„Perspektive Lehrkraft - Neue Wege im Lehramtsstudium“

Poster Qualiteach "Perspektive Lehrkraft - Neue Wege im Lehramtsstudium"

Zum erfolgreichen Abschluss der ersten Phase des Projekts QUALITEACH trafen sich 70 Akteure aller drei Phasen der Lehrerbildung und der Bildungspolitik am 23. Mai 2019 in Erfurt.

Bei der Abschlusstagung der ersten Projektphase des Vorhabens QUALITEACH diskutierten die Projektbeteiligten mit zahlreichen Gästen folgende Fragen: Welche neuen Wege haben sich für die Erfurter Lehrerbildung durch QUALITEACH eröffnet? Welche Veränderungen sind nach dreieinhalb Jahren Arbeit mit den Mitteln der Qualitätsoffensive Lehrerbildung bereits sichtbar, welche wurden angestoßen und welche Herausforderungen stellen sich in der zweiten Förderphase?

Prof. Sandra Tänzer

Um Antworten auf diese Fragen zu erhalten, hatte die Sprecherin der Arbeitsgruppe QUALITEACH, Professorin Dr. Sandra Tänzer, Interviews mit Studierenden, Projektmitarbeitenden und dem Wissenschaftsmanagement geführt und strukturiert ausgewertet. Über die Ergebnisse berichtete sie in ihrem Leitvortrag.

Als das „Neue und Bessere“ wurden identifiziert: der Bedeutungszuwachs der Lehrerbildung an der Erfurter Universität, die Erweiterung des Wissens und Könnens bei den Studierenden durch neue Inhalte und Gegenstandsfelder sowie die Pionierarbeit in der Lehrerbildungsforschung vor allem durch die Vernetzung von Forschung, Lehre und Praxisbegegnungen.

Am sichtbarsten, so die Forscherin, sei das Potential für die Lehrerbildner*innen: Dozierende verändern sich: ihr Wissen, ihre Haltungen, ihr Mut zu Veränderungen in der eigenen Lehre wachsen und formen sich. Durch die mit den Ressourcen der Qualitätsoffensive Lehrerbildung entwickelten hochschuldidaktischen Zugänge wurden Integration, Kooperation und Interdisziplinarität gefördert und Barrieren der Zusammenarbeit abgebaut.
Prof. Dr. Gerd Mannhaupt, Vizepräsident für Studium und Lehre ging im Grußwort des Präsidiums auf die strukturellen Veränderungen ein, die sich unter anderem im Prozess der Reakkreditierung der Lehramtsstudienordnungen manifestieren werden.

„Highlights“ für die Projektmitarbeitenden, so die Referentin, war die Erfahrung, Teil einer wissenschaftlichen Gemeinschaft zu sein, die eigenen Projektvorhaben als einen selbstverständlichen Teil der Hochschulkultur zu gestalten und damit das Gefühl, im konkreten Handlungsraum Lehrerbildung etwas bewirkt zu haben und dafür Wertschätzung zu erfahren.

Die Fachtagung gab den Projektmitarbeitenden die Möglichkeit, einen Einblick in die wissenschaftlichen Ergebnisse der fünf Teilprojekte zu geben und diese mit einem Fachpublikum aus der Wissenschaft, der Politik, der Lehrerschaft, den Staatlichen Studienseminaren und der Studierendenschaft zu diskutieren.

Prof. Dr. Hany würdigte in seinem Ausblick die gemeinsame Anstrengung der 13 Professorinnen und Professoren aus der Erziehungswissenschaftlichen und aus der Philosophischen Fakultät zur Weiterentwicklung des Vorhabens QUALITEACH im Vorfeld der Antragstellung. Die zweite QUALITEACH-Phase wird von mehreren „Dreiklängen“ bestimmt:

 

DREI STRATEGIEZIELE: Intensivierung der Entwicklungsansätze, Institutionalisierung der entwickelten Struktureinheiten und Implementierung der Formate in die Prüfungsordnungen.

DREI ENTWICKLUNGSAUFGABEN: Entwicklung der Studierenden in Richtung professionelles Selbst, Entwicklung der lehrerbildungsspezifischen Hochschuldidaktik und Entwicklung von Struktureinheiten.

