zu kämpfen, sodass vermeintlich zusätzliche Aufgaben zu viel erscheinen. Aber allen Schulen, die etwas Neues gestalten wollen, neue Perspektiven brauchen, sich weiterentwickeln und sich die Zeit dafür nehmen, kann man eine Kooperation mit dem Projekt (Anmerkung des Interviewers: Forschungslabor MasterMind) empfehlen.“
Dann erlaube ich mir doch noch eine kleine Nachfrage. Was benötigen Schulen dafür?
„Sie brauchen Offenheit für Neues und den Willen, die notwendige Zeit einzusetzen, dann birgt das Projekt großes Potenzial.“
Vielen Dank für Ihre Zeit in der Zusammenarbeit und auch für dieses Interview. Wir freuen uns schon auf das nächste Projekt mit Ihrer Schule.
RÜCKBLICKE
Abschluss der ersten Phase des Projekts QUALITEACH
Zum erfolgreichen Abschluss der ersten Phase des Projekts QUALITEACH trafen sich 70 Akteure aller drei Phasen der Lehrerbildung und der Bildungspolitik am 23. Mai 2019 in Erfurt. Bei der Abschlusstagung der ersten Projektphase des Vorhabens QUALITEACH diskutierten die Projektbeteiligten mit zahlreichen Gästen folgende Fragen: Welche neuen Wege haben sich für die Erfurter Lehrerbildung durch QUALITEACH eröffnet? Welche Veränderungen sind nach dreieinhalb Jahren Arbeit mit den Mitteln der Qualitätsoffensive Lehrerbildung bereits sichtbar, welche wurden angestoßen und welche Herausforderungen stellen sich in der zweiten Förderphase?
https://www.uni-erfurt.de/erfurt-school-of-education/forschung-entwicklung/qualiteach/fachtagung-am-23052019
Teilnahme am Forum „Psychologische Perspektiven in der Qualitätsoffensive Lehrerbildung“
Eine vor mehreren Jahren gegründete Arbeitsgruppe von psychologischen Forscherinnen und Forschern in der Qualitätsoffensive Lehrerbildung traf sich in diesem Jahr erneut, und zwar im Rahmen der gemeinsamen Tagung der Fachgruppen Pädagogische Psychologie und Entwicklungspsychologie „paEpsy“, die vom 9. bis 12. September 2019 in Leipzig stattfand.
Ziel der Veranstaltung war der Austausch wissenschaftlicher Vorgehensweisen und Erkenntnisse zu psychologischen Themenfeldern, die im Rahmen der bisherigen Projektlaufzeit gewonnen werden konnten. Zur besseren Strukturierung der Gespräche wurden die Beiträge in Kleingruppen mit dafür differenzierten Oberthemen aufgeteilt: Evaluation und Erfahrungen im Lehramtsstudium, Praxisanteile im Lehramtsstudium sowie Diagnostik und Leistungsmessung. Das Teaching Talent Center als Vertreter des Projekts „QUALITEACH“ der Universität Erfurt stellte in zwei Posterbeiträgen die Ergebnisse der feedbackorientierten Persönlichkeits- und Kompetenzerfassung im Lehramtsstudium sowie die Ergebnisse von Pilotstudien zu geschlechtsbezogenen Verhaltensnormen für Lehrkräfte aus der Sicht von Lehramtsstudierenden zur Diskussion. Beide Themen wurden mit großem Interesse zur Kenntnis genommen.
Die an die Posterpräsentation anschließende Aussprache in Hinblick auf Möglichkeiten und Grenzen psychologischer Forschung in der Qualitätsoffensive Lehrerbildung ergab einen interessanten Austausch der unterschiedlichen Forschungsstrategien und Vernetzungen. Die sehr anregenden Gespräche führten zu der Entscheidung, künftig weitere Treffen dieses Formats durchzuführen, um die Kooperation zwischen den an der Qualitätsoffensive Lehrerbildung beteiligten psychologischen Einrichtungen zu intensivieren. Um zusätzlich gemeinsame Publikationen zu fördern und psychologische Ergebnisse aus der Qualitätsoffensive besser sichtbar zu machen, hatte die Leitung der Arbeitsgruppe im Vorfeld des Treffens mit der Zeitschrift „Psychologie in Erziehung und Unterricht“ die Gestaltung eines Themenhefts vereinbart. Entsprechend hat sich Teaching Talent Center auch hier an dem bereits erfolgten „Call for Papers“ beteiligt.
Standortübergreifendes Kooperationsseminar
Auch in diesem Wintersemester findet das jährliche standortübergreifende Kooperationsseminar der Hochschullernwerkstatt Erfurt in Zusammenarbeit mit der OASE Lernwerkstatt der Universität Siegen unter dem Titel „digital teilhaben“ statt. Die beiden hiesigen Lernwerkstätten bilden mit ihren hochschuldidaktischen Konzepten den Rahmen für die didaktisch-methodische Ausrichtung des Seminars, das nach dem Prinzip des problembasierten Lernens konzipiert ist. Erstmalig wird durch die Öffnung für Studierende für den Bereich des „Studium Fundamentale“ eine sehr heterogene Teilnehmer*innenschaft sichergestellt, was als Erfolgsfaktor für das verwendete hochschuldidaktische Konzept betrachtet wird. Weitere Informationen zum Seminar finden Sie auf dem Blog der Hochschullernwerkstatt oder im neu erschienenen Tagungsband:
Tänzer, Sandra; Godau, Marc; Berger, Marcus & Mannhaupt, Gerd (Hrsg.) (2019): Perspektiven auf Hochschullernwerkstätten. Wechselspiele zwischen Individuum, Gemeinschaft, Ding und Raum. Bad Heilbrunn: Klinkhardt.