DREI HERAUSFORDERUNGEN: Trotz bester Arbeitsmarktsituation für Lehramtsabsolventen eine hohe Studien- und Entwicklungsmotivation fördern und fordern. Eine hohe Qualität der Hochschullehre trotz gestiegener und steigender Studierendenzahlen im Lehramt sichern. Ein Leitbild Lehre und Lehrerbildung entwickeln, dass in der Universität Erfurt identitätsstiftend ist.

Eindrücke der Fachtagung
Weitere Eindrücke der Fachtagung
Tobias Michael - Teilprojekt Teaching Talent Center
Tobias Michael - Teilprojekt Teaching Talent Center
Thomas Bock - Teilprojekt Forschungslabor Mastermind
Thomas Bock - Teilprojekt Forschungslabor Mastermind
Diana Stoll - Teilprojekt Kompetenz- und Entwicklungszentrum für Inklusion
Diana Stoll - Teilprojekt Kompetenz- und Entwicklungszentrum für Inklusion
Josefin Kaufhold - Teilprojekt Methodentraining für effektives Unterrichten
Josefin Kaufhold - Teilprojekt Methodentraining für effektives Unterrichten
 Marcus Berger - Teilprojekt Hochschullernwerkstatt
Marcus Berger - Teilprojekt Hochschullernwerkstatt
Dr. Meiling Liu - Teilprojekt Hochschullernwerkstatt
Dr. Meiling Liu - Teilprojekt Hochschullernwerkstatt
Dr. Theresia Piszczan - QUALITEACH II Teilprojekt Kompetenznetzwerk für digitale fachbezogene Lehrerbildung (KdfL)
Dr. Theresia Piszczan - QUALITEACH II Teilprojekt Kompetenznetzwerk für digitale fachbezogene Lehrerbildung (KdfL)
Prof. Dr. Petra Kirchhoff - QUALITEACH II Teilprojekt Kompetenznetzwerk für digitale fachbezogene Lehrerbildung (KdfL)
Prof. Dr. Petra Kirchhoff - QUALITEACH II Teilprojekt Kompetenznetzwerk für digitale fachbezogene Lehrerbildung (KdfL)
Dr. Susanne Jurkowski und Prof. Dr. Ernst Hany

In den Diskussionen zu den Fachbeiträgen wurde deutlich, dass weitere Strategien notwendig sind, um die entwickelten Formate evidenzbasiert in den Lehramtsstudiengängen zu verankern. Ein großer Teil der Mitarbeitenden wird in der zweiten Förderphase daran arbeiten.

Prof. Tänzer konnte anhand ihrer Interviews aufzeigen, dass die Intension der QUALITEACH-Leitbegriffe Identität und Immersion im Denken und Handeln ihrer Gesprächspartner*innen angekommen ist. Inklusion bleibt auch in der zweiten Förderphase die größte Herausforderung in Forschung, Lehre und Praxisbegegnungen. Dem neuen Sprechertandem Prof. Dr. Susanne Jurkowski und Prof. Dr. Ernst Hany riet sie, mit den QUALITEACH-Angeboten und Ergebnissen noch stärker in die Öffentlichkeit zu gehen und durch inhaltliche, strategische und konzeptionelle Vernetzung der Entwicklungsansätze die Projektidentität weiter zu stärken.

Details zu den Vorträgen

Vortrag von Professorin Dr. Sandra Tänzer

Impulse zur Persönlichkeits- und Eignungsentwicklung

Annelie Held, Tobias Michael

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Der Lehrberuf bringt ein breites Spektrum an Anforderungen für angehende Lehrerinnen und Lehrer mit sich. Über die rein fachlichen und pädagogischen Aufgaben hinaus, müssen sich Lehrpersonen komplexen Herausforderungen stellen, die ausgeprägte persönliche und sozial-interaktive Kompetenzen erfordern (z.B. Rothland, 2010). Neben überfachlichen Kompetenzen haben sich insbesondere auch Persönlichkeitsmerkmale als bedeutsame Faktoren für die berufliche Wirksamkeit von Lehrkräften und zur Vermeidung von Burnout herausgestellt (z.B. Kim et al., 2019). Vor diesem Hintergrund sollten Studienanfänger*innen in der Lage sein, eine wohlüberlegte eignungsreflektierte Berufswahl treffen zu können (z.B. Keller-Schneider, 2010).

Das Teaching Talent Center unterstützt angehende Lehrkräfte in ihrer beruflichen Professionalisierung bereits während des Studiums. Neben der persönlichkeitsorientierten Eignungsbegleitung mit Assessment, Feedback und Beratung, wurden Trainingsmaßnahmen implementiert, die auf Persönlichkeits- und Kompetenzentwicklung abzielen. Konkret adressiert der Erfurter Trainingsansatz Kommunikations- und Gesprächskompetenzen, Konfliktlösungskompetenzen, Selbst- und Zeitmanagement sowie Achtsamkeit, Persönlichkeitsentwicklung und Berufswahlreflexion. Vor dem Hintergrund der relativen Stabilität und Veränderbarkeit der angesprochenen Persönlichkeits- und Kompetenzfacetten (Roberts et al., 2017; Kunina-Habenicht et al., 2015), ergibt sich die Fragestellung, ob und inwieweit Kompetenzzuwächse und Persönlichkeitsveränderungen durch Kurzzeittrainings zu erreichen sind.

Die Trainings wurden für Bachelorstudierende der Lehramtsstudiengänge im Rahmen der Wahlveranstaltung (Studium Fundamentale) angeboten und erstreckten sich über eine Dauer von vier bis sechs Wochen. An den Seminaren nahmen 24 bis 32 Studierende teil. Zur Überprüfung der Trainingseffekte wurden u.a. Skalen zu den großen fünf Persönlichkeitsmerkmalen (Schallberger & Venetz, 1999), zur beruflichen Identität (Porfeli et al., 2011), zur Achtsamkeit (Ströhle et al., 2010) sowie zum Zeit- und Selbstmanagement (Britton & Tesser, 1991) eingesetzt. Als Trainer fungierten das pädagogisch geschulte Projektpersonal sowie fortgeschrittene Studierende des Masterstudiengangs Psychologie.

Die Trainings wurden in Prä-Post-Kontrollgruppendesigns, teilweise mit Follow-Up-Messungen, evaluiert. Dem Evaluationsmodell von Kirkpatrick (2009) folgend, ergeben sich auf der Stufe 2 (Lernen) z.T. enorme Wissenszuwächse in den trainierten Bereichen (Zeit- und Selbstmanagement). Nachhaltige Kompetenzzuwächse lassen sich in den Trainings zu Schlüsselkompetenzen beobachten (Kommunikations-, Beratungs- und Konfliktkompetenz). Im Bereich der Persönlichkeitsentwicklung ergeben sich vorwiegend trainingsunspezifische Veränderungen. Die Achtsamkeit kann durch ein spezielles Training in geringem Maße gesteigert werden. Angesichts der beschränkten Stichprobengrößen und der großen Varianzen der erfassten Merkmale hätte es speziell im Persönlichkeitsbereich sehr großer Trainingswirkungen bedurft, um nachweisbare Effekte zu erzielen. Dessen ungeachtet äußerten sich die teilnehmenden Studierenden durchweg zufrieden mit den angebotenen Trainings und betonten den Nutzen für ihren zukünftigen Beruf (Stufe 1: Reaktion). Sie gaben an, dass sie die Veranstaltungen allen Lehramtsstudierenden empfehlen würden.

Die vorliegenden Evaluationsdaten lassen den Schluss zu, dass die Trainingsmaßnahmen zur Entwicklung der überfachlichen Kompetenzen und Lehrerpersönlichkeit geeignet sind. Sie stellen wirksame Impulse zur Persönlichkeits- und Eignungsentwicklung dar und tragen so zur Entwicklung eines professionellen Selbst in der Lehrerbildung an der Universität Erfurt bei.

 

 

Britton, B., Tesser, A. (1991). Effects of time-management practices on college grades. Journal of educational psychology, 83(3), 405-410.

Keller-Schneider, M. (2010). Entwicklungsaufgaben im Berufseinstieg von Lehrpersonen. Beanspruchung durch berufliche Herausforderungen im Zusammenhang mit Kontext- und Persönlichkeitsmerkmalen. Münster: Waxmann.

Kim, L. E., Jörg, V. & Klassen, R. M. (2019). A Meta-Analysis of the Effects of Teacher Personality on Teacher Effectiveness and Burnout. Educational Psychology Review 31(1), 163–195.

Kirkpatrick, D. L. (2009). Evaluating training programs. The four levels. NewYork: McGraw-Hill.

Kunina-Habenicht, O., Decker, A. & Kunter, M. (2015). Lehrerpersönlichkeit und professionelle Kompetenzen von Lehrkräften. In K. Seifried, S. Drewes, M. Hasselhorn (Hrsg.), Handbuch Schulpsychologie - Psychologie für die Schule (2. Aufl.; S. 319-330). Stuttgart: Kohlhammer.