Inklusionsforum
Unter dem Titel „Sichtweisen auf Inklusion – unterwegs zu einem Verständnis“ hatte das Kompetenz –und Entwicklungszentrum für Inklusion in der Lehrerbildung im Rahmen des Projekts QUALITEACH am 18.06.19 zum Inklusionsforum eingeladen.
In der Veranstaltung wurde das Thema Inklusion zunächst von vier Referent*innen der Universität Erfurt mit drei Impulsvorträgen zu den Schwerpunkten Emotionale Soziale Entwicklung, mathematisch begabte Kinder und Mehrsprachigkeit aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet.
Im ersten Impulsvortrag eröffnete Frau Prof.‘in Dr. Susanne Jurkowski, Leiterin des Kompetenz- und Entwicklungszentrums Inklusion in der Lehrerbildung, die Veranstaltung, Sie zeigte auf, dass Heterogenitätsdimensionen als Prädiktoren für schulischen Lernerfolg gelten.
Oftmals denken wir bei „Heterogenität“ ausschließlich an die sonderpädagogischen Förderbedarfe wie Geistige Entwicklung, Lernen sowie Soziale und Emotionale Entwicklung. Inklusion heißt jedoch das Recht aller Menschen auf gesellschaftliche Teilhabe. Die Referentinnen des Forums wiesen deshalb darauf hin, dass weitere Dimensionen wie Religion, Vorwissen, Begabung, Herkunft und Geschlecht zur Vielfältigkeit unserer Gesellschaft beitragen und eine Position im Inklusionsverständnis bedürfen.
Frau Prof’in Dr. Anja Binanzer stellte Mehrsprachigkeit in den Fokus. Es zeige sich, dass Schüler*innen mit Migrationshintergrund, deren Erstsprache häufig nicht Deutsch ist, schlechtere PISA Ergebnisse zeigen als Schüler*innen ohne Migrationshintergrund. Um Bildungsgerechtigkeit und Teilhabe zu ermöglichen, sei es bedeutsam, auf die individuellen Bedürfnisse von mehrsprachigen Schüler*innen einzugehen und migrationsbedingte Mehrsprachigkeit in die Schulpraxis zu inkludieren. Dies bedeute beispielsweise, dass die Schulsprache Deutsch als auch die jeweilige Erstsprache gefördert werden.
Als weitere Dimension von Inklusion sprachen Frau Prof’in Dr. Heike Hahn und Elisabeth Mantel im letzten Impulsvortrag den Bereich der potenziell mathematisch begabten Schüler*innen an. Wichtig sei es, leistungsstarke Kinder verstärkt in den Blick zu nehmen, um durch Förderung das volle Potenzial von Begabungen auszubilden. Auch Lernende mit starken Leistungen benötigen individuelle pädagogische Wege, differenzierte Aufgaben und neue Herausforderungen im Unterricht.
Die anschließende Diskussion konzentrierte sich thematisch auf die Umsetzung von Inklusion an Schulen und die dafür notwendige Lehrerbildung. Es wurde angemerkt, dass künftige Lehrende bereits im Studium erfahren sollten, wie sie inklusiven Unterricht gestalten können. Dies kann erfolgen, indem in Seminaren und Vorlesungen aufgezeigt wird, wie beispielsweise Aufgaben an individuelle Bedürfnisse der Lernenden angepasst werden können oder ein Materialpool zum differenzierenden Arbeiten zur Verfügung gestellt wird. Dem entgegen stehe, dass fachliches Wissen und Materialien allein nicht ausreichen, um inklusive Einstellungen zu entwickeln. Hier gilt es, sich ständig zu reflektieren und eine offene Haltung zu entwickeln. Geäußert wurde außerdem, dass in Schulen ein starker Fokus auf fachliches Lernen gelegt werde und das soziale Miteinander zu kurz komme. Doch gerade die Beziehung
zwischen Lernenden und Lehrenden und den Schüler*innen untereinander sei als zentrale Voraussetzung für Inklusion zu sehen. Angemerkt wurde in diesem Zusammenhang, dass dafür Kürzungen im Lehrplan nötig wären, um Zeit für die Ausbildung sozialer Beziehung aufwenden zu können. Dem entgegen steht die Meinung, dass sich fachliches Lernen und Inklusion nicht ausschließen.
Konsens herrschte bei der Aussage, dass im inklusiven Unterricht Regelpädagog*innen mit Sonder- und Förderpädagog*innen sowie Erzieher*innen und Integrationshelfer*innen interdisziplinär zusammenarbeiten müssen, um Schüler*innen optimal zu fördern und Inklusion zu ermöglichen.
Das Inklusionsforum gab somit Anlass, über ein erweitertes, allen Dimensionen an Vielfalt berücksichtigendes Inklusionsverständnisses nachzudenken und zu überlegen, wie Inklusion an Schulen umgesetzt werden kann.