Kunter, M., & Baumert, J. (2011). Das Kompetenzmodell von COACTIV. In M. Kunter, J. Baumert, W. Blum, U. Klusmann, S. Krauss, & M. Neubrand (Hrsg.), Professionelle Kompetenz von Lehrkräften. Ergebnisse des Forschungsprogramms COACTIV (S. 55–68). Münster: Waxmann.

Porfeli, E., Lee, B., Vondracek, F. W., & Weigold, I.K. (2011). A multi-dimensional measure of vocational identity status. Journal of Adolescence, 34, 853–871.

Roberts, B. W., Luo, J., Briley, D. A., Chow, P. I., Su, R., & Hill, P. L. (2017). A systematic review of personality trait change through intervention. Psychological Bulletin, 143(2), 117–141.

Rothland, M. (2010). Soziale Kompetenz: angehende Lehrkräfte, Ärzte und Juristen im Vergleich. Empirische Befunde zur Kompetenzausprägung und Kompetenzentwicklung im Rahmen des Studiums. Zeitschrift für Pädagogik 56 (4), 582‐603.

Schallberger, U., & Venetz, M. (1999). Kurzversionen des MRS-Inventars von Ostendorf (1990) zur Erfassung der fünf “großen” Persönlichkeitsfaktoren. Psychologie. Schweizerische Zeitschrift für Psychologie und ihre Anwendungen. Zürich, Schweiz: Psychologisches Institut der Universität Zürich.

Ströhle, G., Nachtigall, C., Michalak, J., & Heidenreich, T. (2010). Die Erfassung von Achtsamkeit als mehrdimensionales Konstrukt. Die deutsche Version des Kentucky Inventory of Mindfulness Skills (KIMS-D). Zeitschrift für Klinische Psychologie und Psychotherapie, 39(1), 1–12.

Wie wirkt sich das Lernen in einer Hochschullernwerkstatt auf Professionalisierungsprozesse von Lehramtsstudierenden aus – Erste Ergebnisse aus der evaluativen Begleitforschung

Marcus Berger, Dr. Meiling Liu

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An der Universität Erfurt wird derzeit das BMBF-geförderte Projekt „Hochschullernwerkstatt“ im Rahmen der Qualitätsoffensive Lehrerbildung durchgeführt. Es gilt, in einem eng verzahnten Prozess von Erprobung und Optimierung vor dem Hintergrund formativer und summativer Evaluationen die Lernwerkstattarbeit zu einem fest verankerten Strukturelement in der Ausbildung der Lehramtsstudierenden an der Universität Erfurt zu machen und ihre Wirkungen auf die Professionalisierung von Lehramtsstudierenden empirisch zu ermitteln.

Die Wirkungsforschung folgt einem mixed-methods-Design, das qualitative und quantitative Verfahren kombiniert. Um die Effekte der Lernwerkstatt im Vergleich mit anderen hochschuldidaktischen Settings abschätzen zu können, werden in einem quasi-experimentellen Versuchs-Kontrollgruppendesign Wirkungen der Lernwerkstattdidaktik auf das Lernen der Studierenden, insbesondere deren Kompetenzentwicklung und deren Professionsverständnis ermittelt. Die untersuchten Lernwerkstattseminare zeichnen sich durch Problemorientierung im Sinne des Problem-Based-Learnings (Weber 2007) sowie durch die Anregung von Gruppenlernprozessen im Verständnis kooperativer und kollaborativer Lernphasen aus. Zur Erfassungen der Wirkungen wurde unter anderem ein quantitatives Grundinstrument erstellt, welches sich im Bereich träger psychometrischer Konstrukte auf die Bereiche Selbstwirksamkeit (Schwarzer & Jerusalem 1999) und Überzeugungen zum Lehren und Lernen (Schlichter 2012) bezieht. Als dynamische, also kurzfristige Veränderungsprozesse werden Wirkungen auf performativer (deklaratives und prozedurales Wissen) Ebene erforscht. Auf formativer Ebene werden in drei Wellen Leitfadeninterviews mit Seminarteilnehmer*innen erhoben und die Daten bezüglich der o.g. Konstrukte mittels der dokumentarischen Methode (Bohnsack, 2010) ausgewertet. Im Vortrag werden das Design der Studie und erste Ergebnisse aus den quantitativen und qualitativen Daten vorgestellt.

 

Bohnsack, R. (2010) (Hrsg.): Dokumentarische Evaluationsforschung: Theoretische Grundlagen und Beispiele aus der Praxis. Opladen & Farmington Hills, MI: Verlag Barbara Budrich.

Schlichter, N. (2012). Lehrerüberzeugungen zum Lehren und Lernen. Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Sozialwissenschaftlichen Fakultät er Georg-August-Universität Göttingen. Göttingen.

'Schwarzer, R. & Jerusalem, M. (Hrsg.) (1999). Skalen zur Erfassung von Lehrer- und Schülermerkmalen. Dokumentation der psychometrischen Verfahren m Rahmen er Wissenschaftlichen Begleitung des Modellversuchs Selbstwirksame Schule. Berlin: Freie Universität Berlin.

Weber, A. (2007): Problem-Based Learning. Ein Handbuch für Ausbildung auf der Sekundarstufe 2 und der Tertiärstufe. Bern: hep.

„Digitale Hospitanz – Der Einsatz von 360° Videos in der Lehrer*innenbildung“

Diana Stoll, Julian Windscheid

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Innerhalb des Forschungsbereiches der universitären Lehrer*innenbildung zeigen aktuelle Studien, dass durch den Einsatz von videobasierter Unterrichtsanalyse, von einer positiven Wirkung hinsichtlich der Kompetenzentwicklung der Studierenden in den lehramtsbildenden Studiengängen und der Verbesserung der Qualität des Unterrichts, ausgegangen werden kann (Petko, Prasse & Reusser 2014; Gaudin & Charliès 2015). Derzeit werden hauptsächlich Videoaufnahmen mit einer statischen Perspektive eingesetzt. Einige Forscher*innen sehen dies kritisch und verweisen darauf, dass eine ausreichende Analyse des Videomaterials oft nicht möglich ist, da sich notwendige Szenarien häufig außerhalb der Kameraperspektive abspielen und somit für den Betrachter nicht zugänglich sind. Um diesem Fakt gegenzusteuern gibt es die Option des Einsatzes mehrerer Kameras im Raum. Forscher*innen, wie beispielsweise Heath (Heath et al. 2010) sehen dabei jedoch Nachteile. Sie argumentieren, dass die Interaktionen, welche aus multiplen Perspektiven aufgezeichnet wurden, zu komplex erscheinen und Interaktionsprozesse, dadurch nicht mehr als zusammengehörige Einheit wahrgenommen werden können (Jewitt 2012).

Im Rahmen des QUALITEACH-Projektes der Universität Erfurt und des Teilprojektes „Kompetenz- und Entwicklungszentrum für Inklusion in der Lehrer*innenbildung“, wurden Lernvideos authentischer Unterrichtssituationen mit einer 360°Kamera aufgezeichnet. Dieses Kamerasystem bietet, gegenüber herkömmlichen Unterrichtsvideos, die Möglichkeit, das Geschehen gleichzeitig in alle Richtungen aufzuzeichnen. Bei der Analyse des Lernvideos können so unterschiedliche Beobachtungsperspektiven eingenommen und die Geschehnisse im Raum besser betrachtet werden. Außerdem ist es möglich dieses Videoformat über ein Virtual-Reality-Headset zu nutzen und sich so noch tiefer in die Szene zu begeben. Vorteilhaft ist hierbei, dass es ein „vor“ und „hinter“ der Kamera nicht mehr gibt. Die Beobachtung des videografierten Unterrichts wird so zu einem immersiven Erleben und hinterlässt bei den Nutzer*innen den Eindruck „real“ am Unterrichtsgeschehen partizipieren zu können.

Der folgende Beitrag stellt dieses Verfahren ausführlich vor und präsentiert erste Ergebnisse einer experimentellen Vergleichsstudie zwischen statischen und 360° Unterrichtsvideos, welche hinsichtlich der Analyse des Unterrichtsmerkmals Klassenführung, der Mitarbeit von Schüler*innen, der kognitiven Belastung, Immersion sowie weiteren, in diesem Zusammenhang stehenden Variablen, durchgeführt wurde.

 

Gaudin, C. & Charliès, S. (2015): Video viewing in teacher education and professional development: A literature review. Educational Research Review, 16, 41 – 67.

Jewitt, C. (2012): An instruction to using video for research (National Centre for Research Methods Working Paper 03/12.

Petko, D.; Prasse, D. & Reusser, K. (2014): Online-Plattformen für die Arbeit mit Unterrichtsvideos: Eine Übersicht. Beiträge zur Lehrerinnen- und Lehrerbildung, 32(2), 247 – 261.

Heath, C.; Hindmarsh, J. & Luff, P. (2010): Video in Qualitative Research. Sage. London.

Kommunikative Strategien zur Erreichung anspruchsvoller Lernziele – Entwicklung eines Trainings für Lehramtsstudierende

Josefin Kaufhold & Christian Schinköthe –

Critical Friend: Dr. Anja Bossen (Uni Potsdam)

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Der Vortrag gibt einen Einblick in bedeutsame Erkenntnisse des dreieinhalbjährigen Zusammenwirkens der Teilprojektmitglieder des Methodentrainings für effektives Unterrichten aus den Fachbereichen Allgemeine Didaktik, Musik- sowie Literaturdidaktik.

Neben der Vorstellung von Ergebnissen hinsichtlich der Entwicklung und Evaluation des Trainingsprogramms für die Kommunikationsstrategie der indirekten Instruktion, soll unter dem Schwerpunktbereich Musikdidaktik der Prozess der Erstellung eines problemorientierten, diskursiven Unterrichtssettings reflektiert werden.

Mit Ausblick auf das weitere Vorgehen erfolgt ein Exkurs auf das Analyseinstrument zur Erfassung kommunikativer Strategien, welches unterschiedliche Methoden der Unterrichtskommunikation auf sprachlicher Ebene konkretisiert und differenziert.

"Das habe ich vorher ganz anders eingeschätzt." - Eine Pilotstudie zur Wirkung von systematischer Unterrichtsreflexion während eines Langzeitpraktikums

Thomas Bock, Norbert Graebel

Im Rahmen der Professionsentwicklung von Lehrkräften wird wiederholt als elementar beschrieben, dass Lehrkräfte über eine reflektierte und selbst-distanzierte Haltung in Bezug auf die eigene berufliche Praxis verfügen sollen (KMK, 2004; Fichten, 2010). Forschendes Lernen wird als ein vielversprechendes hochschuldidaktisches Konzept dargestellt, welches die Entwicklung eines solchen forschenden Habitus fördern soll. Ein zentraler Bestandteil des Forschenden Lernens ist die systematische und wissenschaftliche Erhebung und Auswertung von Daten. Auch im Konzept der evidenzbasierten Praxis wird auf die Relevanz systematisch entwickelter Evidenz hingewiesen (vgl. Bauer et al., 2015; Helmke & Lenske, 2013). Demgegenüber steht der Befund, dass sich Lehrkräfte bei der Beurteilung der eigenen Unterrichtsqualität hauptsächlich auf unsystematische Beobachtungen und Rückmeldungen beziehen (Schrader & Helmke, 2001) – und eben nicht evidenzbasiert vorgehen. Diese Diskrepanz fällt im Hinblick auf Rückmeldungen von Schülerinnen und Schülern besonders vor dem Hintergrund ins Gewicht, dass die Beurteilung der Unterrichtsqualität durch Schülerinnen und Schüler im Zusammenhang mit ihren Leistungen steht (Fauth et al., 2014; Hattie, 2009). Ein Ansatz, das Feedback der Schülerinnen und Schüler zu systematisieren und Daten über den eigenen Unterricht einzuholen, besteht in den „Evidenzbasierte[n] Methoden der Unterrichtsdiagnostik und -entwicklung“ (EMU, Helmke et al., 2019). EMU bietet Fragebögen und Auswertungsmasken an, die das Einholen und Auswerten systematischer Feedbacks von Schülerinnen und Schülern, hospitierenden Kolleginnen und Kollegen und eine Selbsteinschätzung ermöglichen (ebd.). Durch den datenbasierten Abgleich dieser verschiedenen Perspektiven kann es gelingen, den eigenen Unterricht umfänglicher und effizienter zu reflektieren, anstatt lediglich die eigene subjektive Sicht heranzuziehen (Helmke & Lenske, 2013). Es stellt sich die Frage, ob eine forschend-reflexive Haltung durch solch eine datenbasierte und mehrperspektivische Unterrichtsreflexion bereits im Studium angelegt und gefördert werden kann. Dementsprechend wurde der Effekt der systematischen Unterrichtsreflexion auf eine forschend-reflexive Haltung und auf Fähigkeiten zur Beurteilung bildungswissenschaftlicher Evidenz bei Lehramtsstudierenden untersucht, indem diese während ihres Praxissemesters bei dem Einsatz solch einer systematischen Unterrichtsreflexion universitär begleitet wurden. Erwartet wurde eine (stärkere) Steigerung der forschenden Haltung und dem Anwendungswissen zur Evidenzbeurteilung in den Begleitseminaren mit systematischer Unterrichtsreflexion im Vergleich zu einer Kontrollgruppe.

Im Rahmen eines quasi-experimentellen Designs besuchten insgesamt 92 Studierende (74% weiblich) neben der Praktikumstätigkeit an der Schule Begleitveranstaltungen. Diese differenzierten sich in eine Kontrollgruppe (n = 12), eine Experimentalgruppe, in der es auch um das Einholen von systematischem Feedback ging (n = 19), und die EMU-Experimentalgruppe (n = 28) aus. Es lagen insgesamt 59 komplette Datensätze (75% weiblich) und pro Gruppe recht kleine Stichprobengrößen vor. Zur Erfassung der forschend-reflexiven Haltung wurde eine modifizierte Version des Fragebogens zum Forschenden Habitus nach Reitinger (2013) eingesetzt (Cronbachs αt1 = .74, Cronbachs αt2 = .88). Des Weiteren wurden Vignetten zur Erfassung des Anwendungswissens zur Beurteilung von Evidenz eingesetzt (Zeuch & Souvignier, 2015; Cronbachs αt1 = .83, Cronbachs αt2 = .94). Die Ergebnisse der Varianzanalyse mit Messwiederholung widersprachen der Hypothese in Bezug auf den Forschenden Habitus (Interaktionseffekt Zeit × Gruppe: F(2, 56) = 0.17, p = .847, η² = .006).

Die Veränderung in den Experimentalgruppen unterschied sich nicht signifikant von der Kontrollgruppe. Es zeigte sich allerdings, dass die Gruppe mit systematischer Unterrichtsreflexion einen signifikant höheren Anstieg in ihrem Anwendungswissen zur Beurteilung von bildungswissenschaftlicher Evidenz aufwies als die Kontrollgruppe (Interaktionseffekt Zeit × Gruppe: F(1, 43) = 5.63, p = .022, η² = .116). Zwischen den beiden Experimentalgruppen gab es keine signifikanten Unterschiede. Diese Befunde sollte mit Vorsicht und als erste Hinweise interpretiert werden, da sie zum einen auf einer sehr geringen Stichprobengröße basieren und daher eine eingeschränkte Power haben. In einer aktuellen Studie wird das Realisieren des Feedbacks stärker kontrolliert, um den Effekt klarer darstellen zu können. Die Ergebnisse werden anschließend in den Kontext weiterer Befunde eingebettet und mit Hinblick auf die Professionalisierung von angehenden Lehrkräften im Praxissemester diskutiert.

 

 

Bauer, J., Prenzel, M. & Renkl, A. (2015). Evidenzbasierte Praxis – im Lehrberuf?! Einführung in den Thementeil. Unterrichtswissenschaft, 43(3), 188-192.

Fauth, B., Decristan, J., Rieser, S., Klieme, E. & Büttner, G. (2014). Student ratings of teaching quality in primary school: Dimensions and prediction of student outcomes. Learning and Instruction, 29, 1-9.

Fichten, W. (2010). Forschendes Lernen in der Lehrerbildung. In: U. Eberhardt (Hrsg.): Neue Impulse der Hochschuldidaktik (S. 127-182). Wiesbaden: Springer VS.

Hattie, J. (2009). Visible learning. A synthesis of over 800 meta-analyses relating to achievement. London: Routledge.

Helmke, A., Helmke, T., Lenske, G., Pham, G., Praetorius, A.-K., Schrader, F.-W. & Ade-Thurow (2019, 03. April). Evidenzbasierte Methoden der Unterrichtsdiagnostik und -entwicklung. Abgerufen von http://www.unterrichtsdiagnostik.de/.

Helmke, Andreas; Lenske, Gerlinde: Unterrichtsdiagnostik als Voraussetzung für Unterrichtsentwicklung. Beiträge zur Lehrerinnen- und Lehrerbildung, 31(2), 214-233.

Huber, L. (2009). Warum Forschendes Lernen nötig und möglich ist. In: L. Huber, J. Hellmer & F. Schneider (Hrsg.): Forschendes Lernen im Studium. Aktuelle Konzepte und Erfahrungen (S. 9-35). Bielefeld: Universitätsverlag Webler.

Kultusministerkonferenz. (K.M.K.) (2004). Standards für die Lehrerbildung. Bonn: KMK.

Reitinger, J. (2013). Forschendes Lernen: Theorie, Evaluation und Praxis in naturwissenschaftlichen Lernarrangements. Prolog-Verlag.

Schrader, F.-W. & Helmke, A. (2001). Alltägliche Leistungsbeurteilung durch Lehrer. In: F. E. Weinert (Hrsg.): Leistungsmessung in Schulen (S. 45-58). Weinheim: Beltz.

Zeuch, N., & Souvignier, E. (2015). Zentrale Facetten wissenschaftlichen Denkens bei Lehramtsstudierenden. Entwicklung eines neuen Instruments und Identifikation von latenten Profilen. Unterrichtswissenschaft, 43(3), 248–266.

Thesen zur Digitalisierung der Lehrer*innenbildung – Perspektiven auf die Entwicklung der digitalen Lehrer*innenbildung an der Universität Erfurt

Petra Kirchhoff / Theresia Piszczan

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Die Digitalisierung in der Lehrerbildung geht einher mit einem fundamentalen Wandlungsprozess: Es verändern sich nicht nur bestehende Konzepte des Kompetenzerwerbs, Rollenverständnisse und Strukturen der Organisation (Gerick et al. 2016), sondern auch unsere Wissensbestände und -zugänge selbst.

In diesem Vortrag stellen wir zentrale Thesen zur Entwicklung der digitalen Lehrer_innenbildung an der Universität Erfurt zur Diskussion und zeigen auf, welche Möglichkeiten uns zukünftige Projekte (QUALlTEACH und ProDigital) bieten. Dabei greifen wir mit Blick auf die kompetenzorientierte Facette der Lehrerbildung sowie der Professionswissensforschung die Kompetenzmodelle des Technological Pedagogical Content Knowledge (Schmidt et al. 2009) sowie von DigiCompEdu (Redecker 2017) auf.

 

 

Gerick, J., Eickelmann, B., Drossel, K. & Lorenz, R. (2016). Perspektiven von Schulleitungen auf neue Technologien in Schule und Unterricht. In: Eickelmann, B., Gerick, J., Drossel, K. & Bos, W. (Hrsg.) (2016). ICILS 2013. Vertiefende Analysen zu computer- und informationsbezogenen Kompetenzen von Jugendlichen. Münster, New York: Waxmann. S. 60-92. Online verfügbar unter www.content-select.com/index.php.

Hochschulforum Digitalisierung (2015). Diskussionspapier. 20 Thesen zur Digitalisierung der Hochschulbildung (Arbeitspapier, 14). Online verfügbar unter: hochschulforumdigitalisierung.de/sites/default/files/dateien/HFD%20AP%20Nr%2014_Diskussionspapier.pdf

Hochschulforum Digitalisierung (2018). Diskussionspapier. 5 Thesen zur Rolle von Hochschulen in der Lehrerbildung für eine digitalisierte Welt. Online verfügbar unter: hochschulforumdigitalisierung.de/sites/default/files/dateien/Diskussionspapier2_AG%20Lehrerbildung.pdf

Lorenz, R., Gerick, J., Wendt, H. & Weischenberg, J. (2016). Einschätzung von Sekundarfstufenlehrkräften zu ihren Kompetenzen im Umgang mit neuen Technologien in Lehr- und Lernprozessen. In: Eickelmann, B., Gerick, J, Drossel, K. & Bos, W. (Hrsg.) (2016). ICILS 2013. Vertiefende Analysen zu computer- und informationsbezogenen Kompetenzen von Jugendlichen. Münster, New York: Waxmann. S. 119-142. Online verfügbar unter www.content-select.com/index.php.

Redecker, Christine (2017). European Framework for the Digital Competence of Educators: DigCompEdu. In: Punie, Y. (ed). EUR 28775 EN. Luxembourg: Publications Office of the European Union. DOI: 10.2760/159770.

Schmidt, D.A., Baran, E., Thompson, A. D., Mishra, P., Koehler, M. J. & Shin, T.S. (2009). Technological Pedagogical Content Knowledge (TPACK). In: Journal of Research on Technology in Education, 42 (2), S. 123-149. DOI: 10.1080/15391523.2009.10782544